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Archiv-Artikel

Die Abschlagsteuer taugt nicht

Attac: Der Staat verliert künftig 3,4 Milliarden Euro pro Jahr durch die neue Abgabe

BERLIN taz ■ Die von der Regierung geplante Abgeltungssteuer auf Zinsgewinne bringt dem Staat auf Dauer Verluste. Das befürchten die Gewerkschaften Ver.di und IG Metall sowie das globalisierungskritische Netzwerk Attac. Der rot-grünen Koalition droht damit ein ähnliches Fiasko wie nach der Steuerreform, als Milliardenbeträge an Körperschafts- und Gewerbesteuer ausfielen.

Dem liegen Berechnungen des Bremer Wirtschaftsprofessors Jörg Huffschmid zugrunde. Deren Ergebnis: Die neue Abgabe, mit der Steuerflüchtlinge straffrei nach Deutschland zurückgelockt werden sollen, führt einmalig zu Mehreinnahmen von 25 Milliarden Euro. Auch das allerdings nur unter der „sehr kühnen“ Annahme, dass Finanzminister Eichel Recht behält und tatsächlich 100 Milliarden Euro aus dem Ausland nach Deutschland zurückkehren.

Langfristig kommt es hingegen Huffschmid zufolge „zu einem regelmäßigen Ausfall von fast 3,4 Milliarden Euro“. Bisher nämlich werden Zinserträge mit dem Satz der Einkommensteuer belastet. Weil der größte Teil dieser Steuer von Besserverdienern entrichtet werde, liege der Satz im Durchschnitt „nicht unter 40 Prozent“, so Huffschmid. Die Regierung allerdings geht hier nur von etwa 35 Prozent aus.

Der Satz für die neue Abgeltungssteuer läge hingegen nur bei 25 Prozent und damit um fast 40 Prozent unter dem jetzigen Durchschnitt. Pro Jahr entgingen dem Staat deshalb rund 4,5 Milliarden Euro. Dem stünden nur etwas mehr als 1 Millarde Euro entgegen, die sich aus der laufenden Besteuerung der Zinsen aus dem Rückkehrerkapital ergeben: Nach Abzug der 25 Milliarden, die die reuigen Sünder als einmaligen Ablass für das Gesamtkapital zahlen müssen, würde nur noch der Zinsgewinn der restlichen 75 Milliarden Euro versteuert. Huffschmid geht von 6 Prozent Zinsen aus und kommt auf 4,5 Milliarden, von denen der Fiskus die 25 Prozent Abschlagsteuer erhebt.

Die Regierung sieht das anders: Der größte Teil dieser Steuern werde zur Zeit gar nicht deklariert, hält Eichel gegen solche Argumente. Man dürfe seine Vorschläge nicht einem „Idealtyp“ entgegenstellen, wenn der in der Praxis nicht funktioniert. Für Huffschmid ist es Eichel, der sich von der Wirklichkeit entfernt hat. „Realistisch gesehen“ komme wahrscheinlich gar kein Kapital nach Deutschland zurück. „Dann fehlen dem Staat sogar 4,5 Milliarden Euro pro Jahr“, so der Professor und wissenschaftliche Beirat von Attac. Das fürchtet auch Attac-Sprecher Sven Giegold: „Warum sollten die Leute zurückkommen und ohne Not ein Viertel ihres Geldes versteuern?“

Nicht nur deshalb lehnen Attac und die Gewerkschaften die neue Steuer ab. Mindestens genauso schwer wiegt das Argument der Gerechtigkeit: Ver.di kritisiert eine „drastische Steuersenkung für besser Verdienende“. Umgekehrt zahlt, wer ein geringes Einkommen hat, bisher weniger als 25 Prozent Steuern auf seine Zinsgewinne. „Für diese Leute bedeuten Eichels Pläne eine Steuererhöhung.“

Ver.di, die IG Metall und Attac fordern daher, als Alternative eine bundesweite Vermögensteuer einzuführen. Die sei sozial gerechter, weil sie die Reicheren treffe. Und sie verspricht laut Huffschmid „16 Milliarden Euro Mehreinnahmen statt 4,5 Milliarden Euro Mindereinnahmen“.

KATHARINA KOUFEN