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Archiv-Artikel

unsere tägliche nachricht gib uns heute von RALF SOTSCHECK

Irgendwie muss man die Schäfchen ja bei der Stange halten. Die katholische Kirche in Schottland will dazu neue Technologien nutzen. Sie hat sich ein Beispiel an anderen Dienstleistungsunternehmen genommen, die ihrer Kundschaft die Lottozahlen, das Horoskop oder die Wettervorhersage aufs Handy senden. Die Kirche möchte nun die Namen von in Not geratenen Glaubensbrüdern per Massen-SMS unter den Gläubigen verbreiten, auf dass die mit geballter „Prayer Power“ die Sache zum Guten wenden.

Das hört sich harmlos an, ist es aber nicht, weil der Klerus wie immer einen Hintergedanken hat. Was er unter Not versteht, machte ein Kirchensprecher deutlich: Wenn etwa eine Schwangere im Zweifel ist, ob sie das Kind bekommen will, liest die Gemeinde ihren Namen auf dem Handy und kann ihr durch heftiges Beten den rechten Weg weisen. Offenbar will die Hierarchie mit solch einer Textnachricht hinterrücks den Pranger wieder einführen. Wer die perfiden Methoden der katholischen Kirche kennt, wird sich nicht wundern, wenn die göttliche Textnachricht auch die Telefonnummer der Schwangeren enthält, um den Gebeten Nachdruck zu verleihen. In Irland war bis vor nicht allzu langer Zeit eine Heerschar von Nonnen in den Eisenbahnen unterwegs, die zu den Fähren nach England fuhren. Entdeckten sie eine allein reisende junge Frau, argwöhnten die Nonnen, dass sie auf dem Weg zu einer Abtreibung auf der Nachbarinsel war und malten ihr sämtliche Höllenqualen aus.

In Schottland will die Kirche per SMS über Radio-Talkshows mit Hörerbeteiligung informieren, falls Themen auf der Tagesordnung stehen, zu denen sie ihren Senf geben möchte. „Es geht darum, in unserem Informationszeitalter die gesamte Kirche zu mobilisieren“, meinte der Kirchensprecher.

Ganz so wild wird es wohl doch nicht. Zwar gibt es 700.000 Katholiken in Schottland, von denen sind aber nur 230.000 aktiv. Die Kirche hofft, dass wenigstens 20.000 von ihnen den klerikalen Nachrichtendienst abonnieren werden. Ivan Middleton von der Humanistischen Gesellschaft Schottlands höhnte: „Es sieht mir nach Verzweiflung aus, wenn die katholische Kirche die öffentliche Meinung auf diese Art beeinflussen will. Ihre Gemeinde schrumpft, sie verliert ständig an Einfluss.“

Den wird sie weder mit kostenlosen Bibelversen zurück bekommen, die Schottlands Kirche im Angebot hat, noch mit den Podcasts von der Synode im Mai, auf denen die Höhepunkte des frommen Treibens mitzuerleben waren. Und auch nicht mit den Gottesdiensten im Internet, die sich die Gläubigen täglich herunterladen können, um sich jederzeit nach Herzenslust bepredigen zu lassen.

Die Konkurrenz von der Freien Presbyterianischen Kirche hält den täglichen Service ohnehin für Gotteslästerung. Zwar hat auch sie eine Website, die ist aber sonntags geschlossen, denn dieser Tag gehöre der Kirche und nicht dem Computer. Italiens Katholiken sehen das gelassener. Ein Erzbischof rief dazu auf, wenigstens am Karfreitag auf Textnachrichten zu verzichten. Schottlands katholische Kirche will aber nur ein Zugeständnis machen: Beichten per SMS ist nicht vergebungsfähig.