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Kommentar Hartz IV und FacebookBitte nicht das Jobcenter liken!

René Hamann
Kommentar von René Hamann

Der Bundesbeauftragte für Datenschutz warnt: Jobcenter könnten soziale Netzwerke zur Erfassung von Daten ihrer Kunden nutzen

Daumen runter für Jobcenter-Recherche auf Facebook. Bild: dpa

U nser kleines Arbeitsamt, das sich seit der netten Agenda 2010 „Jobcenter“ nennt, möchte also in die sozialen Netzwerke einsteigen. Und nicht unbedingt, um viele, viele Klicks und Likes zu bekommen, sondern – wer hätte es gedacht – um ihre Politik der Spionage und Drangsalierung ihrer sogenannten Kunden auch im Internet weiterzuverfolgen.

Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz, Peter Schaar, hat vorsorglich schon einmal eine Warnung in die Republik gerufen: Vorsicht, die Agentur für Arbeit könnte Informationen jagen gehen. Natürlich hat Schaar den Alarm gleich wieder relativiert: „Facebook-Kontrollen“ sind vom Gesetz nicht gedeckt, sogar die Benutzung von Suchmaschinen seitens der Behörde „sei rechtswidrig“.

Trotzdem, so der Chef der obersten Alarmismusbehörde in Sachen elektronischer Fortschritt, sei es ratsam, als Hartzer vielleicht nicht unbedingt ein Foto vom frisch gekauften Sportwagen zu posten oder als Krankgemeldeter sich auf Fotos markieren zu lassen, die mit Party und Sangria aus Eimern zu tun haben könnten.

timo berger
René Hamann

ist Meinungsredakteur der taz.

Was der ungebetenen Ratschläge halt so sind. Zu kritisieren ist dabei zweierlei: Erstens natürlich die Kontrollsucht der Drangsalierungsämter, die im Netz nach weiterer Entfaltung sucht. Nach dem Motto: Es könnte ja sein, dass die Ärmsten der Armen, die also auf der anderen Seite des Schreibtischs, die also, die nicht den Luxus eines Festgehalts genießen – dass diese sich also irgendwelche staatlichen Mittel erschleichen.

Dahinter steckt, seitens der Behörden wohlgemerkt, eine nicht nur zutiefst menschenverachtende, sondern auch ideologisch fragwürdige Grundeinstellung, die sich in bundesdeutschen Amtsstuben, überhaupt in den bundesdeutschen Verhältnissen seit Jahrzehnten hält und besonders auch mittels Ressentimentsorgane vom Boulevard weiter breit macht.

Um es auf den Punkt zu bringen: Die Verachtung der Armen. Zum anderen ist der Alarmismus, den die Datenschützer so gern pflegen, zu kritisieren: Demnach ist Facebook schlichtweg das Böse, weil es hintergründig und gemein Userdaten sammelt (Stichwort: „Datenkrake“). Stimmt natürlich auch irgendwie, so schlimm ist es andererseits aber auch nicht. Und selbst wenn: Was und wem schadet es? Dem aufgeklärten User normalerweise jedenfalls nicht.

Über diesen Alarmismus hinaus wird nämlich übersehen, dass hier wie nebenbei einer Entmündigung des Ottonormalusers das Wort geredet wird – als ob sich ein vernünftiger Kunde mit seinem Fallmanager (dem sogenannten „Pap“, i.e. „persönlichem Ansprechpartner“) befreundet! Und nach all den Warnungen wirklich völlig unkontrolliert schädigende Sachen postet! Als ob niemand wirklich wüsste, wie man seine Daten pflegt und schützt! Und was man postet und was nicht!

Natürlich ist trotzdem auf gut Neudeutsch anzuraten: Don't add your personal Fallmanager. Besser is.

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René Hamann
Redakteur Die Wahrheit
schreibt für die taz gern über Sport, Theater, Musik, Alltag, manchmal auch Politik, oft auch Literatur, und schreibt letzteres auch gern einmal selbst.
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14 Kommentare

 / 
  • F
    FranKee (Pirat)

    > sei es ratsam, als Hartzer vielleicht nicht

    > unbedingt ein Foto vom frisch gekauften Sportwagen

    > zu posten oder als Krankgemeldeter sich auf Fotos

    > markieren zu lassen

     

    Oh, da gibt es noch etwas vieeeel schlimmeres und weitreichenderes, was ich in diesem guten Kommentar leider noch vermisse:

     

    Vor allem sollte man keinen Beziehungsstatus angeben! Sonst konstruiert einem die Ha®tz-4-Behörde eine "Bedarfsgemeinschaft" (www.google.de/search?q=hartz4+bedarfsgemeinschaft), sprich: Stellt die Zahlungen ganz ein. Der wird dann nämlich als nächstes beschnüffelt...

     

    Viele Normalbürger (mit serienmässiger, latenter Hartz-4 Phobie) wissen das gar nicht:

     

    Wer sich als Arie... pardon edler Normalbürger beziehungstechnisch mit dem SPD-gewollten (ungewaschenen, schlecht rasierten,...) Zwangsproletariat abgibt, lebt finanziell sehr gefährlich.

     

    Das gilt übrigens auch für Beziehungen, die lange nach dem Entstehen des Hartz-4 Bedarfs begonnen wurden. Also weit weg von "klassischer Ehe", wo der eine Partner dem anderen halt aushilft. Eigentlich ist das ganze eine kleines Stückchen Apartheid...

     

    Geile Regelung. Man frage gern mal seinen SPD-Abgeordneten (oder auch "Christdemokraten") auf Abgeordnetenwatch dazu...

  • W
    willibald

    @Sabine Sauer: Absolute Zustimmung!

    Ich möchte fast wetten, dass sich auch nach einem -zwar möglichen aber unwahrscheinlichen- Regierungswechsel Nichts an der beschriebenen Situation ändern wird. Wenn ich hier oder anderswo einige vor unverblümtem Hass auf Arbeitslose nur triefende Kommentare lese, wird mir fast schlecht. Jedes Volk hat scheinbar die Regierung, die es verdient.

  • KG
    Kurt Gurt

    Wer noch nicht von selbst darauf gekommen ist:

     

    Die JobCenter dienen genauso wenig der "Vermittlung in Arbeit", wie V-Leute der Verbrechens-/Terror-Bekämpfung.

     

    Sie sind jeweils nur Werkzeuge zur Aushöhlung der Grundrechte, des Recht- und Sozialstaatsprinzips.

     

    JC-Mitarbeiter, welche mit Notizblock und Kamera "in ihrer Freizeit" ihren "Kunden" nachstellen, Detektive beauftragen oder aufgrund unterstellten "gewerblichen" Betreibens einer Internetseite die Leistungen kürzen/einstellen - alles schon passiert.

     

    Pressemitteilung Bundesministerium für Arbeit und Soziales vom 10.04.2013:

     

    Von der Leyen beruft unabhängige Historikerkommission

     

    Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen hat am heutigen Mittwoch die Mitglieder einer unabhängigen Historikerkommission berufen. Sie sollen die Geschichte der Vorgängerinstitutionen des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales in der Zeit der NS-Diktatur bis in die Nachkriegszeit beider deutscher Staaten erforschen.

     

    ...

     

    Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen:

     

    "Eine kritische Auseinandersetzung mit der Vergangenheit bleibt auch fast 70 Jahre nach Kriegsende unendlich wichtig. Wir wollen wissen, welche Rolle das Vorgängerministerium in Kriegswirtschaft, Besatzung und auch bei Genoziden gespielt hat. Und natürlich interessieren wir uns auch für die Menschen, die das Verhalten der Verwaltung zu ihrer Zeit geprägt haben. Wie haben sich die Angehörigen des Reichsarbeitsministeriums nach der nationalsozialistischen Machtübernahme 1933 tatsächlich verhalten und welche personellen Kontinuitäten oder auch Brüche hat es nach 1945 gegeben. Auf die Ergebnisse bin ich sehr gespannt."

     

    In dieser Legislaturperiode haben bereits das Bundeswirtschafts- und das Bundesjustizministerium entsprechende Historikerkommissionen eingesetzt. Im Bundesfinanzministerium wird bereits seit 2009 die Geschichte während der Nazi-Diktatur aufgearbeitet. Das Auswärtige Amt legte einen abschließenden Bericht im Herbst 2010 vor.

     

    http://www.bmas.de/DE/Service/Presse/Pressemitteilungen/historiker-kommission-2013-04-10.html

  • SS
    Sabine Sauer

    Die staatlichen Behörden sollten ihren Überwachungs- und Drangsalierungseifer endlich mal auf die Reichen in Deutschland konzentrieren.

     

    Wenn erstmals angemessen viele SteuerfahnderInnen eingestellt werden würden und Reiche nicht nur alle 30 Jahre (wenn überhaupt !) mal kontrolliert werden würden, dann könnten wir von dem entdeckten Schwarzgeld locker endlich existenzsichernde Hartz-IV-Sätze und Renten finanzieren und diese demütigenden Armutsküchen ("Tafeln") könnten sofort abgeschafft werden.

     

    Allerdings ist auch so genug dafür Geld da, wenn unsere CDU/CSU/FDP/SPD/B 90 /DIE GRÜNEN-Einheitsregierung nicht dauernd unsere Steuergelder der Bankenlobby u.a. anderen Lobbys in den unersättlichen Rachen werfen würde.

     

    Außerdem muss endlich per Gesetz eingeführt werden (wie in den USA):

    Wer deutscher Bürger ist muss in Deutschland Steuern zahlen, egal wo sein Wohnsitz ist!

     

    Und lasst endlich die Arbeitslosen in Ruhe, die Bundesregierungen machen sie seit langem zu den Sündenböcken ihrer sozial ungerechte Politik. Aber sie sind die Opfer. Die perversen Regierungsmitglieder sind die TäterInnen !

     

    Die diversen Bundesregierungen haben seit langem durch ihre Politik selbst dafür gesorgt, dass es zu wenig Arbeitsstellen gibt.

     

    Die Arbeitslosentatistiken werden gefälscht wie eh und je. Jetzt werden auch noch Süd-EuropäerInnen aus dem durch die EU-Spardiktate kaputt gemachten Südeuropa in Deutschland eingestellt, um die Löhne noch weiter zu drücken.

     

    Rot-Grün hatte auch schon die Löhne gedrückt durch die unsoziale Agenda 2010. Rot-Grün hatte Leiharbeit und Minijobs gefördert und sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze abgeschafft. Auch Hochqualifozierte kriegen oft nur schlecht bezahlte befristete Jobs. Später folgt die Armutsrente.

     

    Danke SPD und Grüne !

     

    Löst euch endlich auf!

     

    Man kann auf Bundesebene sowieso nur noch die Linkspartei wählen, wenn man noch nicht vollkommen verblödet ist.

  • F
    Felix

    "Ich glaube außerdem kaum das die Jobcenter bzw. die Agentur für Arbeit sich die Mühe machen werden zu überprüfen was wer wo wann wie gepostet hat"

     

    Was man glaubt ist völlig egal, denn ist Tatsache, dass sowohl völlig unbelegte anonyme Behauptungen wie auch private Recherche von JobcentermitarbeiterInnen in sozialen Netzwerken schon zum Anlass genommen wurden, Bedürftigen die Leistungen zu streichen. Selbstverständlich wird in so einem Fall praktisch nie der Betroffene selbst befragt, bzw. dessen Bestreiten unbelegter Beschuldigungen wird ignoriert.

    Man wird nie beweisen können, dass ein JC-Mensch nicht im Netz recherchiert hat. Und solange Landesweit unzählige Jobcenter auf dem Standpunkt beharren, dass trotz niedriger einstelliger Missbrauchsquoten die Schuldvermutung und die zu unterstellende Betrugsabsicht Grundlage des Umgangs mit den höhnisch "Kunden" genannten Bedürftigen sein sollte, sind alle Verlautbarungen eines Herrn Alt nur Nebelkerzen. Gleichzeitig gibt es ständig Vorstöße, die Rechtsmittel der Armen, die statistisch die Hälfte ihrer Klagen ganz oder teilweise gewinnen, weiter zu begrenzen. Das sind keine zufälligen Zusammenhänge. Leider weiß die BA ganz genau, dass die meisten Bedürftigen gar nicht mehr die psychische Kraft oder die Kenntnisse ihrer Rechte haben, sich zu verteidigen.

  • S
    Schofel

    Kamingespräch, Friedenseiche, Toast Hawaii - pöses Pöses aus dem Handwörterbuch des Nazis in mir.....

  • L
    less

    Wilkommen im stasiland

  • I
    ilton

    "als Hartzer vielleicht nicht unbedingt ein Foto vom frisch gekauften Sportwagen zu posten"

     

    In dem Fall geschähe es ihm aber zu Recht.

    Oder warum nicht?

  • MS
    M. Saltberg

    Dass das Jobcenter rumschnüffelt, ist das kleinste Problem. Die kann man einfach bei Fb vor der Tür lassen. Die Daten, die bei Fb über den User angelegt werden, die sind ein Problem, denn die gehören denen und da kannst du löschen wie du willst, der Schrott lebt weiter.

    Vll. wird so mancher einmal bemerken, dass der Hase auf der Flucht vorm Adler sich im Fuchsbau verkrochen hat.

  • C
    creezy

    Ich muss jetzt noch mal nachfragen. Was war deren Job eigentlich noch mal? Menschen in Arbeit vermitteln von denen sie ihren Lebensunterhalt verdienen können oder Stasi spielen?

     

    Ich musst irgendwann was verpasst haben …?

  • W
    Wüstenratte

    Erledigt sich von selbst, eine gängige Übersetzung von like ist mögen, und wer mag das Jobcenter mit samt den hirnlosen Gestalten, die dort hausen???

  • P
    paradoxum

    Ein "aufgeklärter User" ? Der gehört definitiv zu einer aussterbenden Art...

  • D
    derSchreiber

    "Unser kleines Arbeitsamt, das sich seit der netten Agenda 2010 „Jobcenter“ nennt,..."

    Schon Fehlinformationen im ersten Satz.

    1. gab es nie ein "Arbeitsamt" die richtige Bezeichnung war "Bundesanstalt für Arbeit" und heißt heute "Bundesagentur für Arbeit".

    Und die Jobcenter wurden erst mit der Agenda 2010 gegründet und sind eher ein Nachfolger des Sozialhilfestellen.

     

    Nun zu dem Artikel an sich. Dann hat das Jobcenter halt eine eigene Facebook-Seite, hat die GEMA auch...

     

    Und ich bin der Meinung, jemand der so Debil ist ein Fote von sich hochzustellen auf dem er er sich rotzbesoffen bekotzt hat, der hat es verdient keinen Job zu finden...

    Ich glaube außerdem kaum das die Jobcenter bzw. die Agentur für Arbeit sich die Mühe machen werden zu überprüfen was wer wo wann wie gepostet hat.

  • NG
    [Name Gelöscht]

    Herr Hamann ist wohl eher als Stimmungsmacher denn als Meinungsredakteur (was auch immer das sein soll) zu bezeichnen. Da wird aus einer grundsätzlich erstmal nichtssagenden Bemerkung des Datenschutzbeauftragten (Jobcenter KÖNNTEN soziale Netzwerke nutzen)kurzerhand eine Tatsache konstruiert (Jobcenter möchten in die sozialen Netzwerke einsteigen). Der Grund dafür ist der TAZ natürlich auch schon bekannt - Spionage und Drangsalierung. Ebenso könnte ich behaupten, die Mitarbeiter der Jobcenter sitzen am Abend im Baum und beobachten ihre Kunden, um sie irgendwelcher imaginärer Vergehen zu überführen.

     

    Aber klar, das Feindbild muss erhalten bleiben, da ist es doch verständlich, dass man es mit neutraler und korrekter Berichterstattung nicht so genau nimmt. Was das allerdings noch mit seriösem Journalismus zu tun hat, erschließt sich mir nicht.