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Archiv-Artikel

ORTSTERMIN: EIN TIERGOTTESDIENST IN HAMBURG-LANGENFELDE Schwanzwedeln beim guten Hirten

Zustimmung

Auf dem Weg zum Gottesdienst strullen sie noch schnell ins Gebüsch. Große, kleine, lang und kurzhaarige Hunde laufen umher; Wedeln, Hecheln und Bellen hallt durch den Gemeindesaal „Zum guten Hirten“ in Hamburg-Langenfelde. In der Kirche brennen Kerzen. Beim Altar steht ein hölzernes Kreuz, an das Bilder misshandelter Tiere und Reklame eines Discounters für billiges Fleisch gepinnt sind.

Manche der etwa 40 Anwesenden, Tiere nicht mitgerechnet, nehmen ihren Hund auf den Schoß. Einer kläfft wie verrückt, aber das stört niemanden. Plötzlich ein Knurren, ein Husky und ein Dackel zanken sich. „Aus!“, brüllt sein Herrchen, der Husky guckt verwundert. Ein Mischling läuft zickzack, begrüßt jeden mit Handkuss.

Holger Janke tritt neben das Kreuz; er ist der Gemeindepastor und hält am Sankt Martinstag, an dem Gänse zuhauf gegessen werden, einen Tiergottesdienst. Janke trägt schwarzen Talar. „Der Friede Gottes sei mit uns allen“, sagt er. „Es ist ein schweres Thema, das ich heute ansprechen möchte: die Trauer um misshandelte Tiere.“

Vor seiner Predigt noch die Regeln: „Bleiben Sie entspannt“, mahnt er – so blieben auch die Tiere ruhig. „Das Bellen soll uns nicht stören.“ Dann bittet er die Besucher, zu seinem selbst gebauten Kreuz zu gehen und Teelichter anzuzünden. Fast jeder steht auf, begleitet von Klaviermusik – die Hunde gehen mit.

„Ich trauere um die Welt, um die abgeholzte Schöpfung“, sagt Janke, als alle wieder sitzen – oder liegen. „Ich trauere um die Tiere, die von Geburt an gequält, im Akkord hingerichtet und in Laboren gepeinigt werden.“ All das sei für ihn kaum auszuhalten. Er wisse nicht, wohin mit dem Schmerz, wolle nichts mehr sehen, hören, sagen. „Doch das geht nicht“, sagt Janke. „Ich hoffe, dass Gott etwas tut für die Tiere.“

erkennt der Pastor darin

Holger Janke fordert in Predigten und Vorlesungen, dass jeder Geistliche Vegetarier wird – denn Gottes Schöpfung schließe Tiere nicht aus. Seit nunmehr 30 Jahren verzichtet er auf Fleisch. Denn der Konsum sei sündhaft und entspringe dem „eitlen Wahn“ des Menschen, der meist lapidar erwidere: „Wir waren doch immer so.“

Welch eine Angst vor dem Gefühl das sei, sagt der 51-jährige Pastor, und blickt in die Gemeinde; einige Hunde sind schon eingeschlafen. „Lass mich Frieden finden, Gott“, sagt er, und weckt damit einen Hund, der lautstark zu bellen beginnt. Janke lächelt und ruft: „Das ist Zustimmung!“

Janke hat drei Katzen und einen Hund, der Tölpel heißt. Auch Luthers Hund soll so geheißen haben. „Sie merken schon, ich leide unter Größenwahn“, witzelt der Pastor, den die Tierschutzorganisation PETA zum tierfreundlichsten Pastor Deutschlands gekürt hat. Janke hat nach dem Gottesdienst zum Kaffee geladen. Lautstark unterhält man sich über Tierschutz, echauffiert sich über andere Gemeinden, deren Türen für Tiere geschlossen sind. In Deutschland gebe es maximal 50, in denen sie erlaubt seien, sagt Janke – doch meist nur einmal im Jahr.

Als ein Hund dazwischen kläfft,

In die Gemeinde in Hamburg-Langenfelde dürfen Tiere seit zwölf Jahren; inzwischen leitet Janke alle sechs Wochen einen Tiergottesdienst. „Aber ich will mich nicht darstellen als der super Perfekte“, sagt er, „ich will, dass die Leute endlich handeln.“

Bei seinen Schäfchen in der Gemeinde muss er sich zumindest keine Sorgen machen. Eine 76-Jährige, die an Jankes Tisch sitzt, erzählt, sie sei seit den 1980ern politisch aktiv, gehe heute noch demonstrieren und streite sich dauernd mit Pastoren; natürlich ist sie Vegetarierin. „Andere Geistliche wollen nicht einsehen, dass auch Tiere Gottes Geschöpfe sind“, sagt sie. Holger Janke sei eine Ausnahme. „Er ist ein ganzheitlicher Christ!“AMADEUS ULRICH