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Erhöhung der Hartz-IV-SätzeAus 50 werden 7,4 Milliarden Euro

Die Arbeitsagentur hat berechnet, dass die Erhöhung der Hartz-IV-Sätze um 50 Euro den Staat 7,4 Milliarden Euro kosten würde. Die Grünen waren nur auf 2,5 gekommen.

Wenn der Hartz-IV-Satz steigt haben mehr Menschen Anspruch auf die Leistung Bild: dpa

NÜRNBERG/BERLIN dpa | Eine Erhöhung des Hartz-IV-Satzes um 50 Euro würde den Bund nach Einschätzung der Bundesagentur für Arbeit (BA) rund 7,4 Milliarden Euro im Jahr kosten. Das sagte eine BA-Sprecherin mit Blick auf eine entsprechende Forderung der Grünen. Sie berief sich dabei auf Berechnungen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). Die Grünen hatten sich auf ihrem Parteitag am Wochenende für ein solche Erhöhung ausgesprochen. Demnach soll der Hartz-IV-Regelsatz mittelfristig von 374 auf 420 Euro steigen. Sozialverbände fordern das schon lange.

Die Grünen waren in ihren Berechnungen lediglich auf Mehrkosten von 2,5 Milliarden Euro gekommen. Zudem soll nach ihren Vorstellungen eine solche Anhebung zwingend an die Einführung eines Mindestlohns von 8,50 Euro gekoppelt werden, was die Sozialkassen um bis zu 1,5 Milliarden Euro entlasten soll.

Nach Berechnungen von Arbeitsmarktforschern würden bei einer Hartz-IV-Anhebung um 50 Euro weitere 460.000 Haushalte mit gut einer Millionen Personen Anspruch auf die staatlichen Leistungen haben. Zugleich könnten mehr Menschen als bisher bei ihren Jobcentern auf der Übernahme ihrer Mietkosten bestehen, berichtete die BA-Sprecherin. Dagegen würden nach der Modellrechnung aber weniger Familien als bisher Anspruch auf einen Kinderzuschlag haben.

In der IAB-Modellrechnung sind nach Angaben der BA-Sprecherin zugleich Steuerausfälle enthalten. Diese drohten, weil der Gesetzgeber nach IAB-Einschätzung bei höherem Hartz-IV-Regelsatz zugleich den steuerlichen Grundfreibetrag anheben müsste. Allein dadurch würden rund 707.000 Erwerbstätige entweder gar keine Steuern mehr zahlen oder zumindest weniger als bisher. Die Ausfälle bei der Einkommenssteuer würden sich nach Berechnungen der Arbeitsmarktforscher pro Jahr auf 2,678 Millionen Euro belaufen.

16,7 Milliarden bei 100 Euro Anstieg

Würde der zum 1. Januar auf 382 Euro steigende Hartz-IV-Satz für Erwachsene um 100 Euro angehoben, würde der Bund pro Jahr sogar mit 16,7 Milliarden Euro zusätzlich belastet – inklusive der zu erwartenden Steuerausfälle. Auf einen Schlag würde sich die Zahl der anspruchsberechtigten Haushalte auf eine Million, die Zahl der betroffenen Familienmitglieder auf 2,3 Millionen erhöhen, berichtete die BA-Sprecherin. Hinzu kämen 440.000 Familien, die auf einmal Anspruch auf Sozialhilfe hätten. 515.000 Männer und Frauen würden wegen der erforderlich werdenden Anhebung des steuerlichen Grundfreibetrags keine oder weniger Steuer als zuvor bezahlen.

Die Arbeitsmarktforscher räumen aber Unwägbarkeiten bei ihren Berechnungen ein. So müsse man davon ausgehen, dass nicht jeder Anspruchsberechtigte auch tatsächlich Sozialhilfe oder andere soziale Leistungen beantragt. Umgekehrt könne ein höherer Hartz-IV-Regelsatz dazu führen, dass mehr Menschen einen schlecht bezahlten Job ablehnten oder aufgäben, weil ihnen der angehobene Hartz-IV-Satz zum Leben ausreiche.

Der Paritätische Wohlfahrtsverband und die Grünen im Bundestag forderten die Bundesagentur am Donnerstag zu konstruktiven Gesprächen über eine spürbare Erhöhung des Hartz-IV-Satzes auf. „Es geht in erster Linie und allein um die Würde des Menschen“, betonte der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbandes, Ulrich Schneider, in Berlin.

Die Behauptung, mit einer Erhöhung von Hartz IV würden Arbeitsanreize entfallen, sei schlicht falsch. Nach Ansicht von Grünen-Fraktionschefin Renate Künast zeigt die Modellrechnung der Bundesagentur, „wie dringend wir einen gesetzlichen Mindestlohn brauchen“. „Wir brauchen eine Untergrenze gegen Armut trotz Arbeit“, betonte sie in einer Mitteilung.

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16 Kommentare

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  • M
    Matth

    Mehr Hartz4 bedeutet mehr Gesundheit, denn Armut erzeugt Krankheit

     

    Kranke Menschen können sich nicht aufraffen und einen neuen Job anfangen, weil die Basis dazu fehlt, nämlich genug Geld das stärkt und bei Gesundheit hält.Je länger arbeitslos desto kränker werden die Arbeitslosen und sind völlig unfähig die geforderte Leistung zu erbringen.

     

    Kranke Menschen ( Armut) versinken in ihrem Elend und werden auch psychisch krank. Die armen Leute befinden sich in einem niederschmetternden Teufelskreis und gehen deshalb lieber zur Caritas, als krank und geschwächt einen neuen Job zu beginnen. Erhöhtes Hartz4 erhält die Gesundheit, baut auf und bekämpft die Armut. Gesundheit als Basis. Wenn Hartz4 erhöht wird, wird es mehr Menschen geben die einen Job suchen werden, weil sich diese Menschen besser und gesünder fühlen. Klingt paradox, ist aber logisch, deshalb ist es so !

  • S
    Sebastian

    Dass ein großer Teil der Ausgaben direkt (nämlich über die Mehrwertsteuer) zurück in den Staatssäckel wandert, wird dabei natürlich geflissentlich verschwiegen...

    Dass die mit der Anhebung des Hartz IV-Regelsatzes einhergehende Steigerung der Massenkaufkraft zudem die Wirtschaft belebt, zeigt, wie theoretisch solche Rechnungen sind.

  • W
    wauz

    Unmittelbare Wirtschaftsförderung

     

    Alles Geld, was im untersten Sektor landet, wird unmittelbar für Konsum wieder ausgegeben. Es ist also eine direkte Wirtschaftsförderung. Geld, das für Rettungspakete irgendwelcher Banken ausgegeben wird, verwandelt sich unmittelbar in (überflüssiges) Kapital und ist damit schädlich.

    Daher wäre eine auch eine Steuerentlastung der Grundeinkommen zu begrüßen, wenn das mit gleichzeitiger Besteuerung aller Einkommen aus Kapital verbunden wäre. Auch Einkommen, die nicht verkonsumiert, sondern angelegt werden, sollten drastisch besteuert werden.

    Sollen die Super-Bänker Millionen auf ihren Abrechnungen haben, so lange eben alles über Hunderttausend in der Steuerkasse landet.

  • JK
    Juergen K.

    Laut

    (Quelle - http://de.finance.yahoo.com/nachrichten/agrarexporte-erreichten-2011-rekordwerte-101025356.html)

     

    können wir "ins blaue schätzen"

     

    das entspricht dem Wert von Porree.

     

    Vielleicht noch: Plus Kappes.

     

    Vielleicht auch: "Nur Kappes".

  • H
    Hafize

    Die von der Regierung massiv mitverursachte Griechenland-EURO-Krise kostet drastisch mehr, auch in Zukunft. Dazu ist Hartz seit 2005 nicht kontinuierlich und transparent angehoben worden. Viele Jobcenter machen sich einen Gaudi daraus, den Arbeislosen und Hilfsbedürftigen Leistungen vorzuenthalten oder geringe Guthaben der Leistungsempfaenger einzufordern. Auch mit dieser Anhebung würden viele Empfaenger arm bleiben und auf einem Minimalstandard leben, aber eben humaner leben als heute.

     

    İnsofern halte ich das für einen guten Ansatz - endlich mal eine konkrete Ansage von den Grünen.

  • H
    Harro

    Die Grünen haben grundsaetzlich Recht mit ihrer Forderung, zumal die BA eigentlich mit was-waere-wenn argumentiert. Das sind angenommene Maximalwerte.

     

    Umgekehrt rechnet die BA die positiven Folgen eines hoeheren Hartz-Satzes naemlich nicht dazu: Minijobs und Einstiegspositionen würden unter Druck zu besseren Entgelten kommen. Auch Leiharbeitsfirmen müssten wohl mehr bezahlen.

    Problematisch waere etwas ganz anderes: Das Anrechnungsverfahren der ARGEn bzw. Jobcenter würde sehr viel komplexer, viele Aufstocker würden staendig Nachzahlungsaufforderungen erhalten.

     

    Aufstocken würde bei momentanen Stundenlöhnen von 5 bis 8,50 EURO zur Teutur. Der Mindestlohn von 8,50 EURO nutzt gar nichts, gerade bei diesem Ansatz sollte er dann bei mind. 9,50 EURO liegen und grundsaetzlich in allen Minijobs angewendet werden.

     

    Insgesamt eine gute İdee von den Grünen - zudem eine Anti-Steinbrück-Massnahme. Der müsste im Prinzip was dazu sagen? Volkswirtschaftlich würde die Erhöhungen auf jeden Fall nachfragewirksam sein, weil arme Menschen fast alles, was sie erhalten, konsumieren.

  • JK
    Juergen K.

    Wären immerhin auch 600 Euro im Jahr

    zwangsläufiger

     

    Erhöhung des Steuerfreibetrages.

     

    Der käme insbesondere den 70% der Haushalte zu Gute, die unterhalb des Durchschnittseinkommens liegen.

     

    Ob die Aldi Erben davon nennenswert tangiert sind,

    glaube ich nicht.

     

    Allenfalls könnten sie ihr Warenangebot ein wenig höherpreisig gestalten.

     

    Vielleich leeren sich auch die einen oder anderen Regallager, zu Mindest marginal.

  • MK
    Markus Kurth

    Einfach die Agenturmeldung abgeschrieben...

     

    ...und dann beim Aufrufen der Seite die "taz-paywall" aufmachen, damit man für nullkommanull Eigenleistung auch noch zahlt! Peinlich, peinlich.

     

    Ein bisschen Recherche bei Grünen SozialpolitikerInnen hätte ergeben, dass die Berechnungen von der BA sich gar nicht exakt auf die Grünen Parteitagsbeschlüsse beziehen. Wieso etwa wird die die Erhöhung des Steuerfreibetrags (2,5 Mrd. €) den SGB II-Beziehenden angelastet? Im Zusammenhang mit dem Abbau der so genannten "kalten Progression" spricht die Bundesregierung bei einer Erhöhung des Grundfreibetrags immer von einer "Entlastung der unteren Einkommen" (übrigens ohne dass etwas gegenfinanziert ist).

    Aber man kann ja das steuerliche Existenzminimum schön dazu nutzen, um Schreckenszahlen über angeblich nicht finanzierbare Erhöhungen des Minimums (!!) für ein menschenwürdiges Leben zu verbreiten.

     

    Und dass die Effekte des Mindestlohns absichtsvoll von der BA unterschlagen werden, spricht doch auch für sich.

     

    Hätte man ja recherchieren und kommentieren können. Na ja...

  • T
    Thorsten

    Deutschland 2012 widert mich nur noch an!! Waren wir nicht einmal ein SOZIALSTAAT? Wir geben den Griechen 200 Mrd. Euro, und eigenen Leuten, die aus ihrem Job rausgeekelt werden, gönnen wir nicht die Wurst auf dem Brot!

  • A
    Anita

    Das Geld koennte man locker wieder rein kriegen, wenn man Steuerfahnder ihre Arbeit machen lassen wuerde anstatt sie arbeitsunfaehig erklaeren zu lassen.

  • V
    vulkansturm

    Blödsinnige fragwürdige Rechnerei, die nicht berücksichtigt, daß die Parteien, die den Regelsatz erhöhen wollen, gleichzeitig auch einen Mindestlohn einführen wollen, womit sich eine ganz andere Berechnungsbasis ergibt. Das ist pure Stimmungsmache, reines Gefälligkeitgutachten für die Regierung

  • RS
    Reinhold Schramm

    Nochmals Ungeschminkt: Hartz-IV-Strafvollzug ist menschenunwürdig, ablehnen!

     

    Die Ablehnung der Niedriglohnbezahlung ist berechtigt! Das post-faschistische Hartz-IV-Strafvollzugssystem soll die arbeitslosen Frauen und Männer in die Unterbezahlung ohne gesicherten und auskömmlichen Alters-Rentenanspruch zwingen!

     

    Selbst der wirtschaftsliberal-sozialdemokratische und BDA-sozialpartnerschaftliche Deutsche Gewerkschaftsbung (DGB) kommt zur Feststellung:

     

    "Wer weniger als 2.500 Euro brutto pro Monat verdient, dem droht selbst nach 35 Jahren Vollzeitbeschäftigung Altersarmut. Diese könnte zum Massenphänomen werden." (DGB-Bundesvorstand, 21.11.2012)

     

    Vgl. Studie des DGB-Bundesvorstand:

     

    Vollzeitbeschäftigte mit Berufsausbildung im Niedriglohnsektor, Risiko Altersarmut: Immer mehr qualifizierte Beschäftigte im Niedriglohnsektor.

     

    Hier, unter anderem: Hunderttausend (100.000) Akademikerinnen und Akademiker bereits im Niedriglohn der bundesdeutschen Ungleichheits- und Reichtumsgesellschaft (- auch ohne persönliche Arbeitsleistung)!

     

    Aufwachen, deutscher Michel und Micheline, für Menschen- und Arbeitsrechte kämpfen!

     

    Trotz alledem!

  • H
    habnix

    Allein die Stellungnahme der BA zeigt das neoliberale Grundmuster. Nicht die unteren Löhne sind zu niedrig, Hartz IV würde unangemessen "hoch" ausfallen. Da schägt´s einen nieder! Haben denn die lieben Vorstände der BA mal auf ihr eigenes Salär gesehen und die zu erwartenden Pensionsbezüge dazu gerechnet, was dass dem Steuerzahler leider kosten wird? Soviel Intoleranz auf einem Haufen gehört fristlos entlasen. Unter der Führung des Arbeitsministeiums können sich die Herren Weise, Alt usw. unbekümmert dämlich äußern. Die heilige Inquisition der Frau von der Leyen.

  • W
    Warum?

    Wieder und wieder wird hier euphemistisch zynisch ein vorbestrafter Expolitiker mit

    SGB-II-EmpfängeRinnen in einen Topf zusammen geworfen. Hört endlich damit auf! Just in dieser Lage habe ihr die Chance dazu, die Begrifflichkeiten den führenden Herrschenden aus der Hand zu nehmen.

     

    Bitte liebe TAZ zeigt euch solidarisch und schreibt nie wieder Hartz-IV-EmpfängeRinnen oder Hartz-IV, sondern SGB-II-EmpfängeRinnen und SGB-II, wie es eigentlich heißt.

     

    Warum übernehmen eigentlich alle diesen euphemistisch fiesen Begriff?

     

    Peter Hartz gilt wegen einer Schmiergeldaffäre als vorbestraft, die Masse der SGB-II-EmpfängeRinnen ist es nicht. Ihr seit VorreiteRnnen seit über 20 Jahren, ihr solltet auch hier die ersten sein, die sich von den MachthabeRinnen begrifflich abhebt. Bitte liebe TAZ, gemeinsam sind wir stark. Halten wir die Reihen geschlossen!

  • W
    Wolfgang

    Merke: 2,7 Millionen haben einen überfälligen Anspruch auf mehr als 18 Milliarden Euro! Ebenso: auf eine Grundsicherung von mtl. 650 Euro netto (so die Berechnungsgrundlage für die überfällige Hartz-IV-Regelleistung); noch zuzüglich Miete und Heizkosten!

     

    Ungeschminkte Begründung: Familienmitglieder der Quandts, drei Personen, bekamen für das Geschäftsjahr 2011, auf Erbschafts-Aktien, nur vom BMW-Weltkonzern, eine leistungslose Dividende von 647 Millionen Euro!

     

    Auch 'deren' "Steuerleistung" ist in (ungeschminkter) Wahrheit ein Ergebnis aus der Wertschöpfung der lohn- und gehaltsabhängigen BMW-Mitarbeiter; einschließlich der im Bourgeosissozialismus chinesischer Prägung verkauften Quandtschen Luxus-Limousinen für die Bourgeoisie und deren Administration in Konvergenzpartei und Regierung (analog EU-Germany)!

     

    Trotz alledem!

  • WB
    Wolfgang Banse

    Die Bundesagentur istdas ausführende Oragan und sollte sich auf diesem Gebiet beschränken.Die Bundesagentur ist nicht für dei Anhebung der Hartz IV Regelsätze verantwortlich.