Streit der Woche: Soll man Amazon boykottieren?

Eine fragwürdige Sicherheitsfirma, empörte Kleinverlage, Kartellverdacht: Es gibt viele Gründe, nicht mehr bei Amazon einzukaufen.

Ein Arbeiter zieht einen Hubwagen durch die Lagerhalle des Amazon-Logistikzentrums im bayrischen Graben. Bild: Lukas Barth, dapd

Fast drei Millionen Leute mögen Amazon auf Facebook. Seit dem 13. Februar melden sich dort immer mehr KundInnen zu Wort – und beschweren sich mitunter im Minutentakt.

Der Hessische Rundfunk hatte eine Dokumentation über den Online-Verkäufer ausgestrahlt und dabei einige unappetitliche Details zum Vorschein gebracht: Man sieht, wie LeiharbeiterInnen in einem Logistikzentrum des Konzerns im hessischen Bad Hersfeld wie eine Tierherde vom Schlaf- zum Arbeitsplatz getrieben werden – überwacht von einer recht fragwürdigen Sicherheitsfirma, die angeblich der rechtsradikalen Szene nahe steht.

Der Sicherheitsfirma Hensel European Security Services (H.E.S.S.) hat Amazon nach der lauten Empörung in der Öffentlichkeit gekündigt, aber ein schaler Geschmack bleibt doch zurück. Dies ist schon das zweite Mal innerhalb nicht allzu langer Zeit, dass Amazon in Verbindung mit der rechtsradikalen Szene steht. Bis 2009 konnten Artikel der Marke Thor Steinar, mit denen sich die MitarbeiterInnen der Sicherheitsfirma eingekleidet haben, direkt über Amazon bezogen werden.

Ob die die Darstellungen in der HR-Dokumentation der Wirklichkeit entsprechen, wird nun regen diskutiert. Doch der Bericht war Anlass genug für den kleinen Kunst- und Literaturverlag Ch. Schroer, seinem schon länger gehegten Unmut über den Onlineriesen Luft zu machen – der Verlag kündigte Amazon den Kooperationsvertrag. Kurze Zeit darauf folgte der VAT Verlag. Beide argumentieren ähnlich: Amazon fordere zu viel, biete zu schlechte Konditionen.

Wegen einer „Preisparitätsklausel“ geht das Bundeskartellamt gegen Amazon vor – mit Verdacht auf Verstoß gegen das Kartellverbot. Parallel dazu klagen verschiedene BuchhändlerInnen in den USA gegen Amazon und die sechs großen Verlagskonzerne Random House, Penguin, HarperCollins, Simon & Schuster und Hachette. Die HändlerInnen vermuten Geheimverträge zwischen den Verlagshäusern und dem Online-Händler zur Nutzung des Kindle Lesegeräts.

Mittlerweile gibt es eine Petition gegen Amazon im Netz: „Amazon Deutschland: Verbessern Sie die Arbeitsbedingungen Ihrer Leiharbeiter.“ Prominenter Unterstützer ist Peer Steinbrück, der damit gleich noch ein bisschen Wahlkampf betreibt. Die SPD fordere ja sowieso den Ausbau der Mitbestimmung der Betriebsräte bei Leiharbeit – das fordert mittlerweile aber auch Amazons Deutschland-Chef Ralf Kleber.

Die Wut vieler VerbraucherInnen richtet sich allerdings nicht allein gegen Amazon. Immer mehr Kritik wird an den GesetzgeberInnen formuliert, die überhaupt die Möglichkeiten für dieses System der Leiharbeit geschaffen haben. Auf Facebook wird Amazon von vielen Usern als „Ausbeuter-Club“ bezeichnet, der aber vermutlich legal handle. Um das nicht auf sich sitzen zu lassen, überprüfte die Bundesagentur für Arbeit nun die Leiharbeiterfirma Trenkwalder, die im Zuge der Dokumentation in der Kritik stand und eröffnete ein Verwaltungsverfahren.

Es gäbe also einige Gründe, Amazon zu boykottieren. Aber sollte man?

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