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Tortenwurf auf Innenminister von BaWüSüße Forderung nach NSU-Ausschuss

Ein 19-Jähriger bewirft den Innenminister von BaWü mit einer Torte. Er fordert, das Land solle endlich einen Untersuchungsausschuss zum NSU einrichten.

Innenminister Gall, hier in zivil Bild: dpa

LUDWIGSBURG taz | Es war Himbeersahne, die Reinhold Gall (SPD) da ins Gesicht klatschte. Am Freitagabend saß Baden-Württembergs Innenminister bei einer Veranstaltung der Evangelischen Hochschule in Ludwigsburg auf dem Podium, als ihm das Stück Torte ins Gesicht segelte. Ein 19-jährige Täter, der in der erste Reihe saß, hatte die Torte unbemerkt aus seinem Rucksack holen können, als das Publikum durch einen Zwischenruf – „Warum gibt es keinen NSU-Ausschuss in Baden-Württemberg?“ – abgelenkt war.

Wenige Sekunden später flog die Torte. Sicherheitsleute überwältigten den Täter und schleiften ihn aus dem Saal, die Veranstaltung wurde unterbrochen (Videobericht auf TV-Südbaden). Gall reiste schließlich mit verstopftem Gehörgang und versautem Jacket ab, ohne sich zum Thema der Tagung, „Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit von Buchenwald bis zu den NSU-Morden“, geäußert zu haben.

Hinter der Aktion steht eine Gruppe, die sich „Heilbronner Konditorei für konsequente Aufklärung“ nennt. Warum der 19-Jährige die Torte geworfen hat, erklärt er im Gespräch mit der taz: „Wir wollten nicht hinnehmen, dass sich Gall als Gegner von Rassismus präsentiert. So lange er einen NSU-Untersuchungsausschuss verweigert, ist er nicht legitimiert, sich über Nazi-Morde zu äußern. Es gäbe genügend Gründe, einen solchen Ausschuss in Baden-Württemberg einzurichten.“

Er zählt einige „Verstrickungen“ im Ländle auf, die aufgeklärt werden müssten. Da sei zum einen der Tod von Florian Heilig. Heilig verbrannte im September 2013 in seinem Auto, kurz bevor er im Stuttgarter Landeskriminalamt zum Heilbronner Polizistenmord aussagen sollte. 2007 war die Polizistin Michèle Kiesewetter durch einen Kopfschuss ermordet worden. Ihre Dienstwaffe fand man 2011 bei den Leichen der beiden NSU-Rechtsextremisten Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt. Heiligs Tod sei bewusst entpolitisiert worden, indem die Polizei von Selbstmord aus Liebeskummer sprach, so der 19-jährige Tortenwerfer.

NSU-Ausschuss wird diskutiert

Auch darüber, dass Polizisten aus Baden-Württemberg Mitglied im rassistischen Ku-Klux-Klan waren, sei nicht ausreichend debattiert worden. Außerdem habe Baden-Württemberg dem Bundestags-Untersuchungsausschuss zur NSU 2012 Akten verwehrt.

„Es gibt bereits zivilgesellschaftlichen und politischen Druck, einen Untersuchungsausschuss einzurichten“, sagt der Tortenwerfer. Solch einen Ausschuss fordern im Ländle beispielsweise die Grüne Jugend, der Deutsche Gewerkschaftsbund, die Linke und die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes.

Saubermachen nach Tortenattentat: Baden-Württembergs Innenminister Reinhold Gall Screenshot: http://www.tv-suedbaden.de

Am Mittwoch sollen in Stuttgart die Ergebnisse einer Ermittlungsgruppe zum NSU-Umfeld in Baden-Württemberg vorgelegt werden. Dann wird die Frage, ob auch das süddeutsche Bundesland einen eigenen Untersuchungsausschusses einrichten sollte, wohl wieder diskutiert.

Gewahrsam für Tortenwerfer

Für die nachdrückliche Aufforderung der „Heilbronner Konditorei für konsequente Aufklärung“ hatten die Veranstalter der Podiumsdiskussion vom Freitag allerdings wenig Verständnis. „Wir verurteilen diesen Zwischenfall aufs Schärfste“, sagte Prorektorin Karin Sanders. Niemand im Publikum habe reflektiert, warum es dazu gekommen sei, berichtete eine 29-jährige Aktivistin gegen Rechtsextremismus, die die Veranstaltung am Freitagabend besucht hatte. Nur eine Vertreterin der Amadeu-Antonio-Stiftung habe sich zu Wort gemeldet und gesagt, man müsse sich fragen, wie hilflos sich junge Menschen fühlten, die so reagierten.

Der Tortenwerfer wurde von der Polizei in Gewahrsam genommen, aber bereits am Freitag wieder entlassen. Ob Gall Anzeige erstattet, ist noch unklar. Der 19-jährige ist nicht vorbestraft. Er geht davon aus, dass ein Verfahren eingestellt würde. So war es auch bei einer jungen Frau, die 2007 eine Torte auf den damaligen baden-württembergischen Ministerpräsidenten Günther Oettinger (CDU) geworfen hatte. Sie protestierte damit unter anderem gegen Ein-Euro-Jobs.

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9 Kommentare

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  • A
    ama.dablam

    Da ist sie wieder, die "klammheimliche Freude"

  • 7G
    7964 (Profil gelöscht)

    Nein, es geht natürlich nicht um den Tortenwerfer, sondern um einen Innenminister, also den "obersten Polizisten" im Lande, der vom Volk gewählt wurde, um eben für Sicherheit zu sorgen. Dieser Innenminister gehört einer Regierung an, die eigens angetreten ist, um ein irrwitziges Bahnhofsprojekt zu verhindern. Kaum ist sie an der Macht, fällt den Damen und Herren nichts besseres ein, als sich die Taschen zu füllen und von schwarz-grün zu fabulieren. Wenn es jetzt dieser Innenminister nicht schafft, etwas gegen die wachsende Zahl von Gewaltdelikten zu unternehmen, drückt ein Tortenwurf wirklich gekonnt die Hilflosigkeit der Bevölkerung aus.

  • C
    Chapeau

    Vor dem jungen Mann ziehe ich meinen Hut. Er hat mit der außergewöhnlichen Aktion auf etwas aufmerksam gemacht, das die Bürger eingentlich auf die Straßen bringen sollte.

     

    Nur wird der mutige Jugendliche wohl für den Tortenwurf schwerer bestraft werden, als die Hintermänner und Helfer der NSU-Mörder -die gehen nämlich straffrei aus. Gall sollte sich schämen.

  • DP
    Dr. Peter Müller

    Das Medien-Echo beweist eindrucksvoll, dass die Aktivisten genau das erreicht haben, was sie mit der "Tortung" erzielen wollten: Aufmerksamkeit auf ein Thema lenken, das in den Nachrichten längst verschwunden und von den Bürgern schon wieder vergessen wurde. - Fakt ist nämlich auch: Er hätte lang und breit alle Argumente und Beweggründe auf der Veranstaltung noch so eindrucksvoll und wortgewandt vorbringen können, kein Sender, keine Zeitung, kein einziges Medium hätte über ihn und sein Anliegen berichtet! Niemand hätte davon erfahren! Aber kaum fliegt ein bißchen Himbeersahne, schon wird bundesweit in allen Medien darüber berichtet. Insofern hat die Gruppe auch im Sinne der Sache erfolgreich gehandelt.

    • Z
      Zagreus
      @Dr. Peter Müller:

      Ihren Worten entnehme ich, dass es legitim ist mit Hilfe von Gewalt etwas, was mir wichtig erscheint ein größere mediale Aufmerksamkeit zu bescheren - wenn ich ohne diese Gewalt diese nicht in dem Maße bekäme als ich selbst es für richtig halte, ja?

  • G
    gast

    Wenn man's nicht besser wüsste, man würde schwören, Baden-Württemberg würde noch immer von der CDU regiert…

  • F
    fgjdgj

    Immer diese extremen Tortenwerfer, die unsere demokratische Grundordnung untergraben. Solche gemeingefährlichen Terroristen gehören doch hinter Gitter.

  • "man müsse sich fragen, wie hilflos sich junge Menschen fühlten, die so reagierten"

     

    vielleicht hatte der Tortenwerfer eine schlimme Kindheit und musste Sonntag Nachmittag immer ganz spießig im Kreise der Familie Sahnetorte essen ...