: Soziale Ungleichheiten im Netz
DIGITALE MEDIEN Jedes dritte Kind zwischen drei und acht ist bereits im Internet unterwegs. Den Zugang haben alle, doch die Nutzung hängt vom Bildungsniveau der Eltern ab
MANUELA SCHWESIG, SPD
VON ERIK PETER
BERLIN taz | Die Zahl der Kinder, die ein Tablet bedienen, bevor sie einen Stift halten können, steigt. Schon jeder zehnte Dreijährige in Deutschland nutzt das Internet. Auch wer noch nicht lesen oder schreiben kann, kann über das Erkennen von Symbolen bereits in diesem frühen Alter Internetseiten aufrufen. In der Gruppe der Drei- bis Achtjährigen liegt die Quote derer, die regelmäßig online sind, bei einem Drittel. So lautet ein zentrales Ergebnis der Studie „Kinder in der digitalen Welt“ des von der Deutschen Post finanzierten Deutschen Instituts für Vertrauen und Sicherheit im Internet in Zusammenarbeit mit dem Sozialforschungsinstitut Sinus.
Die Frage, ob Kinder digitale Medien wie Computer, Smartphones oder Spielekonsolen nutzen sollten, stellt sich demnach nicht mehr. Quer durch alle Bildungsschichten verfügen heute fast alle Haushalte über einen Internetzugang. „Die Teilnahmechancen sind keine Frage der Hardware, sondern der Software, also dem Umgang mit den digitalen Medien“, sagte Familienministerin Manuela Schwesig (SPD) bei der Vorstellung der Untersuchung am Dienstag.
Schon die ersten Lebensjahre entscheiden darüber, wie sich Menschen später im Netz bewegen und welche Einstellungen zu Risiken und Chancen digitaler Medien sie entwickeln. Welche Kompetenzen die Kinder dabei an den Tag legen und erlernen, hängt jedoch wesentlich vom sozialen Herkunftsmilieu ab.
In den qualitativen Interviews mit Eltern, Erziehern und Kindern sowie einer Umfrage unter mehr als 1.800 Erziehungsberechtigten und 1.000 Sechs- bis Achtjährigen zeigte sich, dass Kinder von Eltern mit einem hohen Bildungsgrad neben Unterhaltungsspielen auch ein vermehrtes Interesse an Lernspielen und einem insgesamt breiteren Onlineangebot haben. „Wir fürchten, dass die Schere noch weiter auseinandergehen könnte, wenn sich soziale Ungleichheiten im Netz reproduzieren“, sagte die stellvertretende Institutsdirektorin Joanna Schmölz zu diesem Ergebnis. Der Traum, dass die Digitalisierung zu mehr Chancengleichheit führe, sei ein Mythos, der nicht aufrechtzuerhalten sei, heißt es in der Studie.
Dass die Nutzung digitaler Medien große Chancen bietet, ist den meisten Eltern bewusst. Dennoch überwiegt bei der Mehrheit der Befragten die Sorge vor möglichen Risiken der Internetnutzung. Schon früh lernen viele Kinder, das Netz sei „gefährlich“. Bis zu zwei Drittel der Eltern verbieten ihren Kindern daher, ins Internet zu gehen – häufig ohne Erfolg. Auch Schwesig verwies auf Risiken in Form von wie Cybermobbing und sexueller Belästigung.
Die Kinder vor solchen Gefahren, etwa auch dem leichtfertigen Umgang mit den eigenen Daten, zu schützen, sei in erster Linie Aufgabe der Eltern, betonte Schwesig. Die Politik könne nur unterstützen. Sie verwies auf bestehende kindgerechte Angebote wie eine spezielle Internet-Startseite oder die vom Ministerium geförderte Suchmaschine blindekuh.de; über diese lassen sich auch Kinder-Filter für den Internet-Browser installieren.
Auf die Schulen ist dagegen kein Verlass: Nur ein Fünftel der Kinder im untersuchten Altersbereich arbeitet dort regelmäßig mit digitalen Medien. Dem gegenüber steht eine deutliche Mehrheit der Eltern, die sagen, dass etwa Lernspiele oder Internetvideos die Lust am Lernen und das Verstehen steigern. Auch Computerspiele können dazu beitragen, Konzentrations- und motorische Fähigkeiten zu steigern. Den Stift ersetzen sollten die Computer und Konsole dagegen nicht. „Zu einer guten Bildung gehört, dass Kinder die Schreibschrift und den Umgang mit digitalen Medien beherrschen“, sagte Schwesig.
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