V-Leute in Fankurven: Die Wanze im Schal
Die Bundesregierung bestätigt den Einsatz von V-Leuten in Fankurven. Wie groß ist das Ausmaß der geheimen Überwachung?
BERLIN taz | Was jetzt? Kommen nun V-Leute in deutschen Stadien zum Einsatz, um die Fanszene zu beobachten, oder nicht? Das Bundesinnenministerium antwortete auf eine von Jan Korte und der Bundestagsfraktion der Linken gestellte Anfrage mit Jein. Viel hat die Regierung nicht zu sagen in ihrer Antwort, die der taz vorliegt.
Fans gelten demnach nicht als politische Extremisten, deshalb gebe es keine Grundlage für eine Bespitzelung. Und doch sei eine solche bei internationalen Partien durchaus schon vorgekommen. Fünf Wochen hat sich die Regierung Zeit gelassen. Normalerweise muss auf eine Anfrage nach zwei Wochen eine Antwort vorliegen.
In einem Antrag auf Fristverlängerung beim Bundestagspräsidium hatte das Innenministerium von „ressortübergreifender Abstimmung und einer intensiveren und zeitaufwendigen Befassung der Geschäftsbereichsbehörden“ gesprochen. Im Abgeordnetenbüro von Jan Korte wird nun wegen der arg dürftigen Antwort von einem „Affront gegenüber dem Parlament“ gesprochen.
Im August war berichtet worden, dass die Polizei V-Leute in die Kurven eingeschleust hat. Fanvertreter wie Philipp Markhardt vom Bündnis Pro Fans hatte von einem „endgültigen Vertrauensbruch“ gesprochen. Der Linke-Abgeordnete Jan Korte hatte darin eine „weitere Eskalation“ des ohnehin zerrütteten Verhältnisses zwischen Sicherheitsbehörden und Fans gesehen und dann die Anfrage gestellt.
Legitimer Einsatz
Nach der Antwort aus dem Innenministerium bleibt unklar, wie groß das Ausmaß der geheimen Überwachung durch V-Leute in den Kurven wirklich ist. Auskünfte über Qualität oder Quantität des Einsatzes verdeckter Ermittler oder im Polizeijargon so genannter Vertrauenspersonen zur Verhinderung von Straftaten gibt das Innenministerium gar nicht.
Stattdessen belehrt sie die Fragesteller darüber, dass der Einsatz von V-Leuten zur Kriminalitätsbekämpfung grundsätzlich legitim ist. Ob die Informationen, die etwa die Polizeibehörden des Bundes und der Länder über die Zentrale Informationsstelle Sporteinsätze (ZIS) austauschen, durch eine Zuarbeit von Spitzeln zustande gekommen sind, werde nicht erfasst.
Und überhaupt lägen die Fußballspiele in der „Zuständigkeit der Spielortbehörden der Länder“. „Zu präventiven und repressiven Maßnahmen“ will die Bundesregierung nichts sagen. Merkwürdig. Ist es nicht deren Mitglied Hans-Peter Friedrich (CSU), der Innenminister höchstselbst, der einen runden Tisch zum Thema Fangewalt initiert hat und mit seiner Null-Toleranz-Rhetorik omnipräsent ist? Oder hat man die Problematik im Ministerium gar nicht verstanden.
„Die Bundesregierung unterstützt den Dialog insbesondere mit der friedlichen Fanszene“, heißt es in dem Antwortschreiben. Man begrüße daher die Aufnahme der Bundesarbeitsgemeinschaft der Fanprojekte in den Nationalen Ausschuss für Sport und Sicherheit. Fanprojekte, die sozialarbeiterisch tätig sind, werden offenbar mit Fanvertretungen verwechselt. Merkwürdig auch das.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis
Verkehrsvorbild in den USA
Ein Tempolimit ist möglich, zeigt New York City
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich