Neue Art der künstlichen Befruchtung: Drei genetische Eltern
Großbritannien will eine neue, höchst umstrittene Methode zur Vermeidung von Erbkrankheiten einführen. Die defekten Gene sollen ausgetauscht werden.
LONDON ap/afp/taz | Großbritannien treibt die Einführung einer Methode zur künstlichen Befruchtung voran, bei der Erbgut von drei verschiedenen Menschen zum Einsatz kommt. Mit dem Verfahren soll die Weitervererbung von Gendefekten von Müttern auf ihre Kinder verhindert werden. Das Verfahren solle nun so schnell wie möglich angewendet werden, erklärte die Oberste Gesundheitsbeamtin des Landes am Freitag. Kritiker warnen dagegen vor den „Drei-Eltern-Babys“.
Konkret geht es um Genfefekte der Mitochondrein. Dabei handelt es sich um winzige Zellorganellen, die für die Versorgung mit Energie in den Zellen notwendig sind. Die Mitochondrien haben eine eigene DNA, die jedoch im Vergleich zum Erbgut im Zellkern relativ winzig ist. Funktionieren diese „Kraftwerke der Zellen" nicht richtig, können vor allem Gehirn, Nervensystem, Herz oder die Skelettmuskulatur geschädigt werden.
Mit dem in Großbritannien jetzt diskutierten Verfahren würden die Ärzte bei einer künstlichen Befruchtung von einer Frau mit geschädigten Mitochondrien nur das gesunde Genmaterial aus ihrer Eizelle entnehmen. Sie würden dieses Material dann in eine gespendete, gesunde Eizelle einfügen, bei dem dieser Teil des Erbguts zuvor entfernt wurde. Schließlich würden sie diese Eizelle befruchten und in die Gebärmutter der Frau einsetzen.
„Wissenschaftler haben dieses bahnbrechende neue Verfahren entwickelt, die eine Vererbung dieser Krankheit stoppen können“, erklärte die Oberste Britische Gesundheitsbeamtin Sally Davies. „Es ist nur richtig, wenn wir uns bemühen, diese lebensrettende Behandlung so schnell wie möglich einzuführen“.
Die Methode ist jedoch ethisch umstritten. In einigen Ländern wäre ihre Anwendung nicht erlaubt. In Deutschland ist sie nach dem Emryonenschutzgesetz verboten, da es sich um einen Eingriff in die Keimbahn handeln würde. Diese Manipulation wird auch an alle nachfolgenden Generationen weitervererbt.
In der britischen Boulevard-Presse wird von dem „Drei-Eltern-Baby" gesprochen. Kinder die mit dieser Methode gezeugt werden, hätten drei genetische Eltern, zwei Mütter und einen Vater. Die Methode wird derzeit noch im Labor erforscht, die so erhaltenen Embryos dürfen aber auch in Großbritannien noch nicht in die Gebärmutter eingepflanzt werden.
Ein ähnliches Verfahren wird seit einigen Jahren schon in den USA durchgeführt. Dort wird jedoch nicht die Kern-DNA der Mutter auf eine Spender-Eizelle übertragen, sondern ein Teil des Inhalts einer Spender-Eizelle in die Eizelle der Mutter. Diese wird dann bei der künstlichen Befruchtung verwendet. Bei dieser Methode können auch Spender-Mitochondrien mitübertragen werden. Dieses Verfahren wird bei einigen Frauen eingesetzt, die unter wiederholten Spontanabbrüchen leiden. WLF
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“