der sturz des deutschen titanen : Wir sind Helden
„Der Keeper warf sich nach dem Ball wie in Zeitlupe. Er ging wie eine alte, schwangere Frau zu Boden.“ So höhnte „El Mundo“ gestern über Oliver Kahn, Torhüter des FC Bayern München.
In diesen Tagen fallen die Helden des Showbusiness. Einer nach dem anderen. Eichel. Schröder. Ulla Schmidt. Schrempp. Pischetsrieder. Ackermann. Alle entlarvt. Von Spiegel und Stern. Beziehungsweise sie haben sich selbst entlarvt. Nun ist auch der Größte von allen gefallen. Vordergründig zu langsam – und dafür umso tiefer: Oliver Kahn. Gestern noch weltweit verehrt und gefürchtet als das „Gesicht des Bösen“ (Marca). Jetzt häufen sich die Momente, in denen der „Titan“ sich der Verwundbarkeit bzw. Kreisklassenniveaus (Entschuldigung, Kreisklassen-Torhüter!) schuldig macht. Ist er nach seinem Fehler beim 1:1 im Champions-League-Spiel gegen Real Madrid der Torhüter, der den Ball eben doch nicht hat?
Ist er. Aber die Politiker greifen ja auch ins Leere, die Wirtschaftsmanager posen vor Gericht wie Popstars oder werden davongejagt oder schlimmer: bleiben. Die Posen der Popstars werden derweil als knallhart berechnete ökonomische Strategien rezipiert. Die guten Berater brauchen längst selbst gute Berater. Nur, dass es keine gibt.
Es hilft nichts: Der Held ist tot.
Die Frage ist nun: Nimmt die Entheroisierung tatsächlich zu? Oder nehmen wir sie zunehmend wahr? Zum jetzigen Zeitpunkt kann man zunächst sagen, dass die Zeitläufte bzw. das gesellschaftliche Klima die Entheroisierung befördern. Eigenverantwortung ist das Gebot der Stunde. Verantwortung kann nicht mehr delegiert werden. Jeder muss halt jetzt sein eigener Held sein. Muss seine verdammte Praxisgebühr selbst bezahlen. Die Altersvorsorge eigenverantwortlich auf die Reihe kriegen. Im Elternkreis die Probleme der Kita lösen. Aus der Partei austreten. So Zeug.
Wir sind Helden. Hallo, FC Bayern: Braucht ihr einen Keeper, der euch in zwei Wochen in Madrid den Laden sauber hält? Mailt mich an. unfried@taz.de