PRESS-SCHLAG : Anlauf, Schuss und großes Elend
ELFER Auch wenn Hakan Calhanoglu Glück im Pech hatte, Strafstöße bleiben eine scheußliche Angelegenheit und grob ungerecht. Sollen Computer entscheiden?
Nein, es wird Hakan Calhanoglu nicht trösten, dass sein Kontrahent, der Kölner Keeper Timo Horn, sich streng genommen zu früh bewegt hatte und der Strafstoß eigentlich hätte wiederholt werden müssen – genauso wenig wie die Tatsache, dass rein statistisch in dieser Saison jeder fünfeinhalbte Elfer (von 66 wurden 54 verwandelt) nicht zu einem Treffer führte und an diesem Samstag halt er einer der Unglücklichen war, die es nicht geschafft hatten, ins Tor zu treffen.
Neben einer Strafe, die immer dann ausgesprochen wird, wenn einer Mannschaft im eigenen Strafraum ein Regelverstoß unterläuft, der anderswo auf dem Spielfeld zu einem direkten Freistoß führen würde, ist ein Elfmeter eine der fiesesten Ungerechtigkeiten, die es im Fußball gibt. Abgesehen davon, dass der entscheidende Schiedsrichter-Pfiff sowieso immer unterbleibt, wenn ein Spieler der eigenen Lieblingsmannschaft vor dem Tor hinterrücks voller Tücke umgesenst wird, während die gegnerischen Stürmer bloß ein bisschen aufgrund einer Unebenheit im Rasen ins Stolpern geraten müssen, damit der Referee prompt auf den Punkt zeigt – ein Elfmeter ist zumindest für die Mannschaft, der einer zugesprochen wird, scheußlicher Stress. Der Schütze muss gleichzeitig überlegen, wohin er zielen will und dazu zuversichtlich und selbstbewusst aussehen, und jeder Fan im Stadion muss abwägen, ob er hingucken (bringt aber vielleicht Unglück) oder nicht hingucken (bringt allerdings vielleicht auch Unglück) möchte. Dem Keeper, also dem Vertreter der bestraften Mannschaft, kann dagegen nicht mehr passieren als halt den Ball nicht zu fangen oder abzuklatschen, was ihm aber niemand weiter übel nehmen würde – oder zum großen Helden des Spieltags zu werden.
Auch wenn im vorliegenden Fall Calhanoglu Glück hatte und sein Pech keinerlei wichtige Konsequenzen für Leverkusen hat, bleibt diese Elfmeterschießerei eine zutiefst unwürdige Sache. Denn entweder hatte ein gefoulter Spieler objektiv betrachtet eine gute Chance, einen Treffer zu erzielen oder er hatte keine – alle gleichermaßen mit einem reglementierten Torschuss für Regelwidrigkeiten zu entschädigen, ist neben einseitig stressig dazu auch noch grob ungerecht. Vielleicht wäre die bessere Lösung, Computer mit der Strafzumessung zu beauftragen, die dann in Millisekunden alle verfügbaren Daten – hat aus diesem Winkel heraus überhaupt schon jemals jemand ein Tor erzielt, wäre der Gefoulte nicht erfahrungsgemäß sowieso beim nächsten Schritt vor Erschöpfung hingefallen – auswerten und entscheiden, ob überhaupt eine nennenswerte Chance bestanden hätte.
Leider ist der Plan noch nicht ganz fehlerfrei, denn natürlich müsste man bei Computern sehr aufpassen, dass sie nicht von ausgewiesenen Hassern des eigenen Lieblingsvereins programmiert wurden, damit man nicht stöhnen muss „oje, heute rechnet bei uns das Modell X12, da werden wir wieder verlieren“. ELKE WITTICH