„Sie haben uns ein Denkmal gebaut“

Neonazis missbrauchen Texte linker Bands wie „Wir sind Helden“, um gegen das Holocaust-Mahnmal zu hetzen

Ist es Parodie oder himmeln Neonazis nun auch noch die gleichen Popbands an wie ihre linken Gegner – nachdem sie schon vom Outfit seit einiger Zeit kaum voneinander zu unterscheiden sind (die taz berichtete)?

Am frühen Montagabend marschierten etwa fünfundzwanzig zumeist junge Neonazis auf dem Alexanderplatz auf und entrollten Transparente, auf denen unter anderem ein Refrain der linken Popband „Wir sind Helden“ abgebildet war: „Sie haben uns ein Denkmal gebaut“. Und spätestens beim Satz „Hol den Vorschlaghammer“ wird zum Schrecken manch eines linken Helden-Fans erkenntlich, für was das Zitat missbraucht wurde: Um gegen den Bau des Holocaust-Mahnmals Stimmung zu machen, auf dessen Gelände am Montag Richtfest gefeiert wurde.

Es dauerte keine zehn Minuten, da waren etwa drei Dutzend Antifas zur Stelle, um die rechte Kundgebung zu stoppen. Doch dazu kam es nicht mehr. Die Polizei war schneller und eskortierte die Neonazis in Richtung S-Bahnhof. Nach nur fünfzig Minuten war der Spuk vorbei.

Trotzdem tobt seitdem in Antifakreisen der Streit, wie dieser Kurzauftritt zu bewerten ist. Während die einen versuchen, ihn bloß nicht überzubewerten, befürchten andere bereits den rechten Vormarsch in die Innenstadtbezirke. In den vergangenen Wochen und Monaten habe sich die rechtsextreme Präsenz von den östlichen Randbezirken zunehmend in Richtung Mitte ausgeweitet, heißt es.

In der Tat spricht einiges für diese These: So hat auch die RBB-„Abendschau“ vor einer Woche von einer neuen Gruppierung namens „Vereinte Nationalisten Nordost“, kurz VNN, berichtet, die flächendeckend Pankow und den nördlichen Prenzlauer Berg mit Aufklebern und Spuckis wie „National befreite Zone“, „Deutsche kauft bei Deutschen“ und „Pankow bleibt deutsch“ zukleistern. Nach Angaben der Autonomen Antifa Nordost (AANO) handelt es sich dabei um eine Sammelorganisation, in der neben NPD-Mitgliedern viele Aktivisten freier Kameradschaften tätig sind, die versuchen, den Autonomiebegriff von rechts zu besetzen.

Die VNN-Kameraden sehen sich als lokale Schnittstelle zwischen außerparlamentarischen Rechten und der NPD. Zugleich arbeiten sie mit Gruppen zusammen, die „Bewegung Neue Ordnung“ oder „Märkischer Heimatschutzbund“ heißen. Ihr Auftreten wirkt zunächst so harmlos, dass sie – wie eben am Montag – mit Transparenten wie „Wir brauchen keine Sühneparks“ auf dem Alex unbehelligt auftreten können. Eine Entwicklung, die aus Sicht der AANO durchaus ernst genommen werden muss. Dennoch ist sich die Antifa-Ini sicher, ihnen weiterhin „einen Riegel vorschieben zu können“ – schließlich handle es sich bei den meisten um alte Kader im neuen Gewand. FELIX LEE