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Archiv-Artikel

„Wie beim Punkkonzert“

Am Sonntag feiert „Madboy“, der erste Spielfilm von Henrik „Henna“ Peschel, auf dem Filmfest Premiere

Henrik „Henna“ Peschel, 41, ist vor allem durch seine mit wenig Aufwand produzierten Prollfilme bekannt. Durch die Kurzfilme „Rollo Aller 1 + 2,“ mit Rocko Schamoni erreichte Peschel in Hamburg Kultstatus.

taz: Herr Peschel, woher stammen Ihre Ideen für „Madboy?“

Henrik Peschel: Meine Idee war es, die Geschichte eines jungen Musikers zu erzählen, der vom Land in die Stadt kommt und versucht berühmt zu werden. Es ist nun mal ein Fakt, es kommen viele Musiker aus der Provinz nach Hamburg und die werden berühmt. Bei „Tocotronic“, die auch einen Song für den Film geschrieben haben, war das so. Der Musiker und ein gescheiterter Künstler geraten jedenfalls in einen Krieg zwischen zwei kriminellen Clans in Wilhelmsburg. Und auch das mit den Bandenkriegen ist ein realer Fall, den ich da beschreibe. Ich war früher mal Bewährungshelfer, beim Zivildienst, da habe ich von solchen Fällen gehört. Wenn du kriminell bist, wirst du zuerst Ärger mit anderen Gangstern haben, noch bevor du Ärger mit der Polizei hast.

Sie verarbeiten also Geschichten in ihren Filmen, die Sie aufschnappen oder selbst erlebt haben?

Einerseits das, andererseits bekomme ich auch sehr viel Input von den Schauspielern. Ich arbeite gerne mit Laien, weil die viele Dinge wissen, die ein ausgebildeter Schauspieler nicht wissen kann. Einer von der Türstehern, der bei „Madboy“ mitspielt, hat mir erzählt wie man reagieren muss, wenn nachts auf dem Hamburger Berg jemand mit einem Schwert auf dich losgeht. Ein Schauspieler weiß wiederum andere Sachen und das ergänzt sich perfekt. Wenn ich einen erfolgreichen Theaterschauspieler und einen Türsteher auf Augenhöhe spielen sehe, ist das einfach faszinierend.

Warum spielt der Film gerade in Wilhelmsburg?

Einerseits bin ich dort aufgewachsen. Und andererseits gibt es da mittlerweile – wegen der günstigen Mieten – eine besondere Künstlerszene. Die jungen hungrigen Künstler sitzen dort. Ich hab auch schon die „Rollo Aller“-Filme dort gedreht, eigentlich alle meine Filme. Irgendwie zieht es mich immer wieder dahin.

Gibt es noch richtige Prollkultur in Hamburg?

Stell dich mal eine Stunde mit einer Dose Bier vor Aldi auf St. Pauli. Da kommen Dialoge, die sind einfach sensationell. Das ist Trash, so etwas kann man sich gar nicht ausdenken. Grad neulich habe ich so etwas erlebt: Zwei Leute sitzen nebeneinander, der eine behauptet, der andere habe ihm etwas weggenommen. Der haut ihm mit der Faust in Gesicht. Er fällt auf den Boden, kommt wieder hoch und die Beiden stoßen an. Das ist doch ehrlich, da wird nicht lange diskutiert, er hat eine reingekriegt und dann sind sie wieder Freunde.

Warum greifen Sie diese Thematik immer wieder in Ihren Filmen auf?

Das fasziniert mich einfach, ich will mich nicht darüber lustig machen oder das irgendwie werten. Aber das ist genauso Realität in Hamburg. Wenn du über Hamburg eine Geschichte erzählen willst, musst du Hamburg kennen und die Stadt hat nun mal viele Gesichter. Es gibt nicht nur Eppendorf, sondern auch Gegenden wo du dich warm anziehen musst. Die Filmbranche guckt leider viel lieber in teure Altbauwohnungen als in die dunklen Keller. Aber es leben nun mal viele Leute in den Kellern.

Wie ist es eigentlich einen Kinofilm zu drehen, ohne Geld zu haben?

Es ist wie bei einem Punkkonzert, du lässt dich rückwärts in die Menschenmenge fallen, ohne zu wissen was dich erwartet: Du kannst weich landen aber auch hart auf dem Boden der Tatsachen aufkommen. Wir hatten für „Madboy“ keine Filmförderung und auch sonst kein Geld. Das Einzige was wir hatten, war ein Tonaufnahmegerät und eine Kamera. Ich stehe hinter der Kamera und meistens haben die Schauspieler, die nichts zu tun hatten, den Ton gemacht.

Keiner der Schauspieler wurde bezahlt?

Nein, das ist das oberste Prinzip. Es sind alles Leute, die den Traum haben sich einmal im Leben auf einer Kinoleinwand zu sehen. Ich spüre diese Leute auf und überzeuge sie mit der Geschichte, die ich mit dem Film erzählen möchte.

Sie ködern die Schauspieler also nur mit deren Leinwandambitionen?

Und mit der Aussicht auf eine große Party zur Filmpremiere am Sonntag. Wir wollen den Start des Filmfestes auf jeden Fall toppen. Alle, die am Film beteiligt waren, schließen sich dem Autokorso zum Kino an, ich werde im Geldtransporter sitzen, der auch im Film eine Rolle spielt. Danach wird ordentlich gefeiert.INTERVIEW: ROBIN RIEPRICH

So, 20 Uhr, Metropolis, Steindamm 54. Weiterer Termin: Do, 2. 10., 21.30 Uhr, Cinemaxx Dammtor, Dammtordamm 1