NICOLA LIEBERT ÜBER ALTERNATIVEN ZUM WÄHRUNGSKRIEG : Strafzinsen auf Überschüsse
Einen Währungskrieg mit katastrophalen Abwertungswettläufen will niemand. Aber etwas dagegen tun wollte bislang auch keine Regierung. Denn je günstiger die eigene Währung, desto besser für die eigene Exportindustrie. Da können die USA der chinesischen Regierung noch so eindringliche Vorhaltungen machen – es ist bislang einfach nicht in ihrem Interesse, ihren Yuan aufzuwerten.
Da könnte der Vorschlag von US-Finanzminister Timothy Geithner durchaus die Fronten aufweichen. Statt sich an den Wechselkursen festzubeißen, sollen die Regierungen der 20 großen Industrie- und Schwellenländer (G 20) doch über das reden, worum es ihnen eigentlich geht: um ihren Handel und damit ihre ganze Wirtschaftsstrategie. Die Überschussländer sollen die heimische Nachfrage fördern, statt immer nur zu exportieren. Und die Defizitländer sollen nicht länger auf Pump importieren. Geithner ist sich vermutlich gar nicht bewusst, was für ein Tor er da aufgestoßen hat. Einen ganz ähnlichen Plan hatte der britische Ökonom John Maynard Keynes schon 1944 auf der Bretton-Woods-Konferenz vorgestellt, auf der das Währungssystem der Nachkriegszeit geschaffen wurde. Keynes hatte erkannt, dass langfristige Ungleichgewichte in die Krise führen. Etwa so wie jetzt. Da einem Defizit immer der Überschuss eines anderen Landes gegenüberstehen muss, wollte er beide Seiten zur Anpassung zwingen. Die einen sollten auf ihre Überschüsse Strafzinsen zahlen, genauso wie die anderen auf ihre Schulden ja auch Zinsen zahlen müssen. Beide würden beim Überschreiten bestimmter Überschuss- oder Defizitlimits politische Auflagen erfüllen müssen – so wie Geithner jetzt vorschlug, die Binnennachfrage stärken.
Damals scheiterte der Plan an den USA. Heute droht die Bundesregierung, diese Rolle zu übernehmen.
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