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Kolumne Die KriegsreporterinWie eklig ist das denn?

Kolumne
von Silke Burmester

Überall ist Ai-Weiwei, Gauck bekommt Standing Ovations beim Grimme-Preis und Liz Mohn wird im eigenen Haus gelobpudelt.

Liz Mohn: eine Frau, die Deutschland prägt. Bild: dpa

H allo taz-Medienredaktion! Ich melde mich heute aus Deutschlands einziger Ai-Weiwei-freien Printzone. Während aktuell kein Magazin darauf verzichten möchte, sich seine Seiten, seine Spalten oder sein Klopapier von dem chinesischen Polit-Folkloristen füllen zu lassen, habe ich mich entschieden, selbst zu versuchen, klug zu sein. Ich brauche dafür weder einen Chinesen noch einen Mann, ich dreh einfach den Hahn auf und dann schauen wir mal, was da kommt!

Tatsächlich nicht so viel, ehrlich gesagt, denn ich habe Nach-Grimme-Preis-Woche. Und ich bin Bahn gefahren. Und dort greife ich früher oder später immer, ja wirklich immer zu DB debil, dem „Magazin der Deutschen Bahn“. Dieses Mal erfreute ich mich des Sachverhalts, dass die „Neue Serie: Frauen, die Deutschland prägen“ mit Liz Mohn eröffnet wird. Der Chefin von Bertelsmann. Und damit auch von Gruner + Jahr – und auch dem Bereich für Auftragsmagazine, wie dem der Deutschen Bahn.

Ey, wie eklig ist das denn?!? Nicht, dass man sie an fünfter Stelle bringt oder irgendwo zwischen Folge sieben und neun. Nein, der neue Chefredakteur positioniert sie gleich als Erstes. Bleibt die Frage, ob auch noch mit dem Abfeiern von G + J-Vorstandsfrau Julia Jäkel als arbeitsplatzerhaltende Schleimpraxis zu rechnen ist.

Und nun zum Grimme-Preis, der zum 50. Mal vergeben wurde. In der Erinnerung an die Preisgala gibt es zwei Dinge, die besonders erwähnenswert sind: zum einen die mich erschreckende Tatsache, dass das Publikum aufgestanden ist, als der Bundespräsident hereinkam, seit der Wahl von Helmut Kohl zum Kanzler war mir des Volkes Regung nicht mehr so unverständlich.

Zum anderen das Feuerwerk. Das war fulminant. Und ebenfalls überraschend. Denn nie und nimmer erwartet man ein solch durchchoreografiertes Leucht- und Geräuschspektakel in einem Ort wie dem armen, ausgebluteten, von seiner guten Seele verlassenen Marl. Dort aber hatten junge Menschen, denen Mutti eben erst erlaubt hatte, das Feuerzeug in die Hand zu nehmen, ein Geknatter in den Himmel geschossen, das ich als Hommage an den Preisverantwortlichen Uli Spies werten möchte, weil es seinem brummigen, störrischen und so liebenswerten Wesen alle Ehre erwies.

Keinen Gefallen jedoch hat man sich damit getan, im Radio Eintrittskarten für die Sause zu verlosen. Und die örtlichen CDU-Hanseln und Carglass-Werkstätten-Inhaber einzuladen. Mal für die Zukunft, Grimme: die stören. Wenn die was erleben wollen, sollen sie nach Bochum zu „Starlight Express“ fahren. Allerdings möchte ich mich dafür entschuldigen, auf Twitter gesagt zu haben, die eingelosten Radiohörer hätten einen Stock „im Arsch“. Das war nicht nett. Ich hatte zu diesem Zeitpunkt nix im Arsch, sondern im Tee.

Medienjournalismus zu beobachten ist nicht immer schön. Fast immer schön aber ist, was das Blog Altpapier daraus macht. Im Zusammenhang mit dem Grimme-Jubiläum hatte Christian Bartels einen Text von Torsten Körner gelesen und ein paar Zeilen ins Altpapier gestellt, Zeilen, zu schön, um der elitären Minderheit vorbehalten zu bleiben, die epd medien abonniert hat: „Die Welt ist nicht verloren, sofern wir das Fernsehen finden, das uns Wege zum Licht zeigt und das herrschende Dunkel vertreibt.“

Danke, Christian, dass Du mir den Weg zu diesen Zeilen gewiesen hast. Am Ende fragst Du: „Könnte man das schöner ausdrücken, wenn man so etwas ausdrücken möchte?“ Ich sage Dir, nein, Christian, das kann man nicht. Und gebe benommen vom Glück der geistigen Besamung zurück nach Berlin!

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Kolumnistin
Silke Burmester war über 25 Jahre schreibende Journalistin. Von Anfang an auch für die taz. Hier hat sie u.a. Carla Brunis geheimes Tagebuch veröffentlicht und als „Die Kriegsreporterin“ von der Medienfront berichtet. Jetzt hat sie beschlossen, Anführerin einer Jugendbewegung zu werden und www.palais-fluxx.de für Frauen ab 47 gegründet, das "Onlinemagazin für Rausch, Revolte, Wechseljahre“. Für die taz wird sie dennoch ab und zu schreiben, logo!
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6 Kommentare

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  • 9G
    95820 (Profil gelöscht)

    Dank Mohn sieht man

    von Bertelsmann

    nur Be te an(n).

    Gut, dass ich mich beherrschen kann.

  • mann evangelische Pfarrerin (die hieß doch irgendwas mit Käsemann, die mit dem Tee?), Du bist aber auch irgendwo versteckt hängen geblieben vor mind. 10 Jahren. Vielleicht wie ja alle aus unserer Generation mit der (zu) späten Kinderzeugung untergetaucht? Ist es dir nicht aufgefallen das die jungen Mädels schon länger total spießig geworden sind (natürlich sicher auch die Männers), egal ob als Punk oder Hippie gestylt, der Kinderwagen ist dabei, und netterweise sehen sie für mich alten Freak alle aus, als wenn sie noch zur Uni gehen. Und warum sollen die Idioten nicht alle aufstehen bloß weil jemand total wichtiges reinkommt? Schließlich wird auch schon lange wieder gemeinsam die Nationalhymne mitgesungen, ganz selbstverständlich. Na, pssst, und jetzt mal ehrlich, Du hast doch sicher auch schon mal bewegt die ersten Worte mitgesummt, weil Du vielleicht ja den Text nicht weißt. Wir sind alle angesteckt von der wundervollen, bunten Plastik-Promo-World, können uns doch garnicht mehr vorstellen wie krasss das ma war, Alta. Jetzt nimm dein Kind in den Arm und versuche zu lieben (komm gib´s zu, das ist Poesie).

  • Marlefitz

     

    Marl liegt nicht am Neckar, Marl liegt nicht am Rhein

    Es streift nur Lippe dies Städtchen so klein.

    Will niemand drin wohnen als Grimme allein.

     

    Die Lippe der Muse die haucht ihren Kuss

    Mir zart auf die Wange, gerad wie der Fluss

    Auf dem Wege zum Rhein diese Stadt küssen muss.

     

    Nun lasse ich alle Zurückhaltung sausen

    Und werde als Dichter direkt zum Banausen

    So nenne ich diese Stadt Marl — Grimme lshausen

  • "gelobpudelt" ist zweifellos die schönste Wortschöpfung seit "marmelady" (Joyce).

     

     

    Red.: Kommentar bearbeitet. Bitte achten Sie auf Ihre Wortwahl.

    • @Rainer B.:

      Diese Löschung ist amüsant.

      Der zensierte Teil meines Beitrags verwendete ausschließlich die Wortwahl des Artikels selbst und stellte einen Zusammenhang mit James Joyce her.

      Wen oder was habt ihr denn nun zensiert? Frau Burmester oder mich?

  • Aufstehen und Stock im Arsch -

     

    in de Tat eine urdeutsche Oralanalverschlingung;

     

    ".…hier spricht Ihr Kapitän -

    ich freue mich den

    Präsidenten der Hochschulrektorenkonferenz

    Herrn Prof.Dr.Dr. Quackeldischnackel an Bord begrüßen zu können…"

     

    und ein paar Tausend Fuß über Null

    knöpft ein leicht stockgrader

    verstaubter Kugelkopf mit

    Fusselkranz sein mausgraues

    Anzugjackett zu -

    und dienert anheischig

    allseits um sich rum

     

    - ohne daß ein homerisches Gelächter die Flugsicherheit bedroht.