Genossenschaft versus Atomkonzern

ENERGIE Was passiert mit der insolventen Firma Prokon? Die 75.000 Anleger können am 2. Juli darüber entscheiden – doch wenn sie die Genossenschaft wollen, müssen sie vorher den Weg dafür ebnen

FREIBURG taz | Die Entscheidung steht unmittelbar bevor: Gelingt es, das insolvente Windkraftunternehmen Prokon in eine Genossenschaft zu überführen? Damit entstünde die größte Genossenschaft Deutschlands im Sektor der erneuerbaren Energien. Gelingt das nicht, fällt das Unternehmen entweder in die Hände des Energiekonzerns EnBW, oder es wird zerschlagen.

Für den 2. Juli sind die 75.000 Anleger, die 1,44 Milliarden Euro in das Unternehmen investiert hatten, zur Entscheidung nach Hamburg geladen. Auf der dortigen Gläubigerversammlung wird der Insolvenzverwalter Dietmar Penzlin mit zwei ausgearbeiteten Insolvenzplänen anreisen – was ungewöhnlich ist. Zuerst wird er über den Genossenschaftsplan abstimmen lassen, und nur wenn dieser keine Mehrheit findet, wird anschließend das Angebot der EnBW aufgerufen. Fällt auch dieses Modell durch, wird Prokon zerschlagen.

Nach dem Genossenschaftsplan sollen die Investoren 34,5 Prozent ihres investierten Kapitals in Form von Anleihen erhalten. Diese haben einen festen Zins von 3,5 Prozent und werden ab Mitte 2017 schrittweise zurückgezahlt. Für weitere 24,4 Prozent ihrer Einlage erhalten die Investoren wahlweise Genossenschaftsanteile, oder sie können sich aus den Verkaufserlösen unwirtschaftlicher Unternehmenssparten – speziell sind dies Anteile aus der Holzwirtschaft – auszahlen lassen.

In der Summe ergibt sich bei dem Genossenschaftsmodell eine Quote von 58,9 Prozent der Einlage. Dieses Geld steckt vor allem in 54 Windparks mit einer Leistung von 537 Megawatt. Gut 40 Prozent des Anlegerkapitals jedoch hatte das Unternehmen unter dem vor die Tür gesetzten Gründer und langjährigen Chef Carsten Rodbertus in den vergangenen Jahren verbraten.

Der Investorenplan der EnBW sieht unterdessen für die Anleger eine Barauszahlung in Höhe von 34,1 Prozent der Einlage vor sowie eine Abgeltung aus dem Verkauf von Unternehmensteilen in Höhe von 18,1 Prozent, was in der Summe eine etwas niedrigere Quote von 52,2 Prozent ergibt. Die EnBW hatte kürzlich mit einem offenen Brief, der in Zeitungen und Magazinen erschien, den Kontakt zu den Gläubigern gesucht. Prokon und die EnBW könnten, so schrieb EnBW-Chef Frank Mastiaux, „in Deutschland zu einem führenden Marktteilnehmer im Bereich Windkraft werden“ – dies dann allerdings ohne die bisherigen Investoren.

Zahlreiche Fürsprecher werben nun für das Genossenschaftsmodell, vor allem der Verein „Die Freunde von Prokon“. Sie sehen den Wert des Unternehmens auch dadurch bestätigt, dass EnBW 550 Millionen Euro lockermachen will. Auch die sozial-ökologische GLS Bank spricht sich für die Umwandlung von Prokon in eine Energiegenossenschaft aus. Dadurch würden „die engagierten Kapitalgeber zu stimmberechtigten Eigentümern“, sagt Vorstandssprecher Thomas Jorberg.

Allerdings sind noch zwei Hürden zu überwinden, ehe am 2. Juli über das Genossenschaftsmodell wirklich abgestimmt werden kann. Die erste Hürde besteht darin, dass bis zum 26. Juni die Anleger von mindestens 45 Prozent des investierten Kapitals, also rund 660 Millionen Euro an Nennwert, einer Wandlung von Genussrechtsforderungen in Genossenschaftskapital gegenüber dem Insolvenzverwalter zustimmen müssen.

Und die zweite Hürde betrifft das Eigenkapital der Genossenschaft, das durch verbindliche Einlagen in Höhe von mindestens 161 Millionen Euro gesichert sein muss. Denn nur mit einer solchen soliden Kapitalausstattung wird der Genossenschaftsverband der Genossenschaftsgründung endgültig zustimmen. Und dies wiederum ist Voraussetzung dafür, dass das Modell den Gläubigern zur Abstimmung gestellt wird – weshalb die „Freunde von Prokon“ derzeit durchs Land touren, um die Investoren für dieses Konzept zu gewinnen. BERNWARD JANZING