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Archiv-Artikel

STOIBER IST ALS AUFKLÄRER GESTARTET UND ALS AMIGO GELANDET Stimmen aus dem Jenseits

Wenn es um dem Rausschmiss eines Ministers ging, galt Edmund Stoiber bislang als wenig zimperlich. Als 1999 in einer landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft Millionenverluste zu Buche schlugen, teilte der bayerische Ministerpräsident Finanzminister Alfred Sauter dessen Entlassung kurzerhand übers Mobiltelefon mit. Der Gesundheitsministerin Barbara Stamm hingegen sprach Stoiber während der BSE-Krise 2001 wochenlang sein vollstes Vertrauen aus, um sie dann bei passender Gelegenheit eiskalt abzuservieren. Die Botschaft: Stoiber, der machtbewusste Macher, hat sein Kabinett ebenso fest im Griff wie sein Land.

Dieser Ruf ist nun dahin. An seiner skandalträchtigen und auch fachlich umstrittenen Kultusministerin Monika Hohlmeier hat er so lange festgehalten, bis die Opposition ihren Abgang per Untersuchungsausschuss erzwang. Ein ungewohnter Erfolg im CSU-Staat Bayern. Dabei war die Entlassung Hohlmeiers bereits im vergangenen Sommer überfällig, als ihre Verwicklung in die Wahlfälschungsaffäre und Erpressungsversuche gegenüber Parteikollegen bekannt wurden.

Stoibers rätselhaftes Zaudern lässt sich nur mit einem Blick in die Vergangenheit erklären: Monika Hohlmeier ist als Tochter von Franz Josef Strauß eine der beliebtesten Politikerinnen in Bayern. Für viele CSU-Wähler galt sie als Fortsetzung der hemdsärmligen straußschen Politiktradition – und damit als Gegenentwurf zum Technokraten Stoiber. Dem wird an der Basis bis heute Misstrauen entgegengebracht, was viel damit zu tun hat, dass der Strauß-Zögling Stoiber einst die Ära Strauß samt ihren Amigo-Schiebereien öffentlich für beendet erklärte.

Die damit verbundene Modernisierung der CSU gilt als großer Erfolg Stoibers. Da wirkt es fast paradox, dass ihn das von Strauß gepflegte System des Protegierens ausgerechnet im Fall Hohlmeier eingeholt hat. Stoibers Zögern war ein Rückfall in scheinbar vergessene Zeiten. Fast könnte man glauben, das dröhnende Gelächter von Übervater Franz Josef auf den Fluren der Staatskanzlei zu vernehmen. JÖRG SCHALLENBERG