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Archiv-Artikel

MICHAEL STRECK über BACK HOME USA? Wunderbar!

Ja, ich habe meine Zeit in Washington genossen. Das sollte ich nur nicht Künstlerinnen im Biomarkt erzählen

Als ich jüngst den Biosupermarkt bei mir um die Ecke ausprobierte, sprach mich eine alte Bekannte an, die seit langem in Berlin lebt. „Ah, zurück aus Washington. Und wie war es?“ „Prima!“ Ungläubiger Blick. „Wirklich? Auch so unter Bush?“ Okay, ich dachte, da muss ich wohl beim Grundsätzlichen anfangen – auch Amerika ist komplizierter, nicht alles evangelikale Spinner, Kriegstreiber und Fastfood-Cowboys. Oder sollte ich sagen, Berlin war auch unter Helmut Kohl keine grauenvolle Stadt? Aber ich hatte keine Lust auf lange Erklärungen und sagte nur. „Ja, na klar.“ Kurzes Innehalten. „Sind die da nicht alle so schrecklich patriotisch?“ Ein letzter Versuch. „Tendenziell identifizieren sich die Leute da drüben viel stärker mit ihrem Land. Aber patriotisch heißt nicht, dass sie unfähig zur Kritik sind.“ „Da kannste dir ja gleich eine Ami-Fahne auf den Ärmel kleben?“ Ich ließ sie stehen.

Die Frau ist Künstlerin. Ein Mensch, der zu einer komplexeren Vorstellungswelt und vielleicht etwas Neugierde neigen dürfte, wagte ich zu hoffen. Zumal sie noch nie in den USA war, wie sie selbst eingestand.

Doch aus irgendeinem Grund versagt beim Blick auf Amerika hierzulande oft die Fähigkeit zu differenzieren. Amerikaner werden kollektiv dafür bestraft, einen raubeinigen und einfältigen Präsidenten zu haben. In keinem anderen Land wird eine Bevölkerung so sehr in Sippenhaft genommen. Tony Blair zog auch in den Irakkrieg. Und Silvio Berlusconis Verachtung für die Demokratie ist in Europa kaum zu überbieten. Aber verhalten wir uns deswegen Briten oder Italienern gegenüber feindselig?

Nun ist die deutsche Arroganz, zu wissen zu glauben, wie Amerika tickt und sich darüber ein zweifelsfreies Urteil erlauben zu dürfen, nicht wirklich neu. Überraschend ist überdies nicht, dass solche Haltungen nicht nur an Stammtischen zum Besten gegeben werden, sondern auch in Biomärkten. Das linksalternative Milieu war immer schon amerikafeindlicher und wusste ganz genau, wie die Dinge dieser Welt geordnet werden sollen. Sei es im Umweltschutz, der Entwicklungshilfe oder im Sozialstaatswesen.

Auch wenn dieses in seiner realen Ausprägung eine Pleite nach der anderen erlebt, hält man es weiter für haushoch überlegen. Wie auf Knopfdruck bekomme ich in den üblichen Debatten den Satz „Aber wir wollen doch keine amerikanischen Verhältnisse“ zu hören.

Dabei hilft der Vergleich Deutschland/Amerika nur begrenzt weiter. Es ist wie mit Äpfel und Birnen. Von amerikanischen Verhältnissen hierzulande zu reden ist genauso abwegig wie der Irrglauben vor allem vieler Linker, Amerikaner würden sich im Umkehrschluss nach deutschen Verhältnissen sehnen. Das Gegenteil ist der Fall. Unser Modell erscheint wenig attraktiv, da es Freiheit einschränkt und keine Arbeit schafft. Sicher würden viele Amerikaner gerne einige Zustände verändern. Zum Beispiel eine allgemeine Krankenversicherung einführen. Aber grundsätzlich sind die Menschen jenseits des Atlantiks zufrieden damit, wie ihr Land verfasst ist.

Dabei ist das Leben in den USA wesentlich härter. Dennoch oder vielleicht gerade deswegen ist es das Land des sozialen Optimismus. Die meisten Amerikaner, rund 90 Prozent laut Umfragen, sehen die USA als gerechte Gesellschaft. In ihren Augen bekommen alle Menschen eine Chance. Diese Mehrheit lehnt allerdings auch eine umfassende staatliche Wohlfahrt ab. Dem liegt ein völlig anderes Verständnis von Staat und Gesellschaft zu Grunde. Eine starke Strömung in der amerikanischen Kultur leugnet, dass dem Staat bei der Ordnung der Dinge eine wichtige Rolle zukommt. Dies sollten der Markt, die Familie, Kirchen und sonstige private Beziehungen regeln.

Wie lausig und unfähig ein solcher Staat werden kann, hat „Katrina“ gezeigt. Dies beschämte auch Amerikaner. In Sachen Katastophenschutz fordern sie daher deutlich mehr staatliches Eingreifen. Doch auf sechs Wochen Urlaub, Kündigungsfesseln und drei Jahre Mutterschutz sind Amerikaner trotzdem nicht scharf.

Fragen zur Ami-Flagge? kolumne@taz.de Morgen: Bettina Gaus über FERNSEHEN