Agenda 2010 : Déjà-vu mit dem Off
Wir haben alles ausprobiert
Die Freiheit endet hier
Wir müssen jetzt
Durch diese Wand (Tokio Hotel)
Draußen ist es noch dunkel. Der Radiowecker kennt kein Erbarmen und dudelt den Nummer Eins-Schwachsinn übers Ende dieser Welt. Dann: Auf der A40 Dortmund Richtung Essen zwischen Gelsenkirchen... Mehr brauche ich nicht zu hören. Noch immer schläfrig, taumel ich kurze Zeit später in den überfüllten Regional-Express Richtung Düsseldorf. Ein freier Platz und ein freundliches Gesicht. Äh, „Guten Morgen, hallo“. Verdammt, die junge Frau gegenüber kennst du doch. Bloß woher? Oder doch nur ein Déjà-vu? Den Rest der Fahrt arbeitet das Gehirn, ohne eine Verbindung zwischen Erinnerung und Gesicht herstellen zu können. Es gibt jeden Menschen zweimal auf der Welt. Das hat die kommende RuhrTriennale-Chefin Marie Zimmermann gesagt, als wir überlegten, woher wir uns kennen, obwohl wir uns wahrscheinlich nie getroffen haben.
RuhrTriennale, Kulturhauptstadt. Da gab es erst vorgestern wieder ein Déjà-vu, dieses Gefühl, eine eigentlich neue Situation schon einmal so erlebt zu haben. Das Phänomen scheint gar nicht so selten zu sein. Kaum ist der Titel Europäische Kulturhauptstadt 2010 errungen, die dafür zuständige Betreibergesellschaft gegründet, die Leitungscrew benannt – da rumort es auch schon wieder in den wichtigen Heim-Ateliers, aufgeregt zittern die Seidenmalrahmen in diversen VHS-Kursen an Ruhr und Emscher. Das Zauberwort: Perspektiv-Werkstatt der Grünen. Forderndes Motto „Wir sind dabei“ – bei der Kulturhauptstadt. Mitten im heiligen Saal des Ruhrparlaments des Regionalverbandes (Genialer Ordner-O-Ton: „Bitte keine Bananen mit in den Raum nehmen“) mussten also Fritz Pleitgen und Oliver Scheytt eine Verteidigungslinie gegen das aufbauen, was sich so alles Off-Szene nennt. Deren einzige Sorge: „Wo gibt es Geld?“ und „Wie müssen die Anträge aussehen?“ Tolles Déjà-vu.
Denn die selben Fragen mochte nämlich bereits der erste Intendant der RuhrTriennale, Gerard Mortier, nicht beantworten, als er damals vor dem gleichen Tribunal mit den gleichen Akteuren stand. Eine neue Strategie der Szene gab es leider nicht. Viele waren auch nicht gekommen, andere wandten sich frühabends mit Schaudern ab. Doch die nächste Perspektiv-Werkstatt wird dennoch nicht lange auf sich warten lassen. Das nächste Déjà-vu leider auch nicht.
PETER ORTMANN