Umsiedlungen in Uganda: Niebel verärgert Hilfsorganisation
Der Entwicklungsminister nennt eine ugandische Kampagne der Hilfsorganisation Fian „unberechtigt“. Die Interessen der deutschen Wirtschaft gehen vor.
HAMBURG taz | Ute Hausmann ist überrascht und verärgert: „Dass der Entwicklungsminister sich derart für deutsche Unternehmensinteressen einsetzt und die Situation der Opfer mit keinem Wort erwähnt, ist bezeichnend.“ Was die Geschäftsführerin der Entwicklungshilfeorganisation Fian fian-wehrt-sich-gegen-aufforderung-von-entwicklungsminister-niebel-die-menschenrechtsarbeit-zum-kaweri-fall-zu-beenden&catid=56:pressemitteilungen&Itemid=59:so empört, ist ein Brief, den Dirk Niebel (FDP) ihr geschrieben hat.
Dieser liegt der taz vor. Der Entwicklungsminister kritisiert darin eine Kampagne der Organisation als „unangemessen und unberechtigt“ – und bittet sie darum, die „Darstellung des Falles zu überdenken“.
Dieser „Fall“ liegt einige Jahre zurück. Im August 2001 vertrieb die Armee rund 400 Kleinbauernfamilien von einem 2.512 Hektar großen Areal im ugandischen Distrikt Mubende. Wenige Tage später weihten Präsident Yoweri Museveni und Michael R. Neumann, der Geschäftsführer der Hamburger Neumann Kaffee Gruppe, dort feierlich die Kaweri-Kaffeeplantage ein.
Diese ist die größte deutsche Investition in Uganda, und bis heute streiten die Gerichte, wer für die Gewalt gegen die Kleinbauern und somit auch für Entschädigungen verantwortlich ist.
Fian dokumentierte die Ereignisse und unterstützte die Familien bei ihren Klagen. Im März nun gab es einen Durchbruch, als ein Gericht in Kampala den Vertriebenen Schadenersatz in Höhe von rund 11 Millionen Euro zusprach. Die deutschen Investoren der Kaweri-Plantage, einer hundertprozentigen Tochter der Neumann Kaffee Gruppe, hätten ihre menschenrechtlichen Pflichten verletzt, so die Begründung. Doch auch mit diesem Urteil ist der Fall noch nicht vom Tisch, denn die Anwälte der Kaweri-Plantage haben Berufung angekündigt.
„Vertiefte Prüfung des Sachverhalts“
Der Hamburger Kaffeekonzern argumentiert, dass die ugandischen Behörden für die Entschädigung aufkommen müssten. Diese Position hat sich auch der FDP-Minister zu eigen gemacht: In einem Interview mit dem Deutschlandfunk betonte Niebel: „Wenn Neumann nicht für die Vertreibung verantwortlich ist, ist Neumann auch nicht zuständig für Entschädigungen.“ In seinem Brief wirft er Fian vor, deren „Darstellung der örtlichen Verhältnisse“ bringe den „ugandischen Kaffee insgesamt in dauernden Verruf“.
Der Minister spreche zwar von einer „vertieften Prüfung des Sachverhalts“, sagt Fian-Geschäftsführerin Hausmann. Bis heute habe Niebel aber weder mit den Vertriebenen in Uganda das Gespräch gesucht noch mit Fian. Zwar sei bekannt, dass Niebel sich für die Interessen der deutschen Wirtschaft einsetze, aber bislang habe er sich mehrfach dagegen verwahrt, Wirtschaftsinteressen über Menschenrechte zu stellen.
Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit erklärte, Niebel habe Fian nicht aufgefordert, die Kampagne einzustellen; die „wirtschaftliche Entwicklung in unseren Kooperationsländern“ sei aber „wichtiges Ziel der deutschen Entwicklungspolitik, auch in Zusammenarbeit mit deutschen Unternehmen“. Bei der Neumann Kaffee Gruppe wollte sich auf Anfrage niemand äußern.
Fian-Geschäftsführerin Hausmann hat dem Minister ein klärendes Gespräch angeboten und ihn gebeten, auf die Sicherheitslage der Vertriebenen in Uganda zu achten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“