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Geldkritikerin Kennedy über Zinsen„Das ist eine Zerstörungsmaschine“

Zinsen sorgen für einen Geldfluss von den Fleißigen zu den Reichen, sagte die verstorbene Geldkritikerin Margrit Kennedy. Sie forderte eine neue Geldordnung.

Gibt's auch als Kreditkarte: die Regionalwährung Chiemgauer. Bild: Imago / HRSchulz
Ulrike Herrmann
Interview von Ulrike Herrmann und Ute Scheub

taz: Frau Kennedy, wie viel Euro haben Sie gerade in Ihrem Portemonnaie?

Margrit Kennedy: Keine Ahnung. Das muss ich nachsehen. 90 Euro plus Kleingeld.

Und wie viele Regionalwährungen wie der Chiemgauer oder die Kirschblüten sind drin?

Ich habe sogar eine Kreditkarte vom Chiemgauer. Regionalgeld ist also kein Märchen. Es ist auf dem neuesten technischen Niveau.

Sie sind in Deutschland das bekannteste Gesicht einer Bewegung, die eine neue Geldordnung will. Wie viele Vorträge halten Sie pro Jahr?

Seit der Finanzkrise 2008 steigt das Interesse ständig. Jetzt ist es etwa ein Vortrag pro Woche. Dazu kommen noch viele Medieninterviews.

Imago / Horst Galuschka
Im Interview: 

Die Architektin war Deutschlands bekannteste Geldkriterin. Sie ist 74-jährig im Dezember 2013 verstorben. Dieses Interview erschien im September 2012 in der taz.

Wer lädt Sie ein?

Kirchliche Gruppen, Lehrer, Anthroposophen, Regionalgeldinitiativen, die Occupy-Bewegung, Studierende, Nichtregierungsorganisationen und Vollgeld-Initiativen. Auch die Linken und die Piraten interessieren sich für eine neue Geldordnung. Demnächst spreche ich vor einer Gruppe internationaler Managerinnen. Selbst Finanzberater interessieren sich für das Thema und erklären ihren Kunden, dass sie in reale Werte investieren müssen statt in spekulative Bankprodukte.

Sie sind Architektin und waren Professorin für ressourcensparendes Bauen. Warum haben Sie sich im Selbststudium ausgerechnet mit Geld befasst?

Ich war nicht nur Architektin. In den USA habe ich im Fach „öffentliche und internationale Angelegenheiten“ promoviert, dazu gehörten zahlreiche Prüfungen in Soziologie, Ökonomie, Systemanalyse und anderen sozialwissenschaftlichen Fächern.

Trotzdem: Wie sind Sie von der Architektur auf das Thema Geldordnung gekommen?

1982 habe ich bei der Internationalen Bauausstellung in Berlin ökologische Projekte geplant, und immer wurde mir gesagt: „Das rechnet sich nicht.“ Da habe ich den Zins und Zinseszins als eine unsichtbare Zerstörungsmaschine entdeckt, die die Realwirtschaft zu exponentiellem Wachstum zwingt. Denn jedes Projekt muss mindestens die Kreditzinsen erwirtschaften. Das war bei den meisten ökologischen Vorhaben nicht möglich und ist auch heute noch schwierig.

Es liegt doch nicht am Zins, dass viele Ökoprojekte nicht konkurrenzfähig sind. Die Umwelt darf immer noch gratis verschmutzt werden, also sind konventionelle Lösungen meistens billiger. Bei strengeren Umweltgesetzen würden auch Ökoprojekte rentabel. Warum muss man die ganze Geldordnung umstürzen?

Auch ich bin für strengere Umweltauflagen. Aber das reicht nicht. Bei einem Zinssatz von 6 Prozent, zum Beispiel, verdoppelt sich ein Vermögen in zwölf Jahren. Dies führt zu einem Wachstumszwang. Denn das eingesetzte Kapital muss die Kreditzinsen erbringen und darüber hinaus noch eine Rendite.

Die Explosion der Geldvermögen ließe sich sehr einfach verhindern, indem man von den Banken mehr Eigenkapital verlangt. Dann könnten sie nicht so viele Kredite vergeben, was zur letzten Finanzkrise geführt hat. Wieder die Frage: Warum muss man die ganze Geldordnung verändern?

Ich habe nicht gesagt, dass alles am Zins und Zinseszins hängt. Ich bin sehr dafür, den Banken mehr Eigenkapital vorzuschreiben. Aber dies würde den Prozess nur verlangsamen, das exponentielle Wachstum jedoch nicht aufhalten. Wollen Sie wissen, wie ich meine Theorie in einer Minute erkläre? Zum Beispiel einem Taxifahrer?

Ja bitte.

Wir haben ein Geldsystem, das nur ein Ziel hat: aus Geld mehr Geld zu machen. Ökologische, kulturelle oder soziale Ziele haben es daher sehr schwer, an Kredite zu kommen. Wir brauchen also ein Geldsystem ohne Wachstumszwang – und verschiedene ergänzende Währungen für solche Zwecke. Ein Mischwald ist auch stabiler als eine reine Fichtenschonung. Eine regionale Wirtschaft braucht eine regionale Währung.

Beim Regiogeld gibt es keine Zinsen. Aber Gewinne sind erlaubt?

Natürlich. Wenn ein Buchhändler den Chiemgauer akzeptiert, macht er beim Buchverkauf wie alle anderen Ladenbesitzer einen Profit.

Aber auch Gewinne können exponentiell wachsen. Warum konzentrieren Sie sich nur auf den Zins?

Weil der normale Gewinn einer natürlichen Sättigungsgrenze zustrebt. Irgendwann hat jeder einen Kühlschrank oder genügend Möbel.

Und dann wollen die Leute ein Eigenheim, zwei Autos und regelmäßige Fernreisen.

Trotzdem gibt es da eher Grenzen als beim Geld – weil man dafür arbeiten muss. Der Zins hingegen ist ein leistungsloses Einkommen, das beliebig gesteigert werden kann. Der Zins ist in allen Preisen versteckt, sodass es zu einer Umverteilung von unten nach oben kommt. Davon profitiert die Minderheit der Vermögenden, die höchstens 10 Prozent der Bevölkerung umfasst. Unser Geldsystem sorgt also für einen ständigen Geldfluss von den Fleißigen zu den Reichen.

Man könnte das Vermögen der Reichen stärker besteuern. Wäre das nicht viel einfacher?

Ich bin durchaus für höhere Vermögensteuern, aber sie sind kaum durchzusetzen. Die globalisierte Finanzwirtschaft und die internationalen Märkte haben sich als sehr viel mächtiger erwiesen als die nationale Politik. Das Publikum in meinen Vorträgen ist entsetzt, weil Banken Regierungen erpressen und die Märkte die Politik vor sich hertreiben. Mein Traum ist eine Ordnung ohne Verordnung. Eine Welt, in der man nicht ständig umverteilen muss, weil die Rahmenbedingungen ein Leben in Freiheit und Selbstbestimmung ermöglichen.

Haben Sie nicht Angst, dass Ihre Bewegung ohne Einfluss bleibt, weil sie sich auf das Maximalziel einer neuen Geldordnung versteift?

Die meisten Menschen glauben, dass sich Veränderungen nur herbeiführen lassen, wenn sich eine Mehrheit dafür einsetzt. Doch Studien zeigen: Wenn nur 10 Prozent der Bevölkerung etwas versteht und sich deshalb anders verhält, folgen die anderen nach.

Was aber auffällt: Der Zinseszins bewegt vor allem Leute, die nicht Volkswirtschaft studiert haben. Die meisten Ökonomen halten das Thema für uninteressant. Wie kommt das?

Wer das Fach Wirtschaft studieren will, muss den Zins und Zinseszins als Eingangsparadigma akzeptieren. In dieser Geldwelt sind ja vorwiegend Experten damit beschäftigt, den Gewinn von Investitionen zu berechnen. Wenn sie auf einmal den Zinseszins infrage stellen würden, könnten sie in dieser lukrativen Branche nicht mehr arbeiten. Fachleute profitieren am meisten von dem Chaos, das sie anrichten.

Also sind Sie eine Bewegung von Laien?

Nein. Im deutschsprachigen Raum gibt es etwa 50 Hochschullehrer, die sich offen für dieses Thema engagieren. Doch für Beschäftigte in der Finanzwirtschaft ist dies gefährlich. So hat ein Bankdirektor mein Buch gelesen, aber er stieß in seiner Bank auf erheblichen Widerstand und musste sie letztlich verlassen. Jetzt ist er unabhängiger Schuldnerberater und übernimmt Vorträge für mich.

Wird Ihnen das Thema manchmal zu viel?

Mir wäre viele Jahre lang nichts lieber gewesen, als dass mir jemand hätte nachweisen können, dass ich einen wirklichen Denkfehler begangen habe. Dann wäre ich zum ökologischen Bauen zurückgekehrt. Aber heute treiben so viele Laien und Experten dieses Thema voran, dass ich es viel spannender finde, neue Währungen zu entwerfen als neue Häuser.

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6 Kommentare

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  • Margrit Kennedy war eine der wichtigsten DenkerInnen des 20. und 21. Jahrhundert, neben Silvio Gesell, BERNARD LIETAER, Helmut Creutz, Alexander Lenard - und Michael Unterguggenberger.

  • HS
    Hermann Schmauder

    Eines hatte der Karle Marx "vergessen" - dass der Unternehmer und der Proletarier vom GELDKapitalisten zum Zinsknecht degradiert wird!

     

    Zu hinterfragen ist, warum der Zinsmechanismus von der herrschenden Ökonomielehre nach allen Regeln der Kunst wie "die Erde ist eine Scheibe und die Sonne dreht sich um die Erde" verteidigt wird!

     

    Volkswirtschaft ist tatsächlich eine "Interessen"-Wirtschaft! Wer vom Zins und von der Spekulation lebt, lebt gewiss auf höherem Niveau aber letzendlich und im Prinzip genau so wie der Hartz IV Empfänger! Beide "plündern" das System aus - die einen "gestaltend aktiv", die anderen "werden gestaltet".

    Keiner beschreibt in der Geldtheorie den Sinn des "Jubeljahres", niemand kommentiert das islamische Geldsystem. Ja - es gibt viele andere Geldsysteme! Margrit Kennedy sei Dank! Sie war die "Mandela" im herrschenden Zinskapitalismus!

    Hermann Schmauder

  • G
    guntherkummerlande

    Bitcoins sind keine echten Parallelwährungen, weil sie eben auch wieder umtauschbar sind!!! Und weil sie hochvolumige Finanzinvestitionen bar

    jeglicher Geldflussregistrierungen zu erlauben trachten.

    Ideal für den Kauf von Waffen, inklusive Massenvernichtungswaffen,

    Landgrabbing usw. . Natürlich gehören Bitcoins zwingend verboten

    und es ist eine große Dummheit diese nicht mit militärischer Gewalt zu vernichten!! Zumal auch die Replizierbarkeit der digitalen Informationssignale (auch durch Abhören von Datenleitungen) nicht

    ausgeschlossen werden kann und damit Abhöreinrichtungen der Geheimdienste zu Gelddruckern mißbrauchbar wären. Niemand kann die Sicherheit dieser Algorithmen und Hardware verifzizeren. Die ungeregelten Transaktionsvolumina, die eben wieder in Weltwährungen zurückgetauscht werden, können zum Landgrabbing, Immobilienspekulationen und Umweltvernichtung mißbraucht werden -und das wird auch passieren!!!

    Deshalb verhält sich hier die Weltfinanzaufsicht, die vorgab den Terror zu bekämpfen sträflich unfähig!!!

    • S
      sofias
      @guntherkummerlande:

      die wahl besteht also einer währung die den kauf von waffen ermöglicht (solange es daran gesellschaftlich hinreichend geduldete angebot und nachfrage gibt) und eine währung die das militärische gewaltexzesse braucht um sich am laufen zu halten und vor konkurrenz zu schützen.

       

      du scheinst deine wahl ja getroffen zu haben.

  • G
    guntherkummerlande

    Nur, der Chiemgauer wird höchst wahrscheinlich auch in Euro umtauschbar sein und ist damit eigentlich auch Teil eines seriellen Geldwechselsystems im Zinseszinszwang, aber wenigstens etwas stabilisierend für Kleinunternehmehmen, ähnlich wie die Mikrokredite.

     

    Ist die Frau mit den Kennedy-Clan aus den USA (J.F. Kennedy) verwandt?

     

    Ein Parallelwährungssystem heißt, dass Werte bezahlt und geschaffen aus

    einen Parallelwährungssystem zum heutigen YEN-DOLLAR-EURO-usw. seriellen Währungssystem NICHT gepfändet werden können von Banken und Gläubigern des seriellen Währungssystems.

    Sachwerte oder Dienstleistungen die vergleichbaren Qualitätsnormen unterliegen, würden dennoch der Konfiszierbarkeit durch Verschuldungszwang entzogen werden, solange bis auch im Parallelsystem

    eine Büße-Kultur Einzug hält und Güter-und Dienstleistungsentzug oder Ausschluss droht.

    Auf Banken wäre zwingend

    zu verzichten! Denn wenn diese das Parallelwährungssystem umtauschbar machen zum Seriellen Währungstauschsystem, ist es nicht mehr parallel!

    Das traurige an der sehr sympathischen Frau ist, dass sie sich sehr engagiert hat, aber eigentlich nur eine Lokalwährung eines seriellen Geldwechselsystems mit aufbaute, aber keine Parallelität erzeugte.

    Ihr Einsatz im ökologischen Bauen wäre heute sehr wichtig gewesen,

    weil Sie den Unsinn der Dämmstoffproduktion auf Erdölbasis hätte

    medial wirksamer bekämpfen können, der nach 30 Jahren, wieder zu Sondermüll wird. Vernünftige Rohstoffbilanzen über den Dämmstoffboom,

    Mietsteigerungen, Sondermüll in 20-30 Jahren, Stadtverödung durch Verschandelung, Schimmelpilze, schlechtes Mikroklima wären sinnvoll gewesen, bevor die Politkeule geschwungen wurde.

  • G
    guntherkummerlande

    Interessant wäre auch die Frage, inwiefern der Monotheimus

    und der globale Währungs-und Zinskreislauf sich gegenseitig bedingt

    haben in den verschiedenen Kulturepochen.

     

    Auch wäre die Frage interessant, inwiefern echte Entscheidungsautonomie

    in Investitionsfragen subjektiv bzw. objektiv durch den kalkulatorischen Zinssatz des seriellen Geldwechselsystems mittel-und langfristig verunmöglicht oder behindert wird.

     

    Und natürlich bliebe auch die Frage der Auswirkung des seriellen

    Geldwechsel-und Zinssystems auf die Organisationsstrukturentwicklung

    und Entscheidungsbeeinflussung und das Risikoverhalten in wechselnden

    ökologisch-ökonomisch-sozialen Szenarien, die immer wieder in feste Klassen dysfunktionaler Gesellschaftssysteme zerfallen.