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Panter Preis-Nominierte IV Die Krise jeden Tag vor Augen

Der Kohletagebau ruiniert den Wasserhaushalt. René Schuster kämpft mit der Umweltgruppe Cottbus für bessere Konzepte und mehr Gerechtigkeit.

René Schusters (li.) Antrieb ist die Sorge um künftige Generationen C. Hoffmann

Von VERENA KERN

taz Panter Preis, 02.09.22 | Was eine Wasserkrise bedeutet, lernen wir gerade alle. Täglich gab es in diesem Sommer Meldungen und Bilder von Trockenheit und Dürre. Von Seen, die einfach verschwinden. Von Flüssen, die zu Rinnsalen schrumpfen. Von Pegelständen im Minusbereich. Von staubtrockenen Böden, ausgedörrter Vegetation und riesigen Waldbränden. Vor dieser Krise, die jetzt für alle überdeutlich sichtbar wird, hat René Schuster von der Umweltgruppe Cottbus schon gewarnt, als kaum jemand zuhören wollte.

Seit 15 Jahren kämpft der Diplom-Ingenieur für Landschaftsnutzung und Naturschutz gegen die Braunkohleindustrie in der Lausitz. Er organisiert Protestaktionen, reicht Klagen ein, schaut im Braunkohlenausschuss Brandenburg den Planern auf die Finger, deckt Mauscheleien des Kohlekonzerns Leag auf, kritisiert die allzu konzernfreundlichen Entscheidungen der Politik und verfasst für das Umweltbundesamt Papiere zu den Tagebaufolgen in der heute schon sehr trockenen Region. „Wir sind auf dem besten Weg, dass das Wasser hier in Nordostdeutschland nicht mehr reicht“, lautet Schusters Fazit.

taz Panter Preis

Der taz Panter Preis wird von der taz Panter Stiftung vergeben - zum dritten Mal in Folge an Menschen, die sich für einen verantwortungsvollen Umgang mit der Klimakrise engagieren. Dieses Jahr geht es unter dem Motto „Klima für Gerechtigkeit“ um einen Klimaschutz, der sozial gerecht gestaltet wird.

Das zur Kenntnis nehmen wollen aber immer noch nicht alle. Dass Braunkohle dem Klima schadet, hat sich zwar herumgesprochen. Doch dass der Tagebau auch ein massives Wasserproblem mit sich bringt, ist vielen nach wie vor nicht klar. Oder sie wollen es nicht so genau wissen.

Tagebaue entziehen einer Region enorm viel Wasser. Selbst Teslas Batteriefabrik ist dagegen nur ein Kleinverbraucher. Um an die Braunkohle zu kommen, muss Grundwasser in großem Stil abgepumpt werden, das dann einfach fehlt. Auch die Kraftwerke sind extrem durstig. Das Kühlwasser, das etwa der Spree entnommen wird, verdampft zu rund 80 Prozent in den Kühltürmen.

Geplante Seen brauchen viel Wasser

Sind Tagebaue stillgelegt, geht es erst richtig los. Die gigantischen Löcher müssen geflutet werden, damit das aufsteigende Grundwasser nicht zu unkontrollierbaren Rutschungen führt. Durch das Fluten soll eine Art Superseenland entstehen, so stellt die Lokalpolitik sich das vor, ein neues Paradies, das Touristen, aber auch Betriebe und junge Menschen anlockt und so beim Strukturwandel hilft.

Das Procedere

Eine taz-Vorjury hat sechs Kandidat:innen ausgewählt. Vom 17. September bis 15. Oktober findet die Leser:innen-Wahl statt. Zudem wird ein Jurypreis vergeben. Beide Preise sind mit je 5.000 EUR dotiert und werden am 12. November verliehen. Infos: taz.de/panter.

Klingt erst mal gut. „Die Planungen sind aber nicht realistisch“, sagt René Schuster. Er kann das mit Zahlen belegen, mehrere Studien liegen vor. Die künftigen Seen sind überdimensioniert geplant. Die Verdunstung wäre so groß wie der Wasserverbrauch von ganz Berlin. Mit jedem Dürrejahr wird unklarer, woher das Wasser für das ausgedehnte Seenland überhaupt kommen soll. Die Kohlelobby fordert dafür Pipelines, um andere Flüsse anzuzapfen. Das hätte aber zur Folge, dass weitere Regionen auf dem Trockenen sitzen.

Schusters Vorschlag: kleinere Tagebaue, kleinere Seen. Das würde die Leag mehr Geld kosten, aber die Wassersituation deutlich entspannen – eine wichtige Voraussetzung, wenn man neue Unternehmen ansiedeln will. Doch die Politik mauert. Auch hier bleibt sie bei ihrer Linie, die Leag zu schonen, obwohl das für die Allgemeinheit teurer wird.

„Wir brauchen keine Kritik“, bekommt Schuster nicht selten zu hören. Oder: „Muss immer gegen alles geredet werden?“ Manchmal fliegen auch Böller in die Briefkästen von Tagebaukritiker:innen, Banner werden über Nacht zerstört, in Berichten der Lokalmedien tauchen wichtige Fakten nicht auf. Wie hält Schuster das aus? „Ich kenne Braunkohlewiderstand nicht anders“, sagt er. Und: „Nicht alle Lausitzer ticken so.“

Engagiert seitdem er 15 Jahre ist

Aufgewachsen ist Schuster unweit von Hoyerswerda, von drei Seiten von Tagebaulöchern umgeben. Die Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen wollte er nicht einfach hinnehmen. Mit 15 sammelte er erstmals Unterschriften, war lange ehrenamtlich engagiert, hat jetzt eine Projektstelle in Teilzeit. Heute lebt er in einem Dorf nahe Cottbus, mit sechs Milchschafen, einem kleinen Acker, einer Obstwiese, die schon im Frühjahr verdorrt. „Ich sehe die Krise jeden Tag“, sagt er.

Gerechtigkeit, auch gegenüber künftigen Generationen, nennt er als Antrieb. Vor knapp drei Jahren hat die Umweltgruppe Cottbus einen halben Hektar Wald am Tagebau Nochten gepachtet. Dort, wo die Leag weiter abbaggern will. Kürzlich hat der Konzern einen Antrag auf Grundabtretung gestellt, das Juristenwort für Enteignung. „Nötig ist dafür ein zwingendes Gemeinwohlinteresse“, sagt Schuster. „Aber bei der Kohle wird das auf den Kopf gestellt.“ Als sie das Schreiben erhielten, waren die entscheidenden Zahlen geschwärzt – wie viel Kohle im Boden liegt, wie viel gefördert werden soll.

Falls Schuster den Panter Preis gewinnt, will er mit dem Geld den Anwalt bezahlen, damit sie sich gegen die Enteignung wehren können.

Infos: www.kein-tagebau.de