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Archiv-Artikel

letzte Fragen

Weshalb reitet man in einer Kamelkarawane immer hintereinander? (11. 10.)

Damit es läuft wie am Schnürchen!

Gerd Neurath, Saarbrücken

Kamele passen nicht quer durchs Nadelöhr. Petra Becker, Vaihingen

Nur wenn in einer Karawane ein Kamel hinter dem anderen hertrabt, klappt das alte Sprichwort: „Die Hunde bellen, und die Karawane zieht weiter“!

Margot Brünner Reichertshofen

Bis auf das erste Kamel befinden sich dann alle anderen im Windschatten der Kamele vor ihnen. Nach einer Weile lässt sich das erste Kamel an das Ende der Karawane zurückfallen, und das Kamel, das bis dahin die zweite Position innehatte, übernimmt die Führungsarbeit, und so fort. Unterm Strich verbrauchen alle weniger Energie und kommen mit den Wasservorräten länger aus. Schöner Nebeneffekt ist auch, dass es bei sich begegnenden Karawanen ein in der Regel komplikationsloses Aneinandervorbeireiten in der jeweiligen „Spur“ gibt. Was Karl May in seinem Roman „Flucht durch die Wüsten des Morgenlandes“ schilderte, wurde Anfang des 20. Jahrhunderts von Rennradfahrern als bis heute nur wenig verbesserte Technik für Mannschaftswettbewerbe übernommen.

Hans Steih, Kleve

Kein Kamel hält an seiner Seite ein noch größeres Kamel aus. Deswegen geht das größte Kamel voraus, und die anderen folgen ihm. Das ist ähnlich wie bei den dummen Gänsen oder im Bundestag beim Hammelsprung.

Gerhard Drexel, Berlin

Kein Kamel würde diese Frage stellen! In die Fußstapfen des Vorkamels zu treten erleichtert das Vorankommen ungemein, sodass das letzte Tier quasi wie von selbst dem Ziel entgegenläuft. (Noch nie eine Gruppenwanderung im tiefen Schnee gemacht, lieber Bastian Franke?) Außerdem soll es ja in der Wüste Sandstürme geben. Da ist beim Gänsemarsch die Gefahr, sich aus den Augen zu verlieren und damit den Anschluss zu verlieren, am geringsten.

Uwe Tünnermann, Lemgo

Einmal weil es Kräfte spart. Je schwieriger das Gelände, desto mühsamer ist es, sich einen Weg hindurchzubahnen. Aber auch Sand und Schnee veranlassen zum Gänsemarsch. Neben der Effizienz spielt Sicherheit eine Rolle: Wo das Leittier unbeschadet seiner Wege ging, kann auch ich getrost passieren, ohne Treibsand befürchten zu müssen. Ein guter Trampelpfad wird so verlaufen, dass möglichst keine Leoparden im Hinterhalt liegen oder sich ein Löwe unbemerkt anschleichen kann. Wer dagegen neue Wege jenseits der ausgetretenen Pfade beschreitet, riskiert erst einmal etwas. Erweist die Alternative sich als vorteilhafter, wird rasch eine neue Tradition daraus, im umgekehrten Fall erledigt sie sich von selbst. So kommt es zu einer Evolution der Verkehrswege. Die Fortbewegung im Gänsemarsch entlastet aber nicht nur physisch, sondern auch mental.

Während ich dem erfahrenen Leittier hinterhertrotte, kann ich weitgehend abschalten und mich dem steten, rhythmischen Andante der Abteilung überlassen. Eben diese heilsame Monotonie macht einen guten Teil der Faszination von Karawanenreisen aus. Hinzu kommt, dass auch bei uns ein evolutionäres Erbe wirksam ist: Auch wir sind schließlich Steppenwanderer.

Stephan Schomann, Berlin

Was bedeutet: Es läuft wie am Schnürchen? (11. 10.)

Die Redensart soll beim Spinnen entstanden sein, wobei der Faden als Schnürchen bezeichnet wurde. Deswegen sagen noch heute alle Spinner, es laufe wie am Schnürchen, wenn sie meinen, dass ihre Spinnereien von selbst laufen, ohne zu merken, dass bei ihnen ein Rädchen durchdreht. In den USA heißen diese Fädenzieher spin-doctors, in Deutschland sind sie als Strippenzieher bekannt, die sich als Spinnstube für ihre Überdrehungen gerne einen politischen Ausschuss (sic!) suchen. Gerhard Drexel, Berlin

Warum werden manche Tageszeiten als „unchristlich“ bezeichnet? (4. 10.)

Irrig, wenn auch weit verbreitet, ist die Annahme, der Begriff der unchristlichen Zeit käme aus der Frühphase der christlichen Religion. Einer Zeit, in der der Corpus Christi gerade mal gut abgehangen war und der gottesgleiche römische Herrscher Lucius Domitius Ahenobarbus (alias Nero) dazu überging, seine samtpfotenen Großkatzen mit den Anhängern des Gekreuzigten zu füttern. Diese Ära war, zumindest aus Sicht der Löwen, sehr christlich und proteinreich.

Es verhält sich eher so, dass der Ursprung des geflügelten Wortes sowohl in der jüngeren Geschichte als auch in heimischen, wenngleich auch fremdartig anmutenden Gefilden liegt. In Gegenden, in denen Rot-, Rosa- oder Orangewähler noch wöchentlich vom Inquisitor heimgesucht werden. Exemplarisch sind hier Oberbayern und das Eichsfeld zu nennen. In diesen monotheistischen Moralkibbuzen ist es Usus, dass der regionale Oberhirt nicht nur die Sorgen seiner Schäfchen teilt, sondern auch deren Freuden und Feste. Da der Klerikale in diesen Breiten ein hohes soziales Ansehen genießt und dort immer noch die Meinung herrscht: „Jede Investition in unseren Pfaffen ist eine Investition in unser Seelenheil“, wird bei diesen Gelegenheiten Gott in seiner Stellvertretung ein gehöriges Alkoholopfer gebracht.

Nimmt also der Pfarrer seine Pflicht gewissenhaft wahr und auch nur an jeder zweiten Geburts-, Familien- oder anderer Stammesfeier teil, so kann man davon ausgehen, dass der bei Betreuung einer Tausendseelengemeinde jeden Abend straff wie der Bischofsstab ins Bett fällt. Und jeder, der schon einmal in der Diaspora an einem Schützenfest oder ähnlicher Freizeitverschwendung teilgenommen hat, kann sich vorstellen, wie dem armen Hirten am nächsten Morgen zumute ist. Ein Gefühl, als wäre die Steinigung wieder ein probates Mittel der Christenverfolgung geworden.

Und beim Gedanken, in Bälde das heilige Brot vor den Augen seiner Gemeinde zu verspeisen, zwängt es ihn zur Beichte ins Badezimmer mit anschließender Opfergabenweitergabe. So können wir getrost von einer unchristlichen Zeit sprechen, wenn selbst dem Priester beim Gedanken an den Leib Christi das Kotzen kommt.

Dirk Nachtigall, Leipzig

Natürlich handelt es sich um die Tages- oder vielmehr Nachtzeiten, zu denen Kinder und erwachsene Menschen unsanft geweckt werden, lange bevor sie ausgeschlafen haben: Das ist schädlich und rücksichtslos und deshalb auch unchristlich. Daher würde ich die Zeiten, in denen so etwas Verwerfliches – leider bei den meisten fast allmorgendlich – stattfindet, als unchristlich bezeichnen. Rose Remmert

Besser nennt man jene trüben Stunden wohl „in aller Herrgottsfrühe“. Alles Irdische gewinnt jetzt erst allmählich seine Gestalt, sein Leben zurück. Nicht diese Tageszeit als solche ist unchristlich, sondern die lediglich im Ausnahmefall berechtigte Erwartung, der Mensch solle noch vor dem Augenreiben und Gliederstrecken Einsatzbereitschaft zeigen. Wer dies verlangt, handelt ohne Nächstenliebe, also unchristlich

Stephan Weingart, Chemnitz

Weil irrtümlich davon ausgegangen wird, dass „gute ChristInnen“ immer mit den Hühnern ins Bett gehen und mit den Hühnern aufstehen. Wenn die ChristInnen dann (außer mir) alle schlafen, wird die Zeit eben „unchristlich“. Georg Litty, Unterjesingen

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