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Archiv-Artikel

die taz vor 14 jahren über daimlers attacken gegen berlin:

Nach Ende des städtebaulichen Wettbewerbs um den Potsdamer Platz wurden die Investoren ob ihrer beispielhaften Zurückhaltung gefeiert. Doch Stadtentwicklungssenator Hassemer ahnte schon Übles: Er betonte, es komme darauf an, den „Tiger zu reiten“. Nun ist der Tiger gesprungen. Und es steht dahin, ob der Senator noch zum Reiten kommt. Matthias Kleinert, Generalbevollmächtigter von Daimler-Benz, hat am Sonnabend im Tagesspiegel den ersten Preisträger, die Architekten Hilmer und Sattler also, total verrissen. „Weltniveau“, „Identitätsstiftende Visitenkarte für den Bauherrn?“ – „Aus der Traum!“

Eine Meinungsäußerung von Daimler-Benz? Kaum. Das ist einmal mit dem Elefantenfuß gestampft. Zu deutsch: offene, absolut unzivilisierte Einmischung. Der Großinvestor ist ungnädig und bittet die Politik zum Rapport. Natürlich hat die Attacke ein Ziel: Hilmer/Sattler mit ihrer „berlinischen Lösung“, mit ihrem etwas biederen, aber freundlichen Entwurf, haben auf Hochhäuser verzichtet. Das regt den Investor auf. Er will natürlich den weithin sichtbaren Stern, das „identitätsstiftende Hochhaus.“ Deswegen also die Diskriminierung eines anständigen Entwurfs und unverhüllte Drohung an die Politiker.

Aber kann man in dieser Stadt so auftreten? Bausenator Nagel, der sein Missfallen über Hassemers Stadtplanung kaum unterdrücken kann, ermutigt offensichtlich zu derlei Attacken. Aber Daimler-Benz sollte aufpassen: Diese Attacke verletzt den Stolz der Stadt. Nach dem großen Reibach beim Grundstückserwerb, nach dem Diktat des Zeitplans für den städtebaulichen Wettbewerb sollte der Weltkonzern sich beim Diktieren bremsen.

Er mag vom Rückgrat Berliner Politiker nichts halten. Aber die Toleranz der Stadt ist vom Investoren-Absolutismus sowieso schon übermäßig strapaziert. Sie wird sich nicht ein „identitätsstiftendes“ Weltunternehmens-Symbol ins Gesicht spucken lassen.

KLAUS HARTUNG, 15. 10. 1991