: Die Natur packt ein
Verpackungen aus Biomasse wie Roggen, Weizen, Rüben oder Kartoffeln lösen das Abfallproblem wie von selbst. Spätestens auf dem Kompost zersetzen sie sich in ihre organischen Ausgangsstoffe
Friedrich Priehs ist kein Schaumschläger. Dennoch ist Schaum sein berufliches Elixier, genauer gesagt: Papierschaum, den er zu Füllchips verarbeitet und damit als umweltfreundliche Alternative dem Styropor Paroli bietet. Das luftige Verpackungsmaterial ist biologisch abbaubar und wandert entweder direkt auf den Kompost oder zusammen mit dem Karton in den Altpapiercontainer. Dabei sind die Rohstoffe, aus dem seine patentgeschützten „Flupis“ bestehen, klimaneutral. Statt aus Erdöl gewonnen wachsen sie im Wald und auf dem Acker heran: Cellulose aus Altpapier, Stärke aus Getreide.
„Unsere Produkte müssen sich allerdings rechnen und dem Wettbewerb stellen“, hält der Chef der mittelständischen PSP Papierschaum in Achim an der Weser wenig von Subventionen. Er scheut nicht den Preisvergleich mit Kunststoff-Polymeren. Ganz im Gegenteil, liegt Priehs doch mit seinen Füllstoffen und bald auch mit Formteilen „deutlich unter den Preisen der Konkurrenz“. Am liebsten spricht der 55-Jährige aber über die technischen Vorteile seines Produkts, dessen Rezeptur er im Lizenzverfahren auch ins Ausland verkauft. „Flupis“ verbrauchen weniger Volumen als vergleichbare Produkte aus der Petrochemie und verursachen durch eine bessere Oberflächenfixierung keinen „Treibsandeffekt“; ein negativer Effekt, der sich bei längeren Transporten einstellt, wenn sich die Füllung durch Vibrationen in eine Ecke bewegt und der Ware nicht mehr ausreichend Schutz bietet.
Trotz aller Attribute – umweltfreundlich, preiswert, technisch vorteilhaft – ist die Vermarktung des Papierschaums ein zähes Geschäft. Der Handel tut sich schwer damit, neue Verpackungen zu etablieren, zumal die Verpackung maximal 5 Prozent des Preises eines Produkts im Geschäft darstellt. Überdies sind die meisten Produzenten Lizenznehmer des Dualen Systems Deutschland (DSD) und haben daher kein großes Interesse daran, Produkte aufzunehmen, die zwar biologisch abbaubar sind und ohne Grünen Punkt auskommen, aber keinen zusätzlichen wirtschaftlichen Nutzen einbringen. Kein Wunder also, dass sich der Lebensmitteleinzelhandel bisher eher passiv denn innovativ gegenüber den biologisch abbaubaren Verpackungen verhält. „Daher beliefern wir nicht die Einzelhandelsketten, sondern den Verpackungsgroßhandel“, erklärt Priehs.
So umweltfreundlich die biologisch abbaubaren Verpackungen auch sind, so wenig hat sich diese Produktgruppe in der Verpackungsindustrie im größeren Stil etabliert. „In Holland und England passiert auf diesem Gebiet viel mehr als bei uns. Die englische Supermarktkette Sainsbury’s agiert mit der Parole, dass Biolebensmittel auch mit einer Bioverpackung umhüllt sein sollen“, verweist Harald Käb vom Interessenverband der Biologisch Abbaubaren Werkstoffe (IBAW) auf das Ausland. Mit Blick auf den einheimischen Markt graut es dem Lobbyisten. „Nirgendwo in Europa ist der Wettbewerb so hart wie in Deutschland. Bei uns wird kein einziger Cent mehr für Verpackungen ausgegeben, obwohl alle Ketten diverse Projekte schon in der Warteschleife haben.“ Nur wenn es gelänge, das deutsche Verordnungsdickicht zu lichten, sei auch der Handel für biologisch abbaubare Verpackungen zu gewinnen, so Käb.
Dabei sieht Thomas Turk, Ingenieur der Witzenhausener IGW Ingenieurgemeinschaft, in den biogenen Verpackungen auch einen neuen Impuls für die „Kreislaufwirtschaft“. Bedeutet dies doch die vorrangige Rückführung von geeigneten Stoffen in das System und an den Ort ihres Entstehens, also auf den Acker. So wäre aus seiner Sicht eine neue Kooperation zwischen Landwirtschaft und Abfallbranche möglich, die mit den Verpackungen aus Kartoffeln, Mais oder Futterweizen eine strenge Kreislaufführung etablieren könnten, die eine Akkumulation von flächenfremden Schadstoffen klein hält.
Dabei scheint der Konsument dem Abfall aus nachwachsenden Rohstoffen durchaus aufgeschlossen zu sein. So hat der Verbraucher beim Modellprojekt in Kassel, wo biogener Abfall extra markiert in die Biotonne wanderte, diese ohne Murren akzeptiert. Lediglich die Fehlwürfe bereiteten den Entsorgungsunternehmen Sorgen, wenn nämlich statt abbaubarer Materialien plötzlich Metall oder andere Dinge in der Biotonne landeten.
Auch die Rockfans auf dem alljährlichen Kultfestival im dänischen Roskilde verzehren ihre Snacks, ob nun Bratwürste, Pommes oder Salate, von Tellern aus Stärke. Diese stammt bis zu 65 Prozent aus Roggenmehl. Geliefert werden diese „kompostierbaren Plaste“ von der Thüringer Firma Compopure, die das Herstellungsverfahren für die Stärkeformkörper mitentwickelt hat. „Wir verarbeiten hierfür ein Granulat, das im Spritzgussverfahren – ähnlich einem Waffeleisen – gepresst wird“, erklärt Mitarbeiterin Bärbel Ostermann.
Allerdings sind die Produkte der innovativen Firma aus Artern im Vergleich zu herkömmlichen Catering-Gefäßen immer noch doppelt so teuer. So muss der zusätzliche Nutzen, problemlose Entsorgung und Imagegewinn, den Preisnachteil wieder wettmachen. Besonders im Gartenbau räumen sich die Thüringer große Marktchancen ein: Rasterbänder und Pflanzenclips müssen im Treibhaus nicht mehr mühsam aufgelesen werden, sondern fallen zu Boden und zersetzen sich innerhalb kurzer Zeit. Probleme, die sich von selbst auflösen. DIERK JENSEN