STOIBERS ANGEBLICHES BILDUNGSPARADIES IST INTERNATIONAL MITTELMASS : Importierte Abiturienten
In Edmund Stoibers Brust schlagen zwei Herzen: das des gütigen Landesvaters – und das des ehrgeizigen Fans des FC Bayern. Wenn seine Rot-Weißen bei den Königlichen in Madrid oder gegen Inter in Mailand eins auf die Mütze kriegen, ist der Chef des Bayern-Beirats zerknirscht. Stoibers Fußballmaßstab ist international, da zählt nur die europäische Meisterklasse, die Champions League. Die Bundesliga – allenfalls gut zum Training.
Als Ministerpräsident funktioniert Stoiber ganz anders, da orientiert er sich lieber am bundesdeutschen Mittelmaß. Als Bayerns SchülerInnen bei der nationalen Pisastudie Meister wurden, jubilierte der Sitzenbleiber aus Wolfratshausen. Recht hat er. In Deutschland sind die Zöglinge aus Garmisch, Nürnberg und Augsburg das Maß der Dinge. Was Stoiber gern unterschlägt: International bringen bayerische Schulen allenfalls mediokre Ergebnisse. Im Vergleich mit den Bundesstaaten Kanadas etwa reicht der deutsche Pisasieger Bayern nur an die Provinz New Brunswick heran.
Und selbst das ist nur die halbe Wahrheit. Es gibt heute drei wichtige Parameter für die Leistungsfähigkeit von Schulsystemen: Welche Kompetenzen wecken sie bei den Schülern? Sind sie sozial gerecht? Und: Statten sie genug junge Leute mit akademischen Würden aus?
Da aber sieht es in Bayern ganz finster aus. Soziale Gerechtigkeit: Der Arztsohn hat in Bayern eine sechsmal höhere Chance, aufs Gymnasium zu kommen – bei gleichen kognitiven Fähigkeiten! Das heißt, Bayerns gegliederte Schule verhindert aktiv, dass Unterschichtkinder nach oben kommen. Obendrein produziert Bayern gerade mal 19 Prozent Abiturienten. Mit anderen Worten: Den Personalnachschub für seine Unis und die weißblauen High-Tech-Regionen kann Stoiber mit seiner eigenen, kümmerlichen Zahl an Hochschulreifen nie und nimmer stillen. Das ist es, was jene gern verschweigen, die Bayerns vermeintliche Eliteschulen gegen die Idee der Gemeinschaftsschule in Stellung bringen.
Übrigens, Kanadas Schulen sind: Gemeinschaftsschulen. CHRISTIAN FÜLLER