Manche Völker sind störrisch

betr.: „Gott Hugo und der große Satan“ (Venezuela), taz vom 16. 12. 02

Das Schlimme ist, auch wenn Chávez mit der Aussage nur lächerlich gemacht werden soll, dass er Recht hat. Es geht um Leben und Tod, weil, wie Herr Malcher richtig bemerkt, die USA ihn weghaben wollen. Was mit Staatschefs passiert, die die USA weghaben wollen oder Völkern, die die falschen Führer wählen, dafür bietet die Geschichte Lateinamerikas (und nicht nur die) über Chile, Nicaragua, Panama etc. viele blutige Beispiele. Da ist Chávez ganz realistisch, dass die USA auf seine physische Eliminierung aus sind. Sechs Wahlen hat er nun innerhalb vier Jahren mit großer Mehrheit gewonnen. Jetzt soll ein siebtes Mal gewählt werden, bis endlich die Venezolaner richtig wählen. Manche Völker sind auch wirklich störrisch.

Aber eigentlich müsste es dem Letzten klar werden, dass es der Opposition nicht um Wahlen geht, sonst könnte sie die paar Monate bis August noch warten, bis die Verfassung Wahlen sowieso vorsieht. Die Herrschaften wollen ihre Pfründen zurück. 40 Jahre haben die beiden Parteien AD und Copei Venezuela regiert. Die Deviseneinnahmen, die Venezuela in diesen 40 Jahren eingenommen hat, entsprechen 15 Marshallplänen. Mit einem Marshallplan wurde Europa nach dem Krieg wieder aufgebaut. 15 Marshallpläne in Venezuela hatten nur den Effekt, dass 70 Prozent der Bevölkerung in Armut leben und sich eine kleine Schicht das ganze Geld unter den Nagel gerissen hat.

Jetzt versucht man einen neuen Umsturz, es geht nicht um einen Regierungswechsel. Bei der Generalprobe am 11. April haben wir schon gesehen, was dabei herauskommen soll. Das Erste, was der selbst ernannte Präsident Carmona machte, war, die Verfassung außer Kraft zu setzen. In den sich daran anschließenden Stunden von Faschismus pur rannten die gewählten Minister und Volksvertreter um ihr Leben, und die Angestellten der kubanischen Botschaft fürchteten, dass einer der vielen Molotowcocktails die Botschaft in Brand setzen und sie von den neuen Herren gelyncht würden. Die US-Regierung ermutigt diejenigen, die vorhaben, die Regierung zu stürzen (wie damals in Chile) und diese wissen genau, dass die USA alles tun werden, um auch eine daraus resultierende Diktatur zu unterstützen. Weder das Weiße Haus noch das State Department haben nämlich einer illegalen Regierung irgendwelche wirtschaftlichen oder diplomatischen Sanktionen angekündigt.

Damals in Chile rief der von den USA gesponserte Putsch und das anschließende Blutbad noch Empörung hervor. Heute findet man alles völlig normal. Wahrscheinlich heißt es dann später die Ermordeten seien selber schuld. RENATE FAUSTEN, Duisburg