Kripo sucht undichte Stelle bei der Strombörse

Die Veröffentlichung geheimer Handelsdaten der EEX heizt Debatte um Marktmacht der Stromkonzerne an

FREIBURG taz ■ In Leipzig ermitteln jetzt Kripo und Staatsanwaltschaft in Sachen Strombörse EEX. Die Börse selbst hat Strafanzeige gegen unbekannt erstattet, nachdem in den vergangenen Wochen interne Daten über den Stromhandel an die Öffentlichkeit gelangt waren. Dieser Verrat von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen sei ein Verbrechen, erklärte gestern EEX-Sprecherin Katrin Berken: „Wie an jeder Börse muss auch an der EEX die Anonymität des Handels gesichert sein.“

Gegen diese Vertraulichkeit hatte bereits im Februar der bislang unbekannte Schreiber einer E-Mail verstoßen, der hochsensible Handelsdaten als Excel-Datei an diverse Empfänger verschickt hatte. Bereits vor gut drei Wochen hatte die EEX über diesen Vorfall informiert und war „nach erster, kurzer Prüfung der Sachlage“ zu der Überzeugung gekommen, dass die Mail zum Ziel habe, die Reputation der Strombörse zu zerstören.

EEX-Vorstand Hans-Bernd Menzel erklärte gestern, der Handel an der Börse laufe entgegen den Eindrücken, die der anonyme Absender zu erwecken versucht, ordnungsgemäß ab. Die am 18. Februar versandten, sehr detaillierten Handelsdaten seien zwar korrekt, doch Analysen, die eine Manipulation der Preise unterstellten, seien irreführend.

Neben dem strafrechtlichen Aspekt des Geheimnisverrats hat der Vorfall aber noch eine politische Komponente: Er hat die Preisbildung an der Strombörse ins Blickfeld der Öffentlichkeit gerückt. Sie funktioniert zwar nach den typischen Regeln des Börsenhandels, stand aber schon wiederholt in der Kritik. Denn wie an jeder Börse ergibt sich auch an der EEX der Preis des gehandelten Gutes aus Angebot und Nachfrage. So kann bei großer Nachfrage ein Stromerzeuger für 17 Euro pro Megawattstunde in einem abgeschriebenen Kraftwerk Strom erzeugen und diesen für 50 Euro über die Börse verkaufen.

Für Stromerzeuger kann es also lukrativ sein, ihr Angebot künstlich zu verknappen. Denn dann klettern die Preise. So können Stromerzeuger trotz geringeren Absatzes je nach Marktsituation ihren Gewinn durch das Abschalten von Kraftwerken deutlich steigern. Hinzu kommt, dass auch Stromverkäufe direkt vom Erzeuger an den Verbraucher ohne Umweg über die Börse sich bei der Preisfindung stets an den EEX-Vorgaben orientieren.

Dass die vier großen Erzeuger Eon, RWE, Vattenfall und EnBW den Markt im eigenen Sinne nutzen, liegt somit auf der Hand. Ein Indiz dafür ist der Anstieg der Strompreise an der EEX in den vergangenen zwei Jahren, während die Erzeugungskosten nur moderat angezogen haben. Ein anderes Indiz sind hohe Gewinne der Stromkonzerne, die bei Verbrauchern für Unmut sorgen.

Schleswig-Holsteins Wirtschaftsminister Dietrich Austermann (CDU) forderte bereits eine schärfere Kontrolle der Preisbildung an der Strombörse. „Die EEX nennt sich zwar Börse, ist aber gar keine. Die Preisbildung ist völlig intransparent.“ Die EEX weist das natürlich zurück: Der Strompreis ergebe sich nach Börsenlogik aus Angebot und Nachfrage und den Preisvorstellungen der jeweiligen Akteure. BERNWARD JANZING

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