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Kommentar Homo-GleichstellungDie Unsicherheit der Kanzlerin

Paul Wrusch
Kommentar von Paul Wrusch

Weil Angela Merkel „unsicher“ ist, werden Homosexuelle diskriminiert. Gut, dass sie das endlich vor einem Millionenpublikum kund tut.

Tut sich schwer mit den Homos: Kanzlerin Merkel in der ARD-Wahlarena Bild: dpa

E s kommt nicht oft vor, dass Angela Merkel ins Schwimmen gerät, dass sie stottert. Die sonst so beherrschte Politikerin gerät selten in die Defensive.

Am Montagabend ist das anders. In der ARD-Wahlkampfarena konfrontieren 150 Bürger die Kanzlerin mit ihren Fragen. Dabei sticht besonders ein Mann hervor. Ob sie für das Adoptionsrecht für homosexuelle Paare sei, will er wissen.

Merkel windet sich. „Ich tue mich schwer damit“, sagt sie und stammelt vor sich hin. „Ich bin ja nicht die einzige, die sich damit schwer tut.“ Sie schaut den Mann nicht direkt an.

„Aber aus welchen Gründen?“, hakt der Zuschauer nach.

„Ich bin... ich denke... das ist ja eine kontroverse Diskussion. Es geht um die Frage des Kindeswohls“, sagt Merkel. Sie möge da veraltet daherkommen, aber „das muss ich jetzt aushalten.“

„Sie stellen damit ihr Familienbild über den Gleichheitsgrundsatz“, wirft der Zuschauer ihr vor.

„Ja ich..., schauen sie... Ich denke einfach, ich bin unsicher, was das Kindeswohl anbelangt.“

Dass sie derart unsouverän antwortet ist nicht verwunderlich. Denn sachliche, nachvollziehbare Argumente, die gegen eine vollständige Gleichstellung – auch im Adoptionsrecht – sprechen, gibt es schlicht nicht. Deshalb muss sie ihre ablehnende Haltung mit Gefühlen, mit eigener Unsicherheit und Vorurteilen erklären. Es wirkt, als fühle sie sich selbst nicht wohl dabei.

Es gibt relevante Unterschiede

Aber diese letzte Bastion kann sie nicht opfern, da muss sie standhaft bleiben, auch wenn ihre Argumentation peinlich wirkt. Zu viel hat sie ihrer Partei in den vergangenen Jahren abgerungen. Wehrpflicht weg, Atomausstieg beschlossen, Hauptschule faktisch abgeschafft, für Mindestlöhne offen. Sie hat die CDU entkernt. Vom Konservatismus ist nicht viel übrig geblieben. Dass der Wahlkampf auch deshalb viele langweilt, weil sie kaum mehr Unterschiede zwischen den Volksparteien Union und SPD erkennen, ist verständlich.

Deshalb sind Merkels verschwurbelte Einlassungen zur Homogleichstellung so wichtig, zeigen sie doch, dass es sehr wohl relevante Unterschiede gibt.

Wegen der Unsicherheit der Kanzlerin werden in Deutschland homosexuelle Menschen diskriminiert. Gut, dass Merkel das am Montagabend vor einem Millionenpublikum noch einmal deutlich gemacht hat.

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Paul Wrusch
Redakteur wochentaz
Jahrgang 1984, hat Journalistik und Soziologie in Leipzig studiert. Seit 2009 ist er bei der taz. Nach seinem Volontariat war er Redakteur in der sonntaz, bei taz.de, bei taz2/Medien und im Inlandsressort. Bis 2024 Ressortleiter wochentaz, jetzt Politikredakteur.
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13 Kommentare

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  • S
    Stefan

    Ich werde Frau Merkel von mir aus nicht wählen. Ich bin ja nicht der einzige, der sich damit schwer tut. Ich bin... ich denke... das ist ja eine kontroverse Diskussion. Es geht um die Frage des Landeswohls. Ja ich..., schauen sie... Ich denke einfach, ich bin unsicher, was das Landeswohl anbelangt. Reines Bauchgefühl.....

  • FS
    Friederike Sobiech

    Die Argumentation ist spannend, die Kritik am subjektiven Kommentieren in einem nicht als Kommentar gekennzeichneten Artikel scheint berechtigt.

     

    Alles weitere Argumentieren liest sich für mich nach dem Dilemma, in dem sich auch Frau Dr. Merkel zu befinden schien: "die Moral" gebot es ihr, sich um das Kindeswohl Sorgen zu machen. Gleichzeitig sagte sie in einem Satz, dass es ja durchaus ganz viele gute Eltern in den Regenbogenfamilien gebe. Worüber nie gesprochen wird ist die Tatsache, dass es in allen Bevölkerungsgruppen, -schichten, -kreisen (mensch wähle nach eigenem Weltbild) "gute" und "schlechte" Eltern gibt.

     

    Es geht aber gar nicht um Misshandlung, Missachtung, Traumatisierung. Es geht um Themen der Tragweite und Stufe "Englisch als erste Fremdsprache oder Chinesisch, Teamsport oder Soloinstrument, 'darf' mein Kind was Handwerkliches machen, obwohl wir alle Akademiker.innen sind?" oder auch Medienkompetenzen, Sozialintelligenz oder den Umgang mit Geld zu vermitteln. Dürfen gehörlose Eltern ein Kind bekommen war vor 20 Jahren noch ein echtes Thema, eine Liaison mit Familienwunsch zwischen einem schwarzen US-Soldaten und einer Fränkin aus Nürnberg vor 40.

     

    Solche morlaischen Bedenken würden bei Ihnen unter "hinzunehmen" fallen, vermute ich?

     

    Es geht nicht darum, dass niemand mehr etwas _für sich selbst_ negativ bewerten soll. Es geht nur darum, ob es _per Gesetz_ verboten sein soll, als weiße Frau mit einem schwarzen Mann ein vietnamesisches Kind (Grüße an Herrn Rösler) zu adoptieren, als Katholik mit einer Protestantin in einem muslimisch geprägten Kiez oder eben als 2 Frauen oder 2 Männer.

     

    Eien schönen Abend noch!

    • Paul Wrusch , Autor des Artikels, Redakteur wochentaz
      @Friederike Sobiech:

      Das ist ein Kommentar, und auch als solcher gekennzeichnet.

       

      Beste Grüße

      Paul Wrusch

  • "Sie hat die CDU entkernt. Vom Konservatismus ist nicht viel übrig geblieben."

    Taz, wie hätten Sie es denn gern? Da offenbart die BK noch einige konservative Zuckungen, und es passt Ihnen auch nicht (wenn auch mit Häme). Ist schon klar: was Konservatismus bedeutet, hat einzig und allein der Marxist zu beurteilen. Und dessen Urteil steht seit Lenin fest: wer konservativ ist, ist reaktionär, wer reaktionär ist, ist - na Sie wissen schon.

  • Die Kanzlerin ist überhaupt nicht unsicher. Sie steht nur zwischen den beiden Alternativen, kompletten Blödsinn zu reden - also z. B. von zwingenden erziehungswissenschaftlichen Erwägungen gegen die Adoption durch gleichgeschlechtliche Paare zu schwadronieren - oder die Wahrheit - nämlich das sie die Diskriminierung für Quatsch hält, wichtige Teile ihrer Wählerklientel aber nicht - zu sagen, auch wenn's Stimmen kostet. Dass man letzteres im Wahlkampf nicht tun sollte, hat sie 2005 schmerzhaft erfahren müssen. Blödsinn zu erzählen ist ihr offenkundig zuwider.

     

    Letztlich geht es bei der Diskussion um gefühlte Werte - also nichts, was man rational-ethisch herleiten kann. Das hergebrachte Bild von dem, was Familie ist und was nicht, gehört zu jenen traditionellen Normen, denen sich Viele immer noch mit einer für Andere unverständlichen Selbstverständlichkeit unterwerfen.

     

    Man mag diese Haltung für dezidiert konservativ halten, es wäre aber ein Fehler, derlei kategorische Imperative nur im schwarzen Lager zu suchen. Das politische Spektrum ist voll davon. Nur hat eben jede politische Richtung immer nur Verständnis für die Fixsterne am EIGENEN ideologischen Firmament, die für sie keiner Erklärung bedürfen - und für jeden Anderen genau deshalb im Zweifel nicht zu rechtfertigen sind.

  • M
    Marcus

    "Denn sachliche, nachvollziehbare Argumente, die gegen eine vollständige Gleichstellung – auch im Adoptionsrecht – sprechen, gibt es schlicht nicht." Meiner Meinung nach steht es einer Zeitung nicht gut an ausßerhalb von Komentaren so direkt zu Kommentieren. Und auch wenn es der taz bzw. der Linken im allgemeinen nicht passt gibt es durchaus Argumente dafür. Das Argument an sich ist das es Kulturell und Geselschaftlich alt her gebracht ist. Dies mag kein wissenschaftliches Argument sein aber es wird als konsens in weiten Teilen des Rechts gebraucht ohne es Auszusprechen. So gibt es keine Argumente dafür das entblösen in der Öffentlichkeit verboten ist. Jeder, auch Kinder, haben schon nakte Menschen gesehen und werden davon keinen Schaden davon tragen, es ist eine rein moralische Norm. Auch die Begrenzung von Partnerschaften(Ehen) auf 2 beteiligte folgt den selben Schema. Das sich Moral ändern kann und entsprechende Regeln obsolet werden ist nicht zu bestreiten. Aber deswegen sollte ein Moralbild welches sich von dem Anderer unterscheidet nicht als Gegenstanzlos abgelehnt werden. Mann kann dagen Argumentieren und vorbringen das es sich mitlerweile um eine minderheiten Meinung handelt bzw. vor dem neueren Grundsatz der Gleichbehandlung zurückzutreten habe. Da Gesetze aber das Zusammenleben der Menschen regeln dürfen sie auch deren Moral nicht ignurieren, dies gilt auch für die Diskussion über Gesetze.

    • G
      Gast
      @Marcus:

      Man würde niemals zu einem Schluß kommen, wenn man bestimmte Beobachtungen nicht ignorieren würde.

       

      Sie werden kaum abstreiten können, daß alt hergebrachtes unmoralisch sein kann.

       

      Was ist Ihrer Ansicht nach denn Moral? Die Auffassung der Mehrheit?

       

      Die Moral ändert sich über die Zeit hinweg nicht, sie wird niemals gegenstandslos, da sie sich aus anderen, grundlegenderen Prinzipien auf logischem Weg ergibt.

       

      In diesem Falle ist es die Gleichheitsprinzip.

       

      Und wenn das Gesetz dann endlich die Gleichheit auch garantiert, die sich rein logisch ergibt, dann wird sich natürlich eine gewisse Ungleichheit zeigen dürfen und auch weiterhin da sein dürfen.

       

      Darum geht es doch gerade!

    • @Marcus:

      eben - es gibt kein sachlichen Argumente - genausowenig wie es sachliche Argumente gegen FKK Strände gibt. Dass sich viele mit FKK Stränden schwer tun ist kein Grund die zu verbieten ...

      • G
        Gast
        @Christophe THOMAS:

        Ist das nicht ein bisschen zu einfach?

         

        Es gibt genausowenig sachliche Argumente gegen FKK Strände wie dagegen, dass Erwachsene Hanf rauchen. Dass sich viele mit Hanf schwer tun ist offensichtlich Grund genug es nach wie vor zu verbieten, Konsumenten mit einer Kombination aus strafrechtlichen und verwaltungsrechtlichen Maßnahmen fertigzumachen - egal was man sonst so treibt in seinem Leben.

         

        Und es reicht offenbar auch nicht, das zu nur zu verbieten und so.. man wird, gerade auch in der taz dafür gerne zusätzlich an den Pranger gestellt. Und damit meine ich nicht die Kommentare der Leser.

         

        Wenn man sich als Intellektueller mit der Linken einlässt, dann endet das immer in Ehebruch.

  • TV
    Thomas von Aquin

    Wenn die Kanzlerin nun auch noch für die Homo-Ehe, den Mindestlohn, eine Vermögenssteuer, Korrektur der Erbschaftssteuer wäre, würde sogar ich noch zum CDU-Wähler werden. Allerdings wären dann die anderen Parteien auch alle überflüssig.

    Wenn Frau Merkel wieder Kanzlerin wird, kommt die Gleichstellung trotzdem, denn der Gleichbehandlungsgrundsatz ist nicht mehr rückgängig zu machen.

    So ist das halt mit den Menschenrechten, da muss die CDU halt durch. BASTA!

  • R
    Ralph

    Auch die CDU muss einsehen, dass sie sich in der Gleichstellungspolitik verrannt hat. Alle Untersuchungen zeigen, dass Kinder bei homosexuellen Paaren genauso so gut aufwachsen wie bei heterosexuellen. Wir wollen doch alle die Vielfalt , warum nicht hier? Und das dürfte auch für adoptierte Kinder gelten. Familie ist da, wo Liebe ist, und das ist gut so.

  • K
    Kimme

    Frau Merkel ist eigentlich für die Homoehe und die Gleichstellung homsexueller Lebenspartnerschaften mit heterosexuellen. Nur leider muss sie auch auf den konservativen Flügel in der CDU und auf die CSU Rücksicht nehmen.

    Ähnlich verhält es sich übrigens mit Jürgen Trittin in Bezug auf die Schlägerbanden und Brandsetzer der Göttinger Grünen Jugend.

    • V
      Voerden
      @Kimme:

      Merkel sollte besser für die vollständige Gleichstellung sein sollte. Den typischen CDU Wähler ist diese Reglung egal, da spielen die eigende Wirtschaftliche

      Situation und Aspekte wie Sicherheit klar die Hauptrolle.

       

      Vom CDU Wähler bekommt sie, egal wie sich in dieser Frage entscheidet so oder so die Stimme.

      Wichtig sind die Wechselwähler, also Wähler die die Partei wählt mit den besten Marketing. Und da ist Gleichberechtigung einfach Mainstream. Sie kann der Opposition so auch wie bei den Atomausstieg die Argumente aushöhlen.

       

      Als CDU Stamm Wähler sehe ich es so:

      Das "C" in CDU ist Überbleibsel der Vergangenheit wie das "Z" von ZF Friedrichshafen. Sie ist die Mutter dieser Bundesrepublik und steht in der Mitte dieses Landes.

      Der Wohlstand der Republik kommt aus der Mitte.