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Mehrheit reicht nicht für AnbauverbotBald mehr Genmais in Europa

Die EU-Agrarminister können sich nicht auf ein Anbau-Verbot für manipulierte Pflanzen einigen. Nun will die EU-Kommission zulassen.

Demächst darf hier auch der Gentech-Mais von Dupont Pioneer angebaut werden. Bild: dpa

BRÜSSEL taz | Eine Nichtmeldung ist manchmal erst recht eine Meldung. Weil sich die EU-Agrarminister am Dienstag in Brüssel nicht auf ein Zulassungsverbot für den Anbau von Genmais 1507 einigen konnten, dürfte das umstrittene US-Produkt bald auch auf den europäischen Markt drängen.

Denn das letzte Wort hat nun die EU-Kommission – sie ist für die Zulassung, wie Gesundheitskommissar Tonio Borg erklärte. Es wäre die erste für einen Gentechmais in Europa seit 15 Jahren.

Die große Mehrheit der EU-Staaten sprach sich bei ihrem Treffen am Dienstag zwar gegen die Genehmigung aus. Nur Briten, Spanier und Schweden waren dafür. Allerdings kam dennoch nicht die für eine qualifizierte Mehrheit nötige Stimmenzahl für eine Ablehnung zusammen.

Die Gegner zeigten sich enttäuscht. Dieses Ergebnis könne er seinen Wählern nicht erklären, sagte der französische Europaminister Thierry Repentin. Auch das EU-Parlament war empört. Über einen „Schlag ins Gesicht der europäischen Verbraucher“ ärgerten sich die Grünen. Bereits im Januar hatte das Parlament die Kommission aufgefordert, die Genehmigung zurückzuziehen – erfolglos.

Vor allem für die Bundesregierung wird die Nichtentscheidung zum Problem. Berlin hat sich wie angekündigt der Stimme enthalten. Damit setzte sich Kanzlerin Angela Merkel (CDU) über die Ankündigung im Koalitionsvertrag hinweg, die Bedenken der Bürger gegen Genfood ernst zu nehmen.

Ausstiegsklauseln für einzelne Länder?

SPD und CSU hatten auch wie vereinbart ein deutsches „Nein“ gefordert. Doch Merkels CDU war für die Zulassung. Die Kanzlerin ordnete letztlich eine deutsche Enthaltung an – und brachte damit Europastaatsminister Michael Roth (SPD) in Verlegenheit.

„Die klare Mehrheit der deutschen Bevölkerung, die deutschen Länder sind strikt gegen den Anbau“, sagte Roth zerknirscht in Brüssel. Womöglich könne Deutschland nachträglich aus der EU-Zulassung ausscheren, deutete er an.

Bundeslandwirtschaftsminister Hans-Peter Friedrich (CSU) hatte zuvor Ausstiegsklauseln für einzelne Länder ins Gespräch gebracht. Dazu müsste die Bundesregierung aber wissenschaftlich belegen, dass der Mais ein ernstes Risiko für Mensch, Tier oder Umwelt darstellt, wie ein EU-Diplomat erklärte. Das dürfte schwierig werden.

Die EU-Behörde für Lebensmittelsicherheit (Efsa) geht zwar von einem „Risiko“ für bestimmte Schmetterlings- und Mottenarten aus, wenn diese über Jahre hinweg hohen Konzentrationen von 1507-Pollen ausgesetzt sind. Insgesamt hält die Efsa den Anbau aber für vertretbar.

Der gentechnisch veränderte Mais der US-Saatgutfirma Dupont Pioneer ist resistent gegen bestimmte Pflanzenschutzmittel und Mottenlarven. Verwendet werden könnte der Mais in Tierfutter und Biogasanlagen.

In der EU wird derzeit nur der gentechnisch veränderte Mais MON 810 der Firma Monsanto zu kommerziellen Zwecken gepflanzt. Hauptanbauland ist Spanien. Deutschland hat ein Anbauverbot verhängt.

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14 Kommentare

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  • RW
    Rainer Winters

    Die EFSA bewertet Risiken fürs Essen. Martin Häusling, MdEP schreibt gerade, dass der Deutsche Vertreter Detlef Bartsch in der EFSA als starker Befürworter für GVO leider kein Einzelfall ist.

     

    "Nachdem schon in der Vergangenheit Grüne und NGOs Verstrickungen von EFSA-Mitarbeitern mit Industrieunternehmen wie Syngenta öffentlich gemacht und den Druck über Jahre aufrechterhalten haben, handelte das Europäische Parlament im Mai 2012 und verweigerte die Entlastung des EFSA-Haushalts 2010. Zwar hat die EFSA daraufhin Fehler eingeräumt und vereinzelt personelle Konsequenzen gezogen, aber eine Untersuchung von Corporate Europe Observatory (CEO) vom Oktober 2013 zeigt klar auf, dass die Lobbyverstrickungen bei der EFSA nicht beendet wurden.

     

    Der Report "Unhappy Meal" der CEO weist dies für 122 der 209 EFSA-Experten nach.

     

    Die Forderung der Grünen besteht nun vor allem in einer Änderung der Regeln für die Besetzung des Aufsichtsrates. Wir brauchen ein transparentes nachvollziehbares Besetzungsverfahren für Mitarbeiter der EFSA, welches ihre Unabhängigkeit in Zukunft garantieren kann."

     

    Nachzulesen unter http://www.abgeordnetenwatch.de/martin_haeusling-901-22784.html#questions

  • Y
    Yo

    Ich habe gehört, D hat viele gute Saatzüchter. Warum sollte man also alles in den USA kaufen? Und ansonsten empfehle ich: F. William Engdahl, "Seeds of Destruction". Sehr informativ!

  • FE
    Für echte Demokratie

    über 80% sind gegen Gentechnik, über 60% sind gegen Kriege, über 80% sind für mehr Solidarität.

     

    Trotzdem wurden CDU/CSU und SPD gewählt...

  • War doch klar, CSU/SPD, ALLE für die Industrie!

    Deshalb "macht kaputt, was euch kaputt macht"!!!

    • T
      tazleser
      @Tadeusz Kantor:

      Wichtig & demokratisch ist nun, von unserer Kanzlerin zu erfahren, warum Deutschland sich enthalten hat. Welche Gründe gibt es, gegen die Bevölkerung + Koalitionspartner + Opposition zu entscheiden.

  • AG
    Ave Grüne, bewahret uns vor dem Bösen..

    Bisherkonnte noch in keiner wissenschaftlichen Studie irgendwein gesundheitlcher nachteil von gentechnisch verändertem statt gentechnisch gezüchtet verändertem(unser Mais) auch nur annähernd nachgewiesen werden. Kein Wunder wenn Grüne und SPD inzwischen sogar das Thema an Schulen verbieten. Man soll das mantra nachbeten, nicht das Thema kennen. Es ist inzwischen wie im Mittelalter, nur gelten andere religiöse Dogmen.

    • ED
      Ernsthafte Diskussion
      @Ave Grüne, bewahret uns vor dem Bösen..:

      Wissenschaftliche Studie ist die Untertreibung des Jahres.

      In den USA wird seit Dekaden genetisch optimierter Mais angebaut - ohne negative Ergebnisse!

      Das ist der größte und längste Freilandversuch seit der Antike. Aber es geht nicht um Fakten, sondern um Religion. Anders ist das Verhalten der Medien und der Greenpeace-Lobbyisten nicht mehr zu erklären.

  • „Die klare Mehrheit der deutschen Bevölkerung ... strikt gegen den Anbau“

     

    ach, ist das wirklich so??

    • H
      Halbwahrheiten
      @der_nun_wieder:

      „Die klare Mehrheit der deutschen Bevölkerung ... strikt gegen den Anbau“

       

      Ja, weil man der Bevölkerung jahrelang irgendwelche gentechnikfeindlichen Grusel-Märchen und Halbwahrheiten über Gentechnik erzählt hat:

       

      http://www.welt.de/politik/article3583627/Zehn-populaere-Irrtuemer-ueber-die-Gentechnik.html

       

      Ich will NICHT sagen, dass alle Kritikpunkte gegen Gentechnik unsinnig wären

      -

      Aber viele gentechnikfeindliche Thesen sind wissenschaftlich nicht haltbar.

    • @der_nun_wieder:

      Ja!!

    • G
      gast
      @der_nun_wieder:

      ja das ist wirklich so. Außerdem können die Biobauern dann schließen, weil ihre Pflanzen und Tiere von dem Gendreck verseucht werden.

       

      Hier geht es doch nur darum, das der Genmanipulationsweltmeister und reichste Mann der Welt mit Geld wohl auch die Hürde EU nehmen konnte. Noch vor einem Jahr war das nicht möglich.

       

      Das Deutschland sich da raushält, ist schon klar, da Frau Merkel weis, das die Deutschen den Dreck nicht wollen, sie zwar die Einnahmen davon abhaben will, aber keine Verantwortung übernehmen will und sich gegen Monsanto durchsetzt.

    • W
      weissnichmehrlangeweiter
      @der_nun_wieder:

      Ja, dem ist so. Und es ist scheinbar genauso wahr dass unsere beschämende Bundesregierung mal wieder im Sinne der (US) Unternehmen entschieden hat, und nicht im Volkssinne. Wofür brauchen wir diese noch? die Konzerne kämen auch gut ohne selbige aus... und wir scheinbar auch. Das hält doch langsam keiner mehr aus. oder

  • T
    tim

    tja. danke eu.

    und bald stört uns dann auch das chlorhuhn nicht mehr ganz so sehr...

    • CI
      Chlor im Trinkwasser
      @tim:

      Chlorhühnchen bekommen Sie ganz einfach hin:

      Wasser irgendeiner Großstadt und dann Hühnersuppe kochen. Ersatzweise erst in das Schwimmbad und dort das Chlor über die Haut aufnehmen und danach ein "Bio-Ökö"-Huhn essen.