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Archiv-Artikel

Konzepte gegen soziale Spaltung

Trotz des Wirtschaftsbooms klafft die Schere zwischen Arm und Reich in Hamburg immer weiter auseinander. Die Parteien bieten gegen diesen Missstand höchst unterschiedliche Konzepte an

DER WAHLKAMPF

Zentralen Themen des diesjährigen Hamburger Bürgerschafts-Wahlkampfs widmet sich unsere heute startende Serie, die zunächst Visionen zur Armutsbekämpfung in Blick nehmen wird. In den nächsten Tagen folgen Analysen zum Profil der rechten Parteien sowie Texte zur Innen-, Bildungs- und Familienpolitik sowie Auseinandersetzungen mit den Ideen von Anarchisten, Klein- und Spaßparteien zu verschiedenen Themen.  taz

VON MARCO CARINI

Soziale Spaltung, Kinderarmut und Langzeitarbeitslosigkeit heißen die Themen, die die Wahlkampf-Diskussion um die Sozialpolitik bestimmen. Die Rezepte der Parteien sind dabei denkbar verschieden, selbst die Analysen der sozialen Struktur der Stadt driften weit auseinander.

Das Rezept der CDU ist dabei denkbar schlicht: „Die beste Sozialpolitik sind neue Arbeitsplätze“, heißt es in ihrem Regierungsprogramm. Boomen die Unternehmen und wachsen die Steuereinnahmen, gibt es genug zu verteilen. In der Rezession dagegen ist kein Geld für soziale Wohltaten vorhanden. Sozialpolitik wird so zum Wurmfortsatz von Wirtschaftsförderung. So bucht die CDU den Rückgang der Arbeitslosigkeit in Hamburg auf ihr Konto und setzt darauf, auch in Zukunft neue Arbeitsplätze zu schaffen und den Wachstumsmotor Hafen weiter auszubauen.

Beharrlich betont Bürgermeister von Beust, dabei, dass die „sozial gespaltene Stadt“ nur eine „Erfindung der SPD“ und der Grünen sei. Mit dem Programm „Lebenswerte Stadt“ sollen 13 besonders arme Hamburger Quartiere gestützt und besonders Familien und Bildungseinrichtungen gefördert werden. Die Opposition aber verweist darauf, dass dieses Geld – zehn Millionen Euro pro Jahr – nicht ausreiche, längst nicht alle Problemstadtteile erfasst würden und zudem die CDU nur Teile des Geldes in die Armutsbekämpfung investiere, das sie nach ihrem Amtsantritt aus dem sozialen Bereich herausgezogen habe.

Noch stärker als die CDU setzt die FDP auf Wirtschaftspolitik zur Minderung sozialer Probleme. Ihr Wahlprogramm propagiert „die Eigenverantwortung und Mitverantwortung“ der Bürger für eine sozial intakte Struktur, die nur dann entstände, wenn „das Leben nicht von durch staatliche Transfers geprägt ist“. Als wichtigste sozialpolitische Initiativen nennt das Programm die „Einrichtung von Frühwarnsystemen zur Erkennung von Kinderverwahrlosung“ und die Verringerung auf Sozialhilfe angewiesener Familien durch eine Steuerreform.

SPD, GAL und die Linke setzen dagegen auf eine aktive Sozialpolitik und Stadtteilförderung, die sie in den Mittelpunkt ihrer Wahlkämpfe stellen. Auch wenn alle drei Parteien dass Füllhorn ausschütten wollen, um Armut und soziale Spaltung zu bekämpfen, sind Reichweite und Akzente ihrer Forderungen doch höchst unterschiedlich.

SPD-Spitzenkandidat Naumann sprach sich im Wahlkampf wiederholt für einen Mindestlohn von 7,50 Euro aus und kündigte an, den Allgemeinen Sozialen Dienst zu verstärken sowie die Schuldnerberatung finanziell besser zu fördern. Daneben plädiert er für eine mittelstandsorientierte Wirtschaftsförderung und die Rücknahme aller vom CDU-Senat verfügten Sozialkürzungen und Zusatzgebühren im Bildungsbereich.

Über die Finanzierung der versprochenen Wohltaten aber schweigt die SPD sich ebenso aus, wie über die Frage, wo denn gekürzt werden soll, um den dreistelligen Millionenbetrag, den diese Reformen verschlingen würden, zu mobilisieren.

Der Fokus der Grünen liegt auf einem Programm für sozial benachteiligte Stadtteile, das – anders als das Senatsprogramm – nicht zehn, sondern 100 Millionen Euro jährlich verschlingt. Die Hartz IV-Sätze sollen deutlich angehoben und deren Bezieher durch kostenlose Kinderbetreuung und die Wiedereinführung des HVV-Sozialtickets stärker unterstützt werden. Im Bereich der Arbeitsmarktpolitik plädiert die GAL für die Einführung eines nicht näher bezifferten Mindestlohns und eine aktive Arbeitsmarktpolitik, die statt auf Ein-Euro-Jobs auf gezielte Weiterbildung setzt.

Deutlich weiter reichen die Forderungen der Linkspartei, die auf einen Umbau des Sozialsystems hinauslaufen, der sich weitgehend der Hamburger Gesetzgebungskompetenz entzieht. Während SPD und Grüne nur Korrekturen an den von ihnen beschlossenen Hartz IV-Gesetzen planen, fordert die Linke deren komplette Abschaffung über eine Bundesratsinitiative. Kurzfristig steht eine deutliche Erhöhung der Regelsätze der unterschiedlichen Sozialleistungen bei der Linkspartei ebenso im Vordergrund wie staatliche Investitionsprogramme zur Schaffung neuer Arbeitsplätze und die flächendeckende Einführung eines Mindestlohns von zunächst acht Euro.

Finanzieren kann die Linke ihr milliardenteures Umverteilungsprogramm allerdings nicht aus Hamburger Bordmitteln. Die von ihr geforderte Steuerreform, die die Erhöhung der Erbschafts- und Grundsteuer sowie die Wiedereinführung der Vermögenssteuer und die Rücknahme der Unternehmenssteuerreform vorsieht, ist auf Landesebene nur in minimalem Maß umsetzbar.