: Eine Ära im Rathaus ist vorbei
betr.: „Bietmanns Fürbitte“, taz vom 21.7.2004
10 Jahre war die Kölner Menschenrechtlerin und Exil-Bürgerrechtlerin des unterdrückten Dersim, Sengül Senol, im Rat der Stadt Köln. Noch in den Ohren klingt die Häme der Grünen, als sie nicht bereit war, den Politikschwenk in Sachen Krieg mitzumachen. Frau Senol verzichtete auf Chancen. Die PDS war froh, eine prominente Migrantin als Stimmenbringer zu sich zu holen und stellte sie damals als Oberbürgermeister-Kandidatin auf. Aber die, die sie hätten wählen mögen, hatten noch nicht alle die Wahlrechte erworben.
Nun ist diese Ära vorbei. Eine Politikerin mit respektvollen Umgangsformen, ohne Arroganz und ohne Verächtlichmachung des politischen Gegners, geht von der Kölner Politikbühne. Ausgetauscht. So ist eben die Politik.
Da geht eine Haushalts- und Sozialpolitikerin, eine Bürgerrechtlerin, eine Menschenrechtlerin, eine Brückenbauerin zwischen vielen Kulturen: zwischen Kurden, Türken und Aleviten, zwischen Aleviten und Derwisch-Dersimanern, zwischen Dersim und Köln, zwischen Köln und Tunceli [...], zwischen einer Welt der Statistiken und Bürokraten einerseits und der Welt der empathischen und sozialen Kompetenz.
Sie hat nach meiner langjährigen Beobachtung etwas erreicht, was keine politische Partei bisher geschafft hat: Integrationsfähigkeit und Integrationsförderung auf achtenswertem Niveau. Die Zwischenrufe bei ihrer letzten Kölner Ratsrede (nur in dieser Sitzungsperiode?) waren weit weg von den respektablen Dankesworten über die Parteigrenzen hinweg, die Sengül Senol sprach. Ein wichtiger Mensch fehlt mal wieder in der Kölner Politik.
BERNWARD BODEN, Köln
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