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Stadionsicherheit im deutschen Fußball„Der Rechtsstaat wird umgangen“

Die Deutsche Fußball-Liga (DFL) hat ein Sicherheitskonzept für den Stadionbesuch erarbeitet. Die Fanbeauftragten erklären, warum sie dagegen protestieren.

Deutschland im Mai 2012: Düsseldorfer Ultras beim Rasenraub nach erfolgreicher Relegation gegen Hertha. Bild: dpa
Interview von Roger Repplinger

taz: Herr Markhardt, Sie sind Sprecher der bundesweiten Fanvereinigung „ProFans“. Frau Schwedler, Sie sind im Fanclubsprecherrat des FC St. Pauli. Erklären Sie doch mal: Was will die DFL mit diesem Konzept?

Philipp Markhardt: Auf den 33 Seiten wird von „Fans“ geredet – aber es ist klar: Bei Stehplätzen oder Zaunfahnen geht es um Ultras.

Sandra Schwedler: Betroffen sind alle Fans.

Warum nimmt die DFL nun die Ultras in den Fokus?

Markhardt: Ultras sind für Verbände nicht berechenbar. Sie sind geschlossen, solidarisch – wenn es um so etwas wie das DFL-Konzept geht, ruht jede Rivalität. Die Verbände verstehen die Ultras nicht, sie kommen ihnen nicht bei. Alle Repressionen, die wir in den vergangenen Jahren erlebt haben, alle Einschränkungen, haben nur dazu geführt, dass die Ultras noch solidarischer untereinander werden und das Verhältnis zu den Verbänden sich verschlechtert.

Wer in der DFL hat sich „Sicheres Stadionerlebnis“ eigentlich ausgedacht?

Schwedler: Wir nicht, kein Vertreter der Fans.

Markhardt: Und keiner, der in den Stadien mit Sicherheit zu tun hat.

Schwedler: Das Konzept wurde sicher nicht in den zwei Sitzungen erarbeitet, die da mit Vereinsvertretern von Bochum, Bayern, VfB Stuttgart, Dortmund, Eintracht Frankfurt und dem FC St. Pauli sowie Vertretern der DFL stattgefunden haben. Das hat die „Task Force Sicherheit“ der DFL vorbereitet.

Wie kam das Konzept an die Öffentlichkeit?

Schwedler: Das sollte es nicht. Der Auftrag an die Vereinsvertreter lautete, herauszufinden, was die Fans davon halten. Bei uns hat das Präsidium unter anderem das Fanprojekt zu seiner Meinung gefragt, die wiederum die über 500 Fanclubs, und dann ging es ganz schnell.

Inzwischen kann sich jeder das Konzept unter publikative.org herunterladen. Was kommt von den Fußballverbänden und was von den Landesinnenministern, die auch daran beteiligt sind?

Markhardt: Die Beschränkung der Kartenkontingente für Gästefans und die Abschaffung der Stehplätze – das kommt von Politikern, die überhaupt keine Ahnung haben.

Die Interviewpartner

Sandra Schwedler, 32, arbeitet für die Fanvereinigung „ProFans“ und den „Fanrechtefonds“, der Geld für zu Unrecht in Gerichtsverfahren verstrickte Fans sammelt. Mitglied im Fanclubsprecherrat des FC St. Pauli.

Philhipp Markhardt, 32, Mitglied der „Chosen Few“, einer Ultragruppierung des Hamburger SV. Sprecher der bundesweiten Fanvereinigung „ProFans“ und Mitherausgeber des HSV-Jubiläumsbuchs „Kinder der Westkurve“.

Wie plant die DFL, das Konzeptpapier nun umzusetzen?

Markhardt: Die DFL wartet auf Rückmeldung von den Vereinen. Ein paar Reaktionen von Vereinen, die das nicht gut finden, haben sie ja schon: Union Berlin, FC St. Pauli, Hertha BSC Berlin, Eintracht Frankfurt, 1. FC Kaiserslautern, Erzgebirge Aue, FSV Mainz 05 , 1. FC Köln, Fortuna Düsseldorf, VFL Wolfsburg, FC Augsburg, 1860 München, SC Freiburg, Dynamo Dresden und auch vom Hamburger SV. Bei der DFL-Mitgliederversammlung am 12. Dezember sollen die Vereinsvorstände das Konzept beschließen.

Wie findet die DFL die Diskussion, die jetzt stattfindet?

Schwedler: Die DFL hat kritisiert, dass sich Vereine wie Union Berlin öffentlich positionieren.

Auf Seite 5 des Konzepts ist vom „befriedeten Bereich des Stadions“ die Rede.

Schwedler: Das hat was mit dem juristischen Begriff des Hausrechts zu tun, da gibt es den „befriedeten Bereich“. Sprachlich wird hier der Eindruck erweckt: Fußball ist Bürgerkrieg.

Auf derselben Seite steht auch, dass das Stadionerlebnis „weiterhin sicher zu gestalten“ ist.

Markhardt: Ja, das ist paradox. Das Konzept sagt, dass das Stadionerlebnis sicher ist, und dann kommen 28 Seiten mit Vorschlägen, die unterstellen, das es nicht sicher genug ist. Da fragt man sich: warum?

Schwedler: Der Eindruck, dass ein Stadionbesuch nicht sicher ist, wurde auch durch eine unkritische Medienbetrachtung erzeugt – etwa zum Relegationsspiel zwischen Fortuna Düsseldorf und Hertha BSC. Und man darf nicht vergessen, dass dieses Thema eine Möglichkeit für Innenpolitiker ist, sich zu profilieren. Die haben Druck.

Markhardt: Zum Beispiel wegen der NSU.

Schwedler: Genau. Da ist es gut, Aktivität zu zeigen, was die Ultras anbelangt. Und das trifft sich wiederum mit den Interessen der DFL und auch eines Teils der Medien.

Welches Interesse hat die DFL?

Markhardt: Was nicht kontrollierbar ist, ist nicht zu vermarkten. Das ist ihr Problem.

Die DFL packt die stärkste Waffe aus, die sie hat?

Markhardt: Ja, das Lizenzierungsverfahren. Wenn das Konzept umgesetzt wird, gefährden Fans, die gegen die Regeln verstoßen, die Lizenz ihrer Vereine. Vereine, die das unterschreiben, liefern sich den Fans und der Entscheidungswillkür der DFL aus.

Schwedler: Die DFL soll der operative Arm der Vereine sein – und nun entwickelt die ein Eigenleben und bedroht die Vereine.

Die Vereine werden für ihre Fans haftbar gemacht?

Schwedler: Genau. Die Vereine sollen ihren Fans Druck machen – und die Fans sich gegenseitig, um den Kodex einzuhalten, der im Konzept vorgeschlagen wird.

Das ist schlau.

Markhardt: Ja, das ist es. Die kommen mit dem Lizenzentzug, weil sie mit Geldstrafen nichts erreichen. Sie wollen die Fans in gute und schlechte spalten. Die Guten sind die Braven, die bekommen das, was im Konzept „Privilegien“ heißt – und sollen dann den Ultras Druck machen, weil sie um ihre Privilegien fürchten.

Privilegien wie …?

Markhardt: … Zaun- und Blockfahnen. Obwohl ich nicht weiß, seit wann Fahnen ein Privileg sind. Brave Fans sind unmündige Konsumenten, und die will die DFL im Stadion sehen.

Wie wird das laufen?

Markhardt: Wenn meine Gruppe eine Blockfahne über den ganzen Block zieht, und darunter zündet einer, der nichts mit uns zu tun hat, Pyrotechnik, ist die Blockfahne verboten. Das zielt auf gegenseitige Kontrolle.

Schwedler: Ich will nicht Fanpolizei anderer Fans sein.

Ein Vermummungsverbot soll auch kommen.

Schwedler: Ja, mit der Begründung, dass Leute, die Pyrotechnik zünden, wegen einer Sturmhaube auf dem Video nicht zu erkennen sind. Es können auch Schals sein oder Mützen.

Und das „Videoüberwachungssystem“ und die „Personenkörperkontrollen“ an den Eingängen?

Schwedler: Bei den Videos geht es um ein System, bei dem man die Bänder vor- und zurückspulen kann: ranzoomen. Das soll in allen Stadien obligatorisch werden. Bei Kontrollen in Containern am Eingang wollen sie in die Körperöffnungen gucken.

Was ist da so interessant?

Schwedler: Sie denken, in den Körperöffnungen wird Pyrotechnik transportiert – was kompletter Blödsinn ist. Was da vorgeschlagen wird, das geht in einem Rechtsstaat nicht.

Das Stadion – ein rechtsstaatsfreier Raum?

Schwedler: Den Eindruck haben wir. Die Innenminister sollen für die DFL die Gesetze verschärfen, den Datenschutz aushebeln. Der Rechtsstaat wird umgangen: So sollen etwa Stadionverbote möglich sein, auch wenn Verfahren nach Paragraf 170 II Strafprozessordnung eingestellt werden. Da entsteht ein Fußball-Unrechtsstaat.

Werden Sie den Kodex unterschreiben, von dem Ihre „Privilegien“ abhängen?

Schwedler: Bei einer Fanclub-Delegiertenversammlung des FC St. Pauli wurde beschlossen: Wir unterschreiben keinen Kodex.

Markhardt: Wir auch nicht. Es geht jetzt um die Frage, wie wir als Fans zeigen, dass wir das nicht wollen.

Schwedler: Genau. Heute ist ein Fantreffen in Berlin, da wird über diese Frage diskutiert.

Hat die DFL die Premier League zum Vorbild: Sitzplätze, sehr teure Tickets, keine Atmosphäre, bürgerliche Mittelklasse im Stadion?

Schwedler: Die unberechenbare Gruppe der Ultras, die selbst organisierten Fans, die für die Unberechenbarkeit des Spiels stehen, sollen raus. Fans, die mehr Geld bringen und keinen Ärger machen, auch keinen politischen, sollen rein.

Markhardt: Das Gute ist, dass die Sache jetzt auf dem Tisch ist. Alle müssen sagen: Wollt ihr so einen Fußball, oder wollt ihr ihn nicht?

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23 Kommentare

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  • S
    SigridJVS

    Hier wird mit Falschinformationen versucht, Stimmung zu machen, das ist eine ganz miese Show! Das Antragspapier kann im Netz nachgelesen werden: http://cdn.static.bundesliga.de/media/native/autosync/antragspaket_1_sicheres_stadion_-_antraege_001_-_016_-_final.pdf

    Es geht eindeutig daraus hervor, dass der Zutritt zum Stadion zügig und angemessen gewährt werden soll. Verschärfte Kontrollen gibt es nur für einzelne Personen, vermutlich solche, die in der Vergangenheit schon entsprechend aufgefallen sind.

    Von Durchsuchung irgendwelcher Körperöffnungen ist überhaupt keine Rede, das entspringt wohl einzig den Hirnen der Pyromanen.

    Derselben Art Pyromanen übrigens, die durch einen Böllerwurf den Frankfurter Platzwart schwer verletzt haben und sich der Verantwortung nicht stellen wollten, sondern den Täter deckten. Solidarität mit denen? Warum denn, bitte? Wer Solidarität nur unter seinesgleichen kennt, braucht die meine nicht - die gilt diesem Verletzten und all denen, die durch solche Leute noch verletzt werden könnten.

     

    Ich gehe seit vielen Jahren regelmäßig ins Stadion um Fußball zu gucken, meine Mannschaft anzufeuern, von Emotionen geschüttelt zu werden und Spaß zu haben - den finde ich aber nicht in dichtem Rauchqualm! Ein einziges Mal hatte ich das Pech, in einem Auswärtsspiel in den Qualm solcher Rauchwaren zu geraten und das hat mir gereicht, um diese Dinger auf alle Zeiten zu hassen. Ich hatte Erstickungsängste und kann jeden verstehen, der so etwas verhindern will!

     

    Wer nur zündeln will, hat im Stadion nix verloren. Man kann auch mit Trommeln und Klatschen und Singen Stimmung machen und die ist gesundheitsfördernder und fröhlicher!

     

    Mir gehen diese paar Hundert egomanen Selbstinszenierer sowas von auf den Keks, das kann ich gar niemandem sagen. Wenn nur 10 Prozent von denen weg bleibt wegen der achsoschrecklichschlimmen Kontrollen, hat sich die Sache schon voll gelohnt. Gut so!

  • S
    Schröder

    @ Thomas Sch.:

    Natürlich versteckt sich der Täter in der Masse, und natürlich muss ihn die Polizei dort auch suchen. Fragwürdig sind doch aber die Mittel, die dabei eingesetzt werden. Würden Sie es z. B. begrüßen, wenn Innenstädte komplett abgeriegelt werden und sie diese nur noch durch Nacktscanner und Container, in denen sie sich vor unausgebildeten "Ordnungskräften" komplett entkleiden müssen, betreten und verlassen dürfen, weil irgendwo in der Stadt eine Brieftasche geklaut wurde?

     

    Im übertragenen Sinne ist nämlich genau das jetzt in und vor den Stadien geplant.

     

    Der Dieb nutzt nämlich auch die Masse um sich zu verstecken. Also muss die Polzei auch in dieser suchen...

  • TS
    Thomas Sch.

    03112012Liebes Urgestein, ich gebe es zu. Ich war ein einziges mal in meinem Leben in einem Fußballstadion. Frankfurt gegen Bayern München, gespielt in Frankfurt vor gefühlt fünfzehn Jahren (?) oder so. Ich weiß nicht mal wie´s ausgegangen ist, Sie als Fußballexperte wissen das sicherlich. Was mir allerdings schon damals in allermiesester Erinnerung blieb, war die An- und Abreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Ich hatte damals zwei Zwölfjährige mit, die sich ob des Verhaltens der mitreisenden Chaoten (heute nennt man sie wohl Ultras) vor Angst beinahe in die Hose pißten. Unfaßbares, widerliches Gegröhle und Gejohle, Rauchen im Waggon, Rumspritzen von Bier und Anderem, Belästigen, Begrapschen und Beleidigen von Mitreisenden. Fußball ? Nein, danke. Kein zweitesmal in meinem Leben werde ich das mitmachen. Außer vielleicht mit separatem Zugang in eine Extraloge mit Sekt und Erdbeertörtchen. Aber in der Holzklasse beim -sorry, das muß jetzt sein- miesen Pöbel ? Im Leben nicht. Tut mir leid, wenn ich das hier so ungeschminkt darstellen muß. Aber Schöngerede gibt es ja wohl in Deutschland schon mehr als genug. Ich weiß nicht, was Sie in Ihren Ausführungen meinen, was für eine Art von Feuerwehr was zerschlagen oder kaputtgemacht hätte. Ich weiß nicht, ob Sie einer von denen sind, die nur gern auf Retourkutschen aus sind und immer andere für Ihr (?) Verhalten gern verantwortlichmachen. Es ist mir letzlich auch egal. Aber wer sich so benimmt, hat in meinem Augen auch das Verständnis anderer völlig, aber sowas von völlig und total verwirkt. Wer eine Sportveranstaltung für Gewalt mißbraucht, sollte sich besser in einem Boxklub anmelden oder in ein Übungslager für Terroristen begeben, aber nicht normale Menschen für seinen deformierten und miesen Charakter mißbrauchen. Ende der Durchsage.

  • G
    Grim

    Viel zu oft habe ich nach den standardmäßigen Ausfällen meiner "Fußballfreunde" gehört, dass "das" halt passiert beim Fußball. Z. B. wenn einer ne Flasche, die ein besoffener "Fan" wirft, an den Kopf kriegt.

    Da steh ich dann, guck mir die Deppen an, die sich "Ultras" nennen und nichts aber auch gar nichts vom Spiel mitkriegen (wie auch, wenn man mit dem Rücken zum Feld steht und einen auf DJ macht?!) und muss mich belehren lassen (auch von den "Fanbeauftragten"), dass es "gar nicht so schlimm" ist und die "medial aufgebauschten Vorfälle" Ausfälle Einzelner seien. Das mag alles sein. Aber mit "Fußballgucken", "zum Fußball gehen", das "Spiel anschauen" usw. hat das genauso wenig zu tun, wie in der Loge Erdbeeren und Schlagsahne löffeln.

    Und die, die im Moment am lautesten schreien sind auch längst nicht mehr die, die Interesse am Spiel haben, die Kuttenträger, das Arbeitermilieu. Die wurden schon Ende der 90er aus den Stadien vertrieben - von den "Ultras" (ich erinner mich noch an die Debatten damals). Heute sitzen angetrunkene Heranwachsende auf den Zäunen, machen "Party" und halten sich für kreativ, wenn sie eine Riesenfahne in Vereinsfarben übern Block ziehen. Das ist leider Ballermann. Und da wird abkassiert. Da muss man sich nicht wundern. Mit Fankultur - was fürn lachhafter Begriff - hat das überhaupt nix zu tun.

  • S
    Stehplatz

    @Thomas Sch.

    Die 80er-Jahre waren die große Zeit der Hooligans. Und es sind doch gerade die Ultras, die die Hooligans in den 90ern aus den Stadien verdrängt haben.

  • U
    Urgestein

    @Thomas Sch.

     

    Deinem Kommentar entnehme ich, daß Du kein Stadiongänger bist und das ganze eher aus der Ferne kommentierst. Aus weiter Ferne.

     

    Um in Deinem Bild zu bleiben, haben wir eine Feuerwehr, die erstmal die umstehenden Häuser unter Wasser setzt, parkende Autos zerstört und Passanten mit Überdruck von den Bürgersteigen spült. "Na und? Hier muss gelöscht werden. Wir brauchen Hubschrauber! Dringend HUB!SCHRAU!BER! Sonst kriegen wir das NIE in den Griff" heißt es dann auf die Frage, ob der brennenden Mülltonne nicht auch mit etwas weniger Aufwand beizukommen wäre. Und dann, wenn die Mülltonne schließlich runtergebrannt ist, erscheinen ein paar oberschlaue Innenminister und Politpopulisten von den hinteren Bänken und fordern nun aber endlich die Erlaubnis zum Einsatz von Napalmbombern für "das nächste Mal". Man müsse hier schließlich einsehen, dass sich "Feuer eben nur mit Feuer" bekämpfen liesse, der Verlust ein Stadtteils sei im Einzelfall halt alternativlos und unvermeidbar, alles andere hingegen wäre ein "Einknicken vor der heissen Asche".

     

     

    Yippie.

     

     

     

     

    @Glupia

    Huh, plötzlich so finster hier... muss an ihren mittelalterlichen Ansichten über die Wiedereinführung von Sippenhaft und Kollektivbestrafung als Maxime der Wahrheitsfindung und Sanktionierung im Stadion liegen. Noch ein Stadtteilbomber. Einer strahlenden, rechtschaffen-redlichen Karriere ihrerseits im politischen Umfeld steht bei solcherlei Vorstellungen ja nichts mehr im Wege.

  • S
    Stehplatz

    Wenn die Polizei mit ihren Hubschraubern, Reiterstaffeln, Wasserwerfern, Schlagstöcken und Pfefferspray der Lage nicht Herr wird, was soll dann ein doofer, dauerbesoffener Vollversager wie ich tun können, um die zigmillionen Problemfans davon abzuhalten, ganze Städte niederzubrennen?

  • G
    Glupia

    Das Problem sind nicht die Fans, sondern die, die ein Spiel als Vorwand nehmen, geplante Randale umzusetzen. Als Kind war ich oft bei Spielen der Hertha - das waren in den 60ern Familienausflüge. In den 80ern hatte ich bei Herthaspielen ein Problem: Wie komme ich nach Hause oder aus Spandau raus? Denn die Benutzung von U- und S-Bahnen war ausgeschlossen, wenn "Herthafrösche" unterwegs waren. Meine Begeisterung für Hertha erreichte den Nullpunkt und so ist es geblieben. Man könnte mir ein Ticket schenken - ich würde nicht hingehen. Es wird ständig von "den Fans" gesprochen, aber nie von denen, die durch die Ultras keinen Bock mehr auf Fußball haben. Denn der Sport ist schon lange in den Hintergrund getreten - im Vordergrund sind Saufen, Pöbeln, Bambule und Fremdenhass. Mit Fremdenhass meine ich nicht nur die rechtsradikalen Sprüche gegen "Ausländer" (oder die so aussehen), sondern die Aggressionen gegen alles, was "fremd" ist, also auch die Fans der Gegenmannschaft, Frauen, Menschen mit Behinderung. Und ich darf obendrein als Steuerzahler Unsummen für Polizeieinsätze mittragen. Es geht hier nicht um "Edelfans" mit Erdbeeren und Schlagsahne und Logenplätze. Es geht darum, dass Fußball wieder als Sport gesehen wird und von jedem gesehen werden kann. Die Vergangenheit lehrt, dass die "Fanclubs" in diese Richtung bisher radikal versagt haben. Ich hätte eine ganz andere Lösung: Jede Randale, gleich welche Liga, wird damit geahndet, dass das nächste Spiel, egal welcher Verein und welche Liga, als Geisterspiel stattfindet. Dass heißt, nicht ein einzelner Verein haftet, sondern die gesamte Liga. Also wenn die Fans von Dynamo Krawalle auslösen, wird beispielsweise Bayern München, St. Pauli, Schalke etc vor leerem Haus spielen und auch die Nationalmannschaft. Das ist eine radikale Lösung, aber ich bin mir ganz sicher, dass spätestens nach dem dritten Geisterspiel DFB, Vereine und Fanclubs ihre Lippenbekenntnisse wegstecken und wirklich etwas tun. Und auch jeder einzelne Fan.

  • TS
    Thomas Sch.

    Der Artikel als auch die Kommentare sind durchzogen von dem vermeintlich guten Willen, hinter die Kulissen zu schauen, Erklärungen und angemessene Lösungen zu finden, kurz: Überlegung und Besonnenheit zu demonstrieren. Mir kommt es mittlerweile so vor, als ob Letzteres wichtiger geworden ist, als der Krawall in den Stadien an sich. Vielleicht sollte man mal nicht nur die Rückseite des Geschehens, sondern die häßliche Vorderseite genau betrachten. Eine Feuerwehr steht ja auch nicht vor einem brennenden Haus und ergeht sich in ermüdenden Diskussionen, warum das jetzt angefangen hat zu brennen und wieso und wie das wohl weiterbrennen wird, wenn keiner was macht und was das Feuer sonst noch so anrichten könnte. Nein. Die Feuerwehr löscht. Mit viel Wasser und sehr effektiv. Analysieren kann man später immer noch. Solange gegen Gewalt in den Stadien nichts unternommen wird (Und effektiv wird ja auch nichts unternommen; also um beim Beispiel zu bleiben: Feuerwehr steht nur so rum.), entsteht beim Ultra, Randalinski, Rowdy, Gewaltverbrecher oder wie immer man sie bezeichnen mag, der fatale Eindruck, daß das Verhalten wenn schon nicht gemocht, aber immerhin faktisch toleriert wird. Es tut ja keiner was dagegen ! Im Grunde genommen wird hier etwas zelebriert, was in römischen Stadien vor zweitausen Jahren üblich war: Man ergötzt sich an widerlichen Gewaltekzessen. Und das TV überträgt live. Einem Verbrecher wird man nicht mit der schriftlichen Aufforderung doch netter zu sein, beikommen können. Daß der sich in der Masse versteckt, ist ja sein Trick. Daß die Polizei in dieser Masse dann auch suchen muß, ist doch logisch. Daß Fanvereine sich jetzt über eine vermeintliche Kriminalisierung ihres Tuns beschweren, zeugt jetzt nicht gerade von ihrer intellektueller Überlegenheit. Wo soll die Polizei denn sonst suchen ? Man muß aufgefundene Brandschatzer ja nicht gerade vor Beginn des Spieles öffentlich standrechtlich erschießen, aber wie wär´s denn mal mit Sofortknast. Und auch nicht in einem geheizten Bundesgefängnis mit Fernsehabend und Vollverpflegung. Wenn ein Spiel auf einmal unterbrochen würde, die Polizei ausschwärmt, den Verbrecher auf´s Spielfeld schleppt und dort öffentlichkeitswirksam in den Hintern tritt und unter dem Gejohle der Besucher aus dem Stadion schleift, würde sich die Lust auf Gewaltaktionen sicherlich rasch und wirksam abkühlen. Man könnte natürlich auch alternativ dem Störer einen dreiwöchigen Segeltörn mit Anti-Gewalt-Seminar (inklusive Frühstück) spendieren. Und, was sagen die übrigen Kommentatoren ? Welche Möglichkeit bevorzugen Sie ?

  • S
    sebastian
  • KK
    Kein Kunde

    Ich verstehe die Fans nicht so recht.

    Das ist doch eine ambivalente Situation.

    Die Vereine, die da "vom kleinen Mann" angehimmelt werden, sind doch mittlerweile große Konzerne und ihre Spieler, die würden doch auch eher in der Loge sitzen und Erdbeeren mit Schlagsahne löffeln.

     

    Da würd ich doch eher (Konjunktiv, weil ich wahrlich kein Fußballfan und Vater bin) Samstags Nachmittag mir ein Spiel meines Sohnes ansehen.

     

    Stehen im Stadion auch Animatöre des DFB vor den Reihen, die den Fans sagen, wann sie zu jubeln haben und in welchen Momenten die Welle die Werbung eher stören und wann sie genehm ist?

  • C
    cyctologie

    @ urgestein

    danke für den kommentar.

    den reichen war ihr tennis schon ein wenig langweilig.

    da hat man VIP-Lounges gebaut um dem pöbel bei seinem treiben zuschauen und einen wohligen schauer erfahren zu können.

     

    was armut und zerfall der geselschaft mit gewalt im stadion zu tun haben, können wir in mittel und südamerika beobachten.

    erschossene schiedsrichter etc.

     

    früher brauchten wenigsten fußballvereine noch die "idioten".

    in schule und arbeitswelt haben sie ja längst ausgedient und die vermarktung des fußball lässt sich nur weiter vorran treiben, wenn man den idioten einerseits trikots für 80€ verkauft, sie aber andererseits so ruhig stellt, dass fernseh übertragungen nicht durch überlaute fangesänge (lassen sich zum glück wegdimmen) und rauchschwaden vor der kamera (lassen sich leider gar nicht gut dimmen) gestört werden.

     

    der vereinzelte, entrechtete proll trifft im stadion seinesgleichen und urplötzlich kommt das gefühl auf: Ich bin gar nicht allein! Heute zeigen wir es ihnen! und beim nächsten mal bring ich auch die drei anderen idioten die ich noch kenne mit ins stadion.

     

    wenn erstmal überall systeme installiert sind, die den durchschnittsidioten vom stadion direkt in den knast bringen, werden wir die krawalle dort haben.

    oder im freibad?

  • U
    Ultra?

    @arribert ... ? erklär mal bitte

  • R
    Redsox

    Hm, das riecht doch nach demnächst 10 Jährigen Stadionverbot für die beiden Ultras da auf den Bild;)

     

    Zu erwähnen wäre noch das bei den „massiven Ausschreitungen“ beim Spiel Düsseldorf gegen Hertha genau ein Mensch verletzt wurde und das war der Schiedsrichter der von einem Herthaspieler eins auf die Fresse bekommen hat.

  • U
    Ultra?

    @stefan

    gutes interview zu nem thema bei dem viel unverständniss beim "normalbürger" herrscht. da find ich ironie, so es denn welche sein sollte ziemlich kontraproduktiv.

  • F
    Fabi

    Super Interview! - aber unglückliche Bildauswahl mit unangebrachter Ironie. Eine der unsportlichsten Aktionen von Fans der letzten Jahre hier zu verharmlosen ist meiner Meinung nach nicht der richtige Weg so ein gutes Interview zu illustrieren.

  • U
    Urgestein

    Wenn es nach der DFL geht, sitzt der Oberschiedsrichter bald auf einem erhöhten Stuhl und eröffnet über sein Stadionmikro die Partie mit einem "Quiet, please". Und in der Halbzeit gibt es statt Bockwurst und Bier Piccolöchen und Erdbeeren mit Schlagsahne... irgendwie haben die da ein anderes Spiel für andere Leute vor Augen.

     

    Was mich wundert ist, dass sich Ruhrpottvereine wie Schalke, Bochum, Dortmund, Duisburg noch nicht distanziert haben.

     

    Was mich nicht wundert, ist dass die grosse "Stern des Südens" AG und die kleine GmbH an der Unterweser die Füße still halten. Beide bekämpfen ja kritische Fans schon seit Jahren und mit allen Mitteln.

  • A
    arribert

    @Ultra?:

    Kawumm - mein Kopf auf dem Tisch! Lies den Artikel durch!

  • S
    Sven

    Diese Bildunterschrift nennt man wohl Ironie! ;-)

  • A
    Andreas

    Ich denke, die BU ist mit Bedacht (oder auch Ironie) gewählt und soll die Taliban der Fans entlarven. Schönes Interview.

  • F
    Flo

    Auf die Bildunterschrift bin ich wohl auch direkt angesprungen.

    Lieber Herr Repplinger, ich denke sie verstehen unsere Fankultur wohl doch nicht in all ihren Facetten...

  • S
    Stefan

    Super Bildunterschrift! Ironie nicht verstanden?

  • U
    Ultra?

    was is denn das für eine bildunterschrift ? vielleicht noch mal darüber nachdenken