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Archiv-Artikel

rudern vor gericht Eisige Gefilde

Es war eng auf dem Gang vor dem Saal des Kammergerichts, in dem gestern ein Schlussstrich unter einen zwei Jahre andauernden Rechtstreit gezogen werden sollte. Vor Sitzungsbeginn tratschen 30 zumeist ältere Herrschaften, alle Mitglieder der Ruderabteilung der Sportvereinigung Dresdenia Berlin. Ihre Ja-wie-lange-haben-wir-uns-denn-jetzt-schon-nicht-mehr-gesehen-Gespräche führen sie normalerweise im Clubhaus der Ruderer in Spandau. Genau um dieses Clubhaus ging es bei dem juristischen Duell. Dabei standen sich die Ruderer des SV Dresdenia und der Hauptverein SV Dresdenia gegenüber.

Der Hauptverein mit insgesamt 19 Abteilungen war über Jahre so etwas wie die Betriebssportgruppe der Dresdner Bank. Sie hat den Verein mit einer jährlichen Großspende am Leben erhalten. Diese wurde 2003 ausgesetzt, und so entschloss sich der Verein, sein Tafelsilber zu veräußern, um den Sportbetrieb weiterführen zu können. Das Grundstück der Ruderer an der Havel nebst Clubhaus sollte verkauft werden. Ihre Abteilung wäre geopfert worden, um andere Abteilungen unterhalten zu können.

Der Verkauf wurde heimlich eingefädelt, nachdem eine eilig und unkorrekt einberufene Mitgliederversammlung zugestimmt hatte. Die Ruderer fühlten sich hintergangen und zogen vor Gericht. Sie sehen sich als Opfer einer Intrige. Ein ehemaliger Vorstand, der auch bei der Dresdner Bank in führender Position gearbeitet habe, sei – nachdem er sich aus der Vereinskasse bedient habe – aus der Ruderabteilung ausgeschlossen worden, erklärt Hans-Dieter Würger, Chefruderer des SV Dresdenia. Doch der Hauptverein habe sich auf Drängen der Bank dafür eingesetzt, dass der Exvorstand wieder in den Club aufgenommen wird – gegen den Widerstand der Ruderer. Danach habe ein regelrechter Rachefeldzug begonnen, in dessen Mittelpunkt der Verkauf des Clubgeländes gestanden habe. Für die Ruderer war dies besonders bitter, sehen sie sich doch als Eigentümer des Clubhauses, das „vom Fundament bis zur Vorhangstange“, so Würger, von ihnen finanziert worden sei.

Hauptverein und Ruderer beteuern, dass es ihnen bei dem Streit einzig um den Sport gehe. Knapp 200.000 Euro Gerichtskosten war er den Parteien bislang wert. Das Gericht hat nun entschieden, dass der Hauptverein und nicht die fleißigen Ruderer Eigentümer des Clubgeländes ist. Der Kaufvertrag wurde dennoch für nichtig erklärt, weil er ohne Einbeziehung der Ruderer zustande gekommen ist. Irgendwie haben beide Parteien Recht bekommen und müssen nun beide anteilig kräftig zahlen. Und der Sport? Egal – rudern kann man derzeit ohnehin nicht. ANDREAS RÜTTENAUER