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Kommentar SterbehilfeEntmündigung per Gesetz

Christian Rath
Kommentar von Christian Rath

Strafregelungen zur Sterbehilfe sind ein konservatives ideologisches Projekt. Der Gesundheitsminister hätte wichtigere Aufgaben zu erledigen.

Hermann Gröhe legt den traditionellen Eid „Morituri te salutant“ ab Bild: dpa

G ibt es denn nichts wichtigeres? Kaum ist die neue Regierung im Amt, prescht Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) mit dem Vorschlag vor, die geschäftsmäßige Hilfe zur Selbsttötung zu bestrafen. Er greift damit ein Projekt auf, das schon in der letzten Wahlperiode zu Streit in der Regierung führte.

Bisher ist die Hilfe zur Selbsttötung in Deutschland straflos. Das sollte in der letzten Wahlperiode jedoch geändert werden. Die Regierungsparteien CDU/CSU und FDP konnten sich nur nicht einigen, wie weit man mit der Bestrafung gehen wollte – ob nur die gewerbsmäßige Hilfe (aus Gewinnstreben) oder jede geschäftsmäßige (also regelmäßige) Hilfe zum Suizid strafbar sein soll.

Dass es in der letzten Wahlperiode zu keiner Strafregelung kam, war Folge eines cleveren Manövers von Kanzlerin Merkel. Sie unterstützte die Hardliner der CDU/CSU und konnte so auch mal bei den Fundamentalisten ihrer Partei Punkte sammeln. Weil diese aber über den damaligen Koalitionsvertrag hinaus gehen wollten, konnte die FDP mit gutem Recht mauern, so dass am Ende gar nichts passierte – was Merkel auch recht gewesen sein dürfte.

Genug Zeit also, um zu beobachten, was ohne Strafnorm passiert. Wurde die Suizidhilfe zu einem Massenphänomen? Wurde sie zu einer normalen Dienstleistung? Werden Schwerkranke von ihren Verwandten gedrängt, sich endlich selbst zu töten, weil es jetzt ja praktische Hilfsvereine wie Dignitas und Sterbehilfe Deutschland gibt? Die Antwort lautet nein, nein und nochmal nein. Auch aus der Schweiz, wo organisierte Suizidhilfe gesellschaftlich viel akzeptierter ist als bei uns, ist selbst nach Jahrzehnten keine massenhafte Zunahme der Fälle zu vermelden.

Ideologisches Projekt

Der Kampf gegen gewerbsmäßige oder geschäftsmäßige Suizidhilfe ist vor allem ein ideologisches Projekt der Konservativen. Sie versuchen, den Kirchen ihre Hoheit über das Lebensende zurückzugeben. Der Mensch soll nicht selbstbestimmt sterben, sondern duldsam auf sein Ende warten, egal wie dreckig es ihm geht.

Wenn die Konservativen den Kampf um die Suizidhilfe gewinnen, könnten sie bald weitere Ziele ausgeben. So ist es bisher unbestritten, dass ein Kranker das Ende der ärztlichen Behandlung bestimmen kann – selbst wenn das Abschalten von Apparaten zu seinem Tod führt. Doch auch hier könnte argumentiert werden, dass Kranke vor dem Druck der Angehörigen geschützt werden müssen, indem man ihnen die Entscheidung über das Therapie-Ende aus der Hand nimmt. Schon deshalb darf den falschen Argumenten bei der Suizidhilfe nicht nachgegeben werden. Selbstbestimmung ist unteilbar.

Gesundheitsminister Gröhe sollte sich lieber um seine eigentlichen Aufgaben kümmern: eine Verbesserung der Pflege und eine gute Versorgung der Dementen. Es ist ein Armutszeugnis, dass er auf die weitverbreitete Angst vor der Pflegebedürftigkeit erst einmal mit Strafdrohungen reagieren will.

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Christian Rath
Rechtspolitischer Korrespondent
Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).
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10 Kommentare

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  • R
    resimmbe

    Gröhe=Waffennarr.

    Kath.Kirche=Spirituelle Segnungen von Tötungsprodukten,Waffen.Panzern,

    und den Benutzern!

    Paranoider gehts nicht mehr!!!!!

  • KG
    Kasper, Grossmutter und Krokodil

    "Ich finde es gut, dass die taz zeigt, dass sie staatsskeptisch sein kann"

     

    Erstaunlich, wie leicht das manchmal geht. Oder ist es nur ein Theater, das uns hier vorgespielt werden soll?

     

    Die Regierung, zum Schein gegen Sterbehilfe, wir von der überragenden Mehrheit zu dem gezwungen, was sie selbst am dringendsten will: Sterbehilfe. Einfach, weil's billiger ist.

  • N
    Nadja

    Die Optimistin in mir sagt, dass es vielleicht etwas damit zu tun hat, dass das Thema zur Zeit in Nachbarländern wieder diskutiert wird, und damit versucht wird, die Diskussion in Deutschland "vorwegzunehmen", bevor die Welle überschwappt (siehe Prostitutionsdebatte).

  • Z
    Zynisch

    "Der Mensch hat das Recht seinem ein Ende zu machen, wenn es für ihn keinen Sinn mehr hat, sei es Krankheit oder äußerst schwierige Lebenslage."

     

    Dafür lässt sich sorgen, ist Ihnen das schon einmal in den Sinn gekommen? Eine schwierige Lebenslage haben z.B. alle Rentner, künftig zunehmend mittellos durch Inflation und verweigerte Anpassung. Sozialhilfe? Nee, nee. Aber eine Spritze könnte ich Ihnen anbieten.

  • K
    Klarsteller

    Gewerbsmässige, d. h. professionelle Hilfe, ist mir allemal lieber, als auf die dilettantische Hilfe von Laien angewiesen zu sein.

  • 7G
    7332 (Profil gelöscht)

    Sterbehilfe ist eine Dienstleistung wie jede andere auch. Dafür fallen Kosten an, die vom Auftraggeber zu bezahlen sind. Ein ganz gewöhnliches Geschäft.

     

    Nachsatz: Kirchen, religiöse Vereine, Berufsbetroffene o.ä. haben hier absolut nichts zu melden, auch die Parteien haben sich gefälligst zurückzuhalten. So etwas ist eine ureigenste private Entscheidung der Betroffenen. Niemand kann einen anderen zwingen, sich sinnlos Qualen auszusetzen, nur damit dieser Jemand dadurch ein gutes Gewissen hat!"

  • KW
    K.H. Welten

    kein schlechter Artikel, aber ein Fehler: CDU-Politiker wollen ja nicht den "Kirchen" die Hoheit über Leben und Leben lassen zusprechen, sondern dem Staat.

     

    Ich finde es gut, dass die taz zeigt, dass sie staatsskeptisch sein kann und manche (und durchaus wichtige) Entscheidungen den Menschen auch selbst überlassen werden soll. Der Staat muss nicht alles für uns regeln.

     

    Sehr süß ist daher auch der Kommentar vor mir, dessen Autor befürchtet, das Sterben würde andernfalls dem "Kapitalismus" überlassen. Selten hat ein ignorater Kommentar so deutlich gemacht, was der Kapitalismus überhaupt ist: nämlich die freie Entscheidung jedes einzelnen.

  • G
    gast

    Wievielen Menschen hat die Kirche schon das Leben gekostet siehe Geschichte.

     

    Da will sich dieser Minister bei Frau Merkel einschleimen mit solchen Aktionen. Der Mensch hat das Recht seinem ein Ende zu machen, wenn es für ihn keinen Sinn mehr hat, sei es Krankheit oder äußerst schwierige Lebenslage.

     

    Suizid Hilfe muss straffrei bleiben, es sollten Medikamente die dabei helfen seinem Leben ein Ende zu machen leichter zu bekommen sein.

  • Argumentiert hier ein Artikel in der taz tatsächlich, dass gewerbsmäßige Sterbehilfe erlaubt sein sollte? Was ist eigentlich aus der Zeit geworden, als die taz eine linke Zeitung war?

     

    Alle Gewinnstrebungen mit dem Tod sollten möglichst verboten werden oder wollen wir den letzten Rest Menschlichkeit an den Kapitalismus ausliefern? Das hat auch nichts mit einer Deutungshoheit der Kirche zu tun - auch wenn das vielleicht das Ziel der CDU sein mag - sondern sollte aus der Ablehnung der Gewinnmaximierung in allen Bereichen der menschlichen Pflege oder des Todes (siehe Privatisierung von Krankenhäusern, schrecklichen Bedingungen in Altenheimen, etc. pp.) selbstverständlich sein.

     

    Ob man jetzt Sterbehilfe generell zulassen will oder nicht, da kann man ja drüber diskutieren, auch im linken politischen Spektrum, da spielt auch die Kirche eine viel größere Rolle. Dass diese aber nicht gewerblich ablaufen sollte, finde ich nicht diskutabel.

  • EI
    Es ist das Beste für dich (uns)

    Mit Sterbehilfe lässt sich Geld verdienen, mit Sterbehilfe lässt sich Geld sparen. Mit verschiedenen Methoden kann man alten Menschen die Lebenslust vermießen. So kommt man leichter zum Erbe oder entledigt sich der unangenehmen und teuren Pflege. Kassen Staat, Industrie und möglicherweise sogar Angehörigen wird eine Last genommen, da ist es leicht, Argumente zu finden. Zum Besten des Kranken oder Alten, versteht sich, in der Allerbesten Scheinheiligkeit. Wie freiwillig ein Sterbewunsch tatsächlich ist, das ist nicht eindeutig zu beantworten. Wenn so etwas erstmal weitverbreitet ist, dann gilt kein "Nein" mehr, dann wird gestorben!

     

    Das alles ist natürlich rechtlich (noch) nicht möglich, deshalb wird aktuell auf breiter Front Stimmung gemacht.