Rechte Website interviewt Holger Strohm: Grüner Pionier im Nazi-Sumpf
Holger Strohm, ein Pionier der Anti-AKW-Bewegung, ist von einem rechtsextremen Magazin interviewt worden. Es gebe unter Nazis gute Menschen, meint er.
In dem langen Gespräch wird die Anti-Atom-Ikone Holger Strohm sehr deutlich. „Ich habe mich immer dagegen gewehrt, dass man sagt: ’Mit den Schmuddelkindern, mit den Kommunisten, den Nazis oder den den, darfst du nicht spielen!“, sagt er. Er selbst hat jetzt auch gespielt. Mit „den Nazis“.
Auf der Website des rechtsextremen Umweltmagazins Umwelt & Aktiv (U&A) lässt sich der 70-jährige Umweltaktivist sehr ausführlich über Umweltschutz, Atomenergie, Aufklärung und Widerstand aus. Dort ist das Interview seit Mittwoch der Aufmacher. Einen, der in der alternativ-ökologischen Szene auch als „Ökopionier“ oder „Messias der Grünen-Bewegung“ bezeichnet wird, gewinnen sie nicht oft für ein Interview.
Sein Buch „Friedlich in die Katastrophe“ gab 1971 der Anti-Atomkraft-Bewegung ein seriöses Fundament. 1978 verfehlte Strohm als Spitzenkandidat der Bunten Liste Hamburg den Einzug in die Bürgerschaft. „In seiner Synthese von Umwelt- und Friedensbewegung liefert er zudem die Raison d’être der Grünen“, schrieb die taz unlängst. Nicht ohne darauf hinzuweisen, dass Strohm ein „enormes Faible für Verschwörungstheorien“ habe.
Nicht-grüner Umweltschutz
Der Anlass zu dem Interview mit U&A, dessen NPD-Nähe unumstritten ist, ist der neue Film von Strohm: „Friedlich in die Katastrophe“. Nahe an der Kritik des rechtsextremen Ökomagazins, das bei der NPD bestellt werden kann, schimpft er, dass sich schon bei der Bunten Liste viele Kommunisten nur wegen der „politischen Karriere“ um „Umweltschutz“ kümmerten. Die heutige „Grüne Spitze“ wolle ebenso nur „Karriere machen“ und sei „unglaubwürdig“. Bei U&A heißt das kurz: „Umweltschutz ist nicht grün!“
In dem Gespräch sagt Strohm, dass die Anti-AKW-Bewegung in den Spitzen sowieso vom Verfassungsschutz und der Atomlobby „unterwandert“ seien. Sie würde versuchen, Filmaufführungen zu verhindern. Er betont aber: „In jeder Gruppierung gibt es gute und böse Menschen. Für mich ist die politische Überzeugung kein Maßstab.“
Es gebe „selbst unter Nazis gute Menschen“. Für ihn sei vielmehr „ein Maßstab, ob man gegen Atomenergie ist, ob man für die Menschheit ist“. Das Tun sei wichtig „und nicht, was man sagt“. Im Gespräch fällt beides zusammen: Seine Erkenntnis, dass Nazis sich „für die Menschheit“ einsetzten, ist, gelinde gesagt, ein Euphemismus. Mit dem Interview hilft er dem Magazin bei der Etablierung über die Szenegrenze hinweg.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Rekordhoch beim Kirchenasyl – ein FAQ
Der Staat, die Kirchen und das Asyl
Preise fürs Parken in der Schweiz
Fettes Auto, fette Gebühr