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Archiv-Artikel

hamburger szene Im Regen

Der Schriftsteller hatte nicht erklären können, welche Bushaltestelle ich nehmen sollte und so stieg ich an der falschen aus. Ein Irrtum von einem Kilometer Länge im strömenden Kyrill-Regen. Der Schriftsteller betrachtete mich im Flur seines Hauses, wo ich den Boden volltropfte und sagte: „Sie können alles bis auf die Unterwäsche ausziehen.“

Es schien der falsche Moment, mehr als die Schuhe auszuziehen, stattdessen ging ich mit ihm und seiner Frau ins Wohnzimmer. Dort wurde klar, dass meine Anziehsachen tatsächlich sehr nass waren. Mir sind als Kind Höflichkeit und Zurückhaltung sehr nahegebracht worden, aber mittlerweile sehe ich ihre Grenzen deutlicher. „Haben Sie eine Decke?“, fragte ich das Schriftstellerpaar. „Ich würde doch gerne meine Hose ausziehen.“

Im Wohnzimmer des Schriftstellerpaares hängen mehrere Frauenakte, seine Texte sind erotisch explizit, dennoch wirkten sie konsterniert. Sie suchten lange nach einer Decke und sprachen über die Unmöglichkeit, eine warme Heizung für die nassen Sachen zu finden. Eigentlich hatten wir über das Alter reden wollen, stattdessen sprachen sie nun über die Trocknungsgeschwindigkeit, und ich suchte nach neuen Formulierungen, um mich zu entschuldigen. „Wenn Sie gehen, werden Ihre Sachen noch nicht trocken sein“, sagte die Ehefrau zweimal und nach dem dritten Mal ging ich. Der Schriftsteller sagte, er würde eine Geschichte daraus machen. FRIEDERIKE GRÄFF