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Parteitag in ErfurtDas „freundliche Russland“ der AfD

Kaum etwas wird auf dem AfD-Parteitag so emotional diskutiert wie die Krimkrise. Viele Mitglieder sind sich einig: Moskau verdient Solidarität.

Parteitagsbesucher der Alternative für Russland Bild: dpa

ERFURT taz | Die Resolution legt sich fest. Angesichts der sich verschärfenden Krimkrise setze sich die AfD „nachhaltig“ für Deeskalation ein, heißt es in dem Antrag. Der Konstanzer Funktionär Wolfgang Gedeon bringt ihn am Samstag auf dem Erfurter Parteitag ein.

Das heiße: Keine Sanktionen gegen Russland, keine deutschen Steuergelder für die „demokratisch nicht legitimierte Regierung in Kiew“. Auch distanziere man sich von den USA, „die offensichtlich Deutschland und Russland mit aller Macht in einen neuen Kalten Krieg hineintreiben wollen“. Rumms. Der Parteitag ist begeistert.

Bisher waren es hierzulande nur Teile der Linkspartei, die sich in der Frage der Krim-Annexion auf Seiten Moskaus schlugen. Nun also auch die AfD? Was folgt, ist die erste große außenpolitische Debatte für die Neupartei - eine hoch emotionale.

Vor allem AfD-Bundesvize Alexander Gauland wirft sich für Russland in die Bresche. Die Annexion der Krim sei völkerrechtswidrig. Aber: „Wir haben Russland nach 1989 gedemütigt und wir ernten nun die Folgen.“ Gauland nennt die ukrainische Neu-Regierung illegitim: Dort säßen „Leute, für die in unserem Land das Bundesverfassungsgericht zuständig wäre“. Deutschland müsse wieder eine „Brücke“ zu Russland aufbauen, so Gauland. „Ein starkes Russland war immer ein freundliches Russland.“ Wieder stürmischer Applaus.

„Selbstbestimmungsrecht der Völker“

Als „Sternstunde des Parteitags“ lobt ein AfDler die Gauland-Rede. Immer betonen Redner, Deutschland müsse in der Krimkrise endlich „deutsche Interessen vertreten“.

Es melden sich aber auch empörte Mitglieder. „Ich frage mich, ob das Hurra-Geschrei noch so groß ist, wenn Putin in das nächste Land einmarschiert“, kritisiert ein Redner. Eine AfD-Frau warnt, „hegemoniale Phantomschmerzen“ seien bei keinem Land zu akzeptieren. Mit der Resolution sei man auf Linie mit Marine Le Pen, der französischen Rechtsextremistin der Front National. Ein Mitglied klagt, der Parteitag unterdrücke Russland-Kritik - und erklärt spontan seinen Parteiaustritt.

AfD-Chef Bernd Lucke legt sich fest: Die Krim-Bewohner hätten wohl auch in freier Wahl für den Anschluss an Russland votiert. Er gebe dem „Selbstbestimmungsrecht der Völker Vorzug vor territorialer Integrität“. Dann vermittelt Lucke: Er schlägt eine Arbeitsgruppe vor, welche über Nacht die Resolution überarbeiten soll.

Die legt am Sonntag einen Kompromiss vor. Weder Sanktionen gegen Moskau dürfe es geben, noch weitere Eingliederungen der Ukraine nach Russland oder in die EU, heißt es nun. Zurück auf Diplomatie-Kurs. Der Parteitag stimmt zu.

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16 Kommentare

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  • ein starkes Russland ist ein freundliches Russland?

     

    So freundlich wie 1914, 1939, 1953, 1956 oder 1968?

     

    Herr Lucke beschäftigen Sie sich besser mit Wirtschaft, wie mit Geschichte, dann bleiben wir von solchen Ergüssen verschont.

    • @Michael Völler:

      Sie haben 1813 vergessen; aber auch generell sollten Sie mal ein Geschichtsbuch lesen, denn einige der von Ihnen angeführten Jahreszahlen sind in Russland ereignislos gewesen. Viel Spaß beim herausfinden welche das sind.

      • @muds0r:

        1914 Ausbruch des Ersten Weltkrieg

        1939 Beginn des Zweiten Weltkrieg, von russischer Seite nur die Besetzung von Ostpolen und der baltischen Länder, definitiv aber nicht ereignislos

        1953 Blutige Niederschlagung des deutschen Aufstands in der sowjetischen Besatzungszone. Der Befehl hierfür kam aber sicherlich aus Moskau. Abgesehen davon gab es 1953 aber auch Gutes. Stalin einer der größten Verbrecher der Menschheit starb endlich.

        1956 Blutige Niederschlagung des Aufstands im sowjetisch besetztem Ungarn. Der Befehl hierfür kam aber sicherlich aus Moskau. 1968 wiederholte sich das dann in Prag.

         

        Ereignislos in Russland waren diese Jahre alle nicht. Und wenn es nur der Befehl zur Invasion war.

  • "AfD-Chef Bernd Lucke legt sich fest: Die Krim-Bewohner hätten wohl auch in freier Wahl für den Anschluss an Russland votiert." Oh, oh, hoffentlich sehen wir nie Herrn Lucke an der Regierung und die Art v freier Wahl wie er und Herr Putin sie sich vorstellen. Ein weiterer Beweis, das auch Professoren- Titel nicht v geistiger Beschränktheit schützen.

    • @ingrid werner:

      Man kann von der AfD halten was man will, ich mag als Zentrist schon den eifernden Ton einiger ihrer mir persönlich bekannten Mitglieder nicht, aber in der Krimfrage liegen sie ziemlich richtig.

       

      Die Russen in der Ukraine- Frage einfach zu ignorieren oder zu meinen man könnte Russland durch Sanktionen einfach so nach belieben in die Knie zu zwingen ist naiv und aberwitzig.

       

      An einem Dialog mit und Einbeziehung von Rußland führt kein Weg vorbei sonst klemmt sich Putin zum Nachtisch auch noch die Ostukraine und der "Westen" kann außer große Töne spucken nix machen oder sollen die USA gleich ihre Atomraketen aus dem Bunker holen?!?

  • Obwohl ich mit der AfD meinungsmäßig nicht das Geringste zu tun habe, ihren Ansagen zur Russlandpolitik stimmen breite Kreise der deutschen Öffentlichkeit zu. Berechtigter Weise! Der Propaganda-Trick ist nun so auf den Punkt zu bringen: "Wer die EU-weite und deutsche Russland Politik ablehnt, wird als AfDler "eingestuft". Wie dumm muss man sein, um zu glauben, dass das noch funktioniert? Wir Bürger wissen "Frieden ernährt, Krieg verzehrt". Unsere Väter und Mütter haben gesehen wohin das führt und sie haben uns die Anti-Kriegshaltung anerzogen. Wir Bürger bekommen nämlich auch künftig die Einberufungsbefehle, wenn der Frieden zerstört ist. Unsere Häuser und Firmen werden zerstört. Die bisherige Russlandpolitik des Westens war grottenschlecht und aus verfassungsrechtlicher Sicht geradezu verbrecherisch. Ich bezweifle aber, dass die deutsche Regierung überhaupt lernfähig ist. Steinmeyer hat erneut Putschisten gehuldigt und Russland von Kiew aus, zum alleinig schuldigen Land erklärt. Das beweist, die Deutsche Regierung will sich künftig mit Russland anlegen. Damit handelt sie nicht im Sinne der Deutschen. Und den Ukrainern ist mit dieser Zuspitzung am Wenigsten geholfen. Nur die USA kommen so zu ihrem Schlachtfeld in Europa. Mit Russland wurde in der Ukraine vieles besser vorankommen, ohne das die Ukrainer ihr Selbstbestimmungsrecht aufgeben müssten. Vorschlag: Wählt Kriegspolitiker bei den Europawahlen einfach ab. Noch ist es möglich...

  • Russlands Opferrolle funktioniert perfekt, wie man sehen kann. Hätte der Westen anständig mit ihnen verhandelt, hätten sie glatt bei den Schweinereien der EU der letzten 20 Jahre mitgemacht.

    So machen sie eben trotzig ihre eignen Schweinereien.

    Ich kann mich einfach nicht für einen der Schweineställe entscheiden, aber der Mief des einen steht der AfD schon ganz gut.

    • @lions:

      Hervorragender Kommentar

      • 9G
        95820 (Profil gelöscht)
        @edvans:

        Wette verloren?

  • Natürlich hat das deutsche Kapital kein Interesse an einer Konfrontation mit Rußland.

    Dort ist auch ein guter Absatzmarkt für deutsche Waren zu finden.

     

    Das wäre ein Grund ansonsten gewesen, warum es irgendwann zu einer rotrotgrünen Koalition gekommen wäre, die die Verbindungen mit Rußland stärkt. Jetzt sucht das Kapital einen neuen Fluchtort in einer rechtspopulistischen und neoliberalen Partei. DIE LINKE hat sich mit ihrer Wischi-Waschi-Euro-und EU-Kritik leider keinen Gefallen getan.

  • Wir müssen unser Verhältnis zu Amerika neu bewerten. Die USA steuern unter Obama willentlich oder dilettantisch in einen politischen evtl. auch militärischen Konflikt, der niemandem nützt außer den USA. Und daher kann ich nur die unabhängige AfD unterstützen und freue mich über eine Partei, die offen und ehrlich möglichen Wählern ihr Parteiprogramm mitteilt.

  • Die Partei von Olaf Henkel :D

     

    Die deutsche Industrie ist verständlicherweise nicht durchgehend begeistert vom neuen Konfrontationskurs gegen Russland.

  • Kritik gegen die EU: Die Ansichten/Bewertungen zu Nato, Russland, Krim-Annexion, Völkerrecht, Amerika, Europa sind bei "Die Linke" sowie der "rechtspopulisten AfD" des öfteren nicht unterscheidbar! Beide sind bei der anstehenden Eurowahl nicht wählbar!

    • @Walter Gleichmann:

      Gerade wegen dieser Positionen sind es die beiden einzig wählbaren Parteien.

    • 9G
      95820 (Profil gelöscht)
      @Walter Gleichmann:

      Finde das "nicht", das gestrichen werden sollte.

  • Erstaunlich, damit habe ich nicht gerechnet. In diesem Punkt liegt die AfD wohl weitgehend richtig.