: Alles ehrliche Arbeit beim HSV
AUFBÄUMEN Das Team spielt gegen Augsburg wie verwandelt, aber von Zauberei will Labbadia nichts wissen
„Ich bin kein Zauberer“, sagte Trainer Bruno Labbadia nach dem 3:2-Sieg seines HSV gegen den FC Augsburg. Er hatte das schon öfter gesagt in den elf Tagen seit seinem Amtsantritt. Er weiß ja noch aus seinem ersten Engagement in Hamburg vor fünf Jahren, dass die Erwartungen dort leicht in den Himmel wachsen. Aber nach diesem Spiel schien es nochmal einer Bekräftigung zu bedürfen. Denn die Mannschaft des HSV erschien tatsächlich wie verwandelt.
Pierre-Michel Lasogga etwa meldete sich nach einem torlosen halben Jahr mit zwei Treffern zurück: Er köpfte wuchtig das 2:0 für den HSV und nur 70 Sekunden, nachdem den Augsburgern der verdiente Ausgleich gelungen war, knallte er den Ball aus spitzem Winkel unter die Latte. Wer gesehen hatte, wie Lasogga sich monatelang nur über den Platz geschleppt hatte, musste sich verwundert die Augen reiben. Mitten im Abstiegskampf hat der Stürmer zu jener urgewaltigen Präsenz zurückgefunden, wegen derer der HSV am Saisonbeginn zehn Millionen Euro an Hertha BSC überwiesen hatte.
Gefragt, wie er das geschafft habe, sagte Labbadia: „Das hat Pierre-Michel zunächst mal selbst geschafft.“ Die Physiotherapeuten hätten ihren Teil beigetragen. „Und die Mitspieler füttern ihn. Deshalb ist das heute vor allem ein Erfolg des Teams.“ Auch so eine Neuheit im HSV-Spiel: Die riesigen Lücken, die zwischen Abwehr und Angriff klafften, sind kleiner geworden. Ab und an kommt tatsächlich mal ein brauchbarer Pass in die Spitze.
Das liegt vor allem an einem Spieler, den man in dieser Saison selten in der Startelf gesehen hatte: Gojko Kačar, hoch talentierter Stratege, der das Kunststück vollbracht hat, schon von mehreren HSV-Trainern aussortiert worden zu sein. Thorsten Fink hatte ihn zum Training der zweiten Mannschaft verbannt, zwischenzeitlich wurde er nach Japan verliehen. Zum Saisonende soll er den HSV verlassen.
Dieser Kačar lenkte nun das HSV-Spiel aus dem defensiven Mittelfeld heraus und hatte Geistesblitze, wie man sie beim HSV lange vermisst hat. Nun könnte man sagen: In diesem Fall wurde Labbadia zu seinem Glück gezwungen, weil Lewis Holtby und Valon Behrami gesperrt waren, Marcelo Díaz noch nicht wieder fit ist. Aber im Abstiegskampf auf einen Künstler wie Kačar mit wenig Spielpraxis zu vertrauen und nicht auf den rustikaleren Petr Jiraček, wie viele spekuliert hatten – dazu gehört viel Mut.
Arbeiten muss Labbadia nun vor allem am Defensivverhalten. Wie seine Elf Raúl Bobadilla vor dem 0:1 beim Freistoß frei stehen ließ, war fahrlässig. „Nach dem Gegentor haben wir etwas gewackelt“, stellte der Trainer fest. „Aber wir sind wieder aufgestanden.“ Damit hatte er schon die wichtigste Neuerung seiner jungen Amtszeit ausgesprochen: Die Mannschaft kann offenbar neuerdings mit Rückschlägen umgehen.
Diese Qualität wird sie in den nächsten Wochen brauchen: Auch wenn durch den Erfolg der Sprung vom letzten auf den Relegationsplatz 16 gelungen ist – es geht in den letzten vier Spielen unter anderem noch gegen die direkten Konkurrenten Stuttgart und Freiburg. „Die Hoffnung, den Glauben hat sich die Mannschaft heute selbst wieder erarbeitet“, meint Labbadia. Mit Zauberei jedenfalls, das war damit auch gesagt, hatte das nichts zu tun. JAN KAHLCKE