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Archiv-Artikel

Koalition baut dem Pleitegeier ein Nest im Zelt

Haushaltsexperten der rot-roten Koalition wehren sich gegen einen Tempodromverkauf. Eine Pleite könnte das Land billiger kommen. Handwerker mit offenen Rechnungen schauen dann jedoch wahrscheinlich in die Röhre

Vom Roten Rathaus zum Gendarmenmarkt sind es nur ein paar Fußminuten. Für den Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit wäre es ein kurzer und nützlicher Weg bei seiner Entscheidung zum Tempodrom. Denn im Hotel Hilton am Gendarmenmarkt beginnt morgen der Deutsche Insolvenzrechtstag. Er könnte dem SPD-Mann letzte Entscheidungshilfe geben. Denn von Wowereit hängt es letztlich ab, ob das Tempodrom verkauft wird oder Pleite geht. Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) favorisiert dem Vernehmen nach die Insolvenz genauso wie die Chefhaushälter von SPD und PDS.

„Das Tempodrom für 3 Millionen Euro zu verkaufen heißt, es zu verschenken“, sagte die haushaltspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Iris Spranger, der taz. Dieses Gebot soll Dieter Böhm abgegeben haben, der im Tempodrom das Schwimmbad „Liquidrom“ betreibt. Die 3 Millionen stehen für Spranger in keinem Verhältnis zu den Baukosten von rund 30 Millionen Euro. „Man kann ernsthaft darüber nachdenken, ob man das Ding in die Insolvenz gehen lässt.“ Spranger sieht sich dabei in einem Boot mit ihrem PDS-Kollegen Carl Wechselberg. In der Finanzverwaltung will man sich offiziell nicht festlegen. Der Senat prüfe weiterhin alle möglichen Alternativen, sagt Sarrazin-Sprecher Matthias Kolbeck.

Vorteil einer Insolvenz wäre, dass sie das Land zumindest derzeit billiger kommt. Ein Insolvenzverwalter würde dann nach einem Käufer suchen. Nach dem 1999 novellierten Insolvenzrecht liefe der Betrieb vorerst unverändert weiter. Der Verkaufserlös ginge vorrangig an die Landesbank, die über ein Vorrecht gut eine Million gestundeter Kreditzinsen abgreifen könnte. In die Röhre schauten dann weitere Gläubiger: Handwerker, die Unternehmensberatung Steinbacher Treuhand, die das Tempodrom sanieren sollte, und der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg.

Der Verkaufserlös würde wenig dazu beitragen, jenen 12,8-Millionen-Euro-Kredit zu tilgen, den die Landesbank-Tochter Investitionsbank im Jahr 2000 gab. Das Land hatte damals für 80 Prozent dieser Summe gebürgt und müsste deshalb für gut 10 Millionen Euro aufkommen. „Die Bürgschaft wäre aber auch bei einem Verkauf fällig, weil der Käufer das Haus nur schuldenfrei übernehmen würde“, sagt SPD-Haushälterin Spranger.

Bei einem Verkauf aber müsste das Land sämtliche Forderungen erfüllen, unabhängig davon, wie viel Geld hereinkommt. Als weiterer Nachteil der bislang diskutierten Verkaufslösung gilt: Sie ist zu komplex, zu viele Parteien sind beteiligt.

Darüber hinaus gilt: Während bei einem Verkauf derzeitige Verträge in der Regel weiter bestehen, fallen solche Bindungen bei einer Insolvenz üblicherweise weg. Das heißt: Die Tempodrom-Gründer Irene Moessinger und Nobert Waehl wären raus. Genau das hat bereits am Montag Grünen-Haushälter Oliver Schruoffeneger gefordert. Für ihn hat das Tempodrom mit Moessinger und Co. keine Zukunft. STEFAN ALBERTI