Nahost-Gespräche in Washington: Neuer Anlauf ohne Euphorie
Hinter verschlossenen Türen wird nach einer Lösung des Konflikts gesucht. Größter Streitpunkt bleibt: Welche Gebiete muss Israel zurückgeben?
JERUSALEM taz | Mit der Entscheidung des israelischen Kabinetts, gut einhundert palästinensische Häftlinge zu entlassen, ist das letzte Hindernis für neue Friedensgespräche aus dem Weg geräumt. Am Montagabend wollten Israel und die Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO) die Verhandlungen wieder aufnehmen.
Möglich gemacht hatte das US-Außenminister John Kerry mit seiner mühsamen Pendeldiplomatie. Noch am Sonntag telefonierte er mit Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und dem palästinensischen Präsidenten Mahmud Abbas, lobte ihre Courage und lud sie ein, die Verhandlungsdelegationen nach Washington zu schicken.
Kerry will die Gespräche fern ab vom Ort des Konflikts und unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden lassen – ähnlich wie vor zwanzig Jahren in Oslo, wo Vertreter Israels und der Palästinenser über einen Friedensprozess verhandelten. Von Euphorie über den Neustart ist nichts zu spüren. Aber Israel und den Palästinensern ist klar, dass sie jetzt eine letzte Gelegenheit haben, wenn sie die Zweistaatenlösung noch wollen.
Vor dem offiziellen Beginn am Dienstag waren die Delegationen am Montagabend zum „Iftar“ verabredet, dem Fastenbrechen der Muslime während des Ramadan. Zunächst geht es darum, sich auf den formalen Ablauf und die Dauer der Gespräche zu verständigen. Anschließend will Kerry die Verhandlungen offiziell einläuten.
Konflikt um die Siedlungen
Noch am Sonntag hatte das Kabinett in Jerusalem eine Gesetzvorlage verabschiedet, die einen Volksentscheid nötig macht, bevor sich Israel aus den besetzten Gebieten zurückzieht. Wichtigster – und zugleich schwierigster – Verhandlungspunkt wird es sein, die Grenzen festzulegen. Dabei geht es auch um die Gebiete, die zwischen Israel und Palästina getauscht werden müssen, um die sogenannten Siedlungsblöcke Israels dort zu belassen, wo sie sind.
Sobald feststeht, welche Siedlungen am Ende unter israelischer Souveränität bleiben, wäre das leidige Thema des Siedlungsbaus vom Tisch. Ein Baustopp wäre dann nur noch in den Siedlungen nötig, die nach einer Einigung geräumt werden. Neben dem Grenzverlauf und der Zukunft der Siedlungen gehört der Status von Jerusalem sowie das Rückkehrrecht für die palästinensischen Flüchtlinge zu den Kernfragen des Konflikts.
Die Palästinenser konnten sich vor Verhandlungsbeginn im Streit über einen Baustopp nicht durchsetzen, die Israelis erklärten sich mit der Häftlingsamnestie immerhin zu Zugeständnissen bereit. Netanjahu stimmte nur einer stufenweisen Gefangenenentlassung zu, vermutlich um die Palästinenser bei der Stange zu halten. „Die erste Gruppe soll 14 Tage nach Verhandlungsbeginn freikommen“, sagte Kaddoura Fares, Funktionär der palästinensischen Fatah und Beauftragter für die Häftlinge, auf telefonische Anfrage. In vier Stufen sollen dann „innerhalb von acht Monaten“ alle Palästinenser entlassen werden, die vor Beginn des Friedensprozesses im September 1993 verhaftet wurden.
Laut der liberalen Zeitung Ha’aretz gehen insgesamt „16 Soldaten, 55 Zivilisten, eine französische Touristin und Dutzende Palästinenser“ auf das Konto derer, die demnächst wieder auf freiem Fuß sein sollen. Für die Palästinenser problematisch, so berichtet die Journalistin Amira Hass, sei die Amnestie derer, die palästinensische Kollaborateure auf dem Gewissen haben. Ein Gefangener aus Jenin habe allein 15 Palästinenser ermordet, die im Verdacht standen, mit Israel zusammenzuarbeiten. Hass schreibt, die Polizei in Jenin sei „auf eventuelle Racheaktionen“ vonseiten der Familien vorbereitet. Der Gefangenbeauftragte Fares stritt Probleme dieser Art ab.
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