still: Vom Tore hüten und Bälle dichten
Diesen Sommer stellen taz-Auslandskorrespondenten in loser Folge ihre berückendsten Fernseherfahrungen und TV-Highlights aus aller Welt vor. Zur EM gehört der Auftakt natürlich den Niederlanden.
Es war einer jener Sternstunden des holländischen Fernsehens, als der Fußballer sich plötzlich als Poet entpuppte. „... da kam ich zu Fall und hatte den Ball“, dichtete der einstige Nationaltorhüter der Niederlande Hans van Breukelen. Und das ausgerechnet beim privaten RTL 4.
Sein Achtzeiler zu mitternächtlicher Stunde über wundersame Rettungen und tragische Torwartfehler rührte die Gäste der Talkshow „Villa BvD“ zutiefst.
Doch das Glück währte nur kurz: „Jetzt stellst du dich hier als Dichter dar“, fuhr Jan Mulder, ebenfalls Altnationalspieler dazwischen: „Dabei warst du früher im Tor einfach ein Scheißkerl.“ Das saß. Mulder hatte Recht. Das gab selbst der dichtende Extorwart zu, der mit irritanten Störmanöver jeden Elfmeterschützen zur Weißglut brachte. Mulder, heute erfolgreicher Fußball-Autor, ist der „Villa BvD“-Experte und Wadenbeißer in einer Person. Zusammen mit den Moderatoren Frits Barend und Henk van Dorp hat er auch zu normalen Zeiten eine Sportshow bei dem Privatsender. Mit der täglich-nächtlichen „Villa“ aber fingen sie vor zwei Jahren bei der Fußball-WM an. Mit Riesenerfolg. Die Mischung aus Unterhaltung, Gefachsimpel und Interviews mit den Helden von Oranje kam gut an.
So gut, dass auch die öffentlich-rechtliche NOS nachzog. Sie zeigt jede Nacht „Het Huis van Oranje“ mit der nationalen Blödelgröße, Paul de Leeuw, der sich vor allem dadurch auszeichnet, dass er überhaupt keine Ahnung von Fußball hat.
Bei „Villa BvD“ sitzen jede Nacht Hunderte von Oranje-Fans mit im Garten eines Restaurants nahe dem Mannschaftsquartier in Hoenderloo und mischen sich lautstark in die Sendung ein. Feste Größen im Programm sind auch Ruud, einer der Helden aus der holländischen „Big Brother“-Originalausgabe – und ein surinamischer Pommesbrater. Volkes Stimme eben.
ANNETTE BIRSCHEL
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