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Archiv-Artikel

Streitbarer NSU-Aktenwühler

Sonst im Hintergrund, nun attackiert er Zschäpes Anwälte

Zuletzt kannte man Bernd von Heintschel-Heinegg nur als stillen Aktenwühler. Wenn überhaupt. Für den NSU-Untersuchungsausschuss im Bundestag sichtete der frühere Richter 3.600 Aktenordner, bereiste Verfassungsschutzämter – und belieferte die Abgeordneten mit allen relevanten Dokumenten. Aktuell macht er diesen Job für die NSU-Ausschüsse in NRW, Hessen und Baden-Württemberg. Als „Fährtensucher im Dokumentendickicht“ beschrieb sich der 70-jährige Bayer einmal selbst.

Nun wagt sich der Fährtensucher in die Offensiveund attackiert die Anwälte von Beate Zschäpe im Münchner NSU-Prozess. Bisher „vermag ich eine aktive Verteidigung nicht zu erkennen“, schreibt von Heintschel-Heinegg auf einem Rechtsblog. Die Anwälte bemerkten offenbar nicht, „in welche Richtung die Beweisaufnahme läuft“. Richtung Höchststrafe nämlich. Auch sei irritierend, dass die Anwälte – trotz wiederholtem Misstrauensantrag Zschäpes – an ihrem Mandat „kleben“. Hätten Verteidiger doch eine „Beistandsfunktion“, die auch heißen könne, dass man sich nicht gegen solche Vorwürfe wehrt – sondern „seine Entbindung beantragt“.

Das sitzt. In Rechtskreisen wird der Beitrag eifrig diskutiert. Denn von Heintschel-Heinegg kennt sich nicht nur in der NSU-Materie aus – er war auch Vorgänger von Manfred Götzl am Münchner Oberlandesgerichts. Der ist heute Vorsitzender Richter im NSU-Prozess. Von einer „derben Frechheit“, twitterte prompt Zschäpe-Verteidiger Wolfgang Stahl.

Er habe nur auf ein rechtlich „nicht ausdiskutiertes“ Problem hinweisen wollen, verteidigt sich von Heintschel-Heinegg. Er jedenfalls würde seine Person zurückstellen, wenn ein Mandant „nicht restlos von meiner Verteidigung überzeugt“ sei.

Seit 2010, seinem 65. Lebensjahr, ist von Heintschel-Heinegg „nur noch“ Rechtsanwalt und Honorarprofessor an der Universität Regensburg. Mit Neonazi-Großprozessen kennt er sich aus – auch mit klaren Worten. Als oberster Richter in München verurteilte er 2005 Martin Wiese zu sieben Jahren Haft, für dessen Anschlagsplan auf das jüdische Zentrum in München. Er beließ es nicht dabei, sondern erklärte Wieses Gruppe auch zur „terroristischen Vereinigung“. Dies, so von Heintschell-Heinegg damals, auch als „Warnung“ an die rechte Szene. KONRAD LITSCHKO