Kommentar Streiks bei Post und Amazon: Der Organisationsgrad entscheidet
Wenn die Zusteller der Post streiken, dann bleibt der Briefkasten leer. Der Arbeitgeber gerät unter Druck. Bei Amazon ist das aber ganz anders.
N ach Weihnachten ist vor Ostern. Und nach dem Streik ist vor dem Streik. So geht das nun bei Amazon schon seit fast zwei Jahren. Es ist ein langer wie verzweifelter Arbeitskampf, den Verdi führt.
Von ihrem Ziel, den Onlineversandhändler zur Aufnahme von Tarifverhandlungen zu bewegen, scheint die Dienstleistungsgewerkschaft heute genauso weit entfernt wie zu Beginn ihrer Proteste. So bewundernswert der lange Atem der gewerkschaftlich organisierten Amazon-Mitarbeiter auch ist: Sie sind im Vergleich zur Gesamtbeschäftigtenzahl zu wenige.
Amazon sitzt die Dauerstreikaktionen kühl aus. Auf den aktuellen Ausstand reagierte der US-Internetversandkonzern wie üblich mit der Versicherung, dass es nicht zu Lieferverzögerungen kommen würde. Eine pünktliche Zustellung bis Ostern sei garantiert.
Das ist der gravierende Unterschied zu den angekündigten Warnstreiks bei der Deutschen Post AG: Wenn dort die Zusteller die Arbeit niederlegen, dann bleibt der Briefkasten leer. Dank des hohen Organisationsgrads der Postmitarbeiter hat dieser Streik noch die Funktion, die er haben sollte: ein wirkliches Druckmittel auf die Arbeitgeberseite.
Ein Streik ergibt nur Sinn, wenn er effektiv ist. Deswegen überlegen sich Gewerkschaften in der Regel ganz genau, wann und wo sie dazu aufrufen. Bei Amazon war das anders. Die Hartleibigkeit der Gegenseite wurde unter- und die eigene Mobilisierungsfähigkeit wie die Auswirkungen auf die Kunden überschätzt.
Ohne sich eine Ausstiegsstrategie zu überlegen, ist Verdi in einen Arbeitskampf gegangen, der unter den gegebenen Bedingungen nicht zu gewinnen ist. Jetzt bleiben nur Durchhalteparolen – und ein paar Kurzmeldungen in den Medien. Bitter, denn die Amazon-Beschäftigten hätten bessere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen verdient.
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