: Applaus von der falschen Seite
Rund 600 Demonstranten protestieren am Sonntag gegen eine Wahlkampfveranstaltung der DVU. Tags zuvor waren 300 Menschen gegen einen NPD-Aufmarsch am 1.Mai auf die Straße gegangen. Gesamthafenbetriebsrat fordert Verbot
Öffentliche Räume beansprucht die DVU immer wieder, wie bereits im Wahlkampf 2007 in Bremen. Dabei lässt sie aber ungern Öffentlichkeit zu. Vor dem offiziellen Teil im CCH durften nur geladene Gäste den DVU- und NPD-Spitzen zuhören. Matthias Faust, DVU-Spitzenkandidat sagte: „Zeigen wir, wer Herr im eigenem Haus ist“ und erklärte: „Den Kampf führen wir gemeinsam mit NPD und Kameradschaften“. So versicherte NPD-Bundesvize Holger Apfel: „Deutschland muss wieder das Land der Deutschen werden, dafür stehen DVU und NPD“ und betonte, dieser Pakt habe über 2009 hinaus Bestand. AS
Von ANDREAS SPEIT und PETER MÜLLER
Eine Woche vor der Wahl in Hamburg stand gestern die Beteiligung des rechten Spektrums im Mittelpunkt: 600 Menschen demonstrierten vor dem Congress Centrum (CCH) gegen eine Wahlkampfkundgebung der „Deutschen Volksunion“ (DVU). Am Vortag hatten, angeführt von Hafenarbeitern, 300 Menschen aus dem gewerkschaftlich antifaschistischen Spektrum mit einem Marsch durch die Innenstadt protestiert.
Am Sonntag Mittag ist der Saal 6 im CCH voll. Rund 200 Mitglieder und Freunde der DVU warten auf die Rede des Bundesvorsitzenden Gerhard Frey. Kaum geht Frey zum Rednerpult, kommt Applaus auf. Rufe folgen sogleich: „Frey, Frey“ und immer wieder „Frey“. Leicht irritiert durch so lauten Zuspruch beginnt der Bundeschef über die „Politikerkaste“ zu schimpfen, wettert gegen „Korruption“ und „Missbrauch“. „Stimmt!“ „Jawohl“ rufen ungebetene Gäste – so oft und so vehement, dass Frey bei seine frei gehaltenen Rede ins Stocken gerät.
Langsam ahnen die DVU-Ordner im Saal: Der nachhaltige Applaus kommt nicht aus den eigenen Reihen. Ordner aus dem Spektrum der Kameradschaften und NPD versuchen eine Gruppe gleich an der Tür herauszudrängen. DVU-Leute beginnen in den Stuhlreihen „Störer“ anzugehen. Es fliegen Gegenstände, es wird geschubst und getreten.
Der DVU-Anwalt Gerhard Frey Junior und DVU-Spitzenkandidat Matthias Faust haben Mühe, ihre Ordner und Parteimitglieder zu bremsen. Sie gehen nun mit Gewalt vor. Einen lautstark rufenden Mann zerren sie vom Stuhl und werfen ihn hinaus. Die Gruppe an der Tür wird ebenfalls herausgedrängt. Mit dabei: Christian Worch, führender Aktivist aus den militanten Freien Kameradschaften. Nun erst führt Frey aus, dass er auf seinen Vater in der Wehrmacht stolz sei. Als der Ehrenredner Gerard Menuhin sprechen will, klopft es an den verhängten Scheiben des Saals im Erdgeschoss. Ein paar Gegendemonstranten sind trotz Polizeisperren bis dort gekommen. Der Sohn des bekannten Geigers warnt davor „nicht wählen zu gehen, ändert nichts“ und empfiehlt wieder einmal: „Wählen sie DVU“, um die „Gehirnwäsche“ zu beenden.
Das städtischen CCH war vom Oberverwaltungsgericht angewiesen worden, der DVU die Räume freizugeben, da auch andere Parteien CCH-Säle für Wahlkampfauftritte bekommen hatten. Auch das Argument, dass alle Säle bereits vom Senat für die Wahlkampfberichterstattung angemietet worden seien und Fernsehsender bereits ihre Ausrüstung installieren müssten, ließ das Gericht nicht gelten. Denn der Nachbarsaal war parallel für eine Puppenbörse vermietet worden.
Bereits am Samstag waren 300 Menschen von den Landungsbrücken durch die historische Speicherstadt zum Rathausmarkt gezogen. Der Protest richtet sich vor allem gegen den für den 1. Mai geplanten NPD-Aufmarsch im Stadtteil Barmbek, weswegen der DGB seine Mai-Kundgebung nach St. Pauli verlegen musste (taz berichtete). Der Gesamthafenbetriebsrat Mathias von Dombrowski forderte auf dem Rathaus ein Verbot dieses NPD-Aufmarsch am 1. Mai. Er sei eine „Verhöhnung“.
In ihrer Rede vor der Innenbehörde zeigte sich die Auschwitz-Überlebende Esther Bejarano erschrocken darüber, dass Neofaschisten wie die NPD wieder „Fuß fassen“ könnten und erinnerte an ihren letzten Auftritt im März 2004 in Hamburg. Damals musste sie ihre Rede in Barmbek bei einer Demonstration gegen einen NPD-Aufmarsch zur Wehrmachtsausstellung abbrechen, weil die Polizei den Lausprecherwagen der „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes“ (VVN) wegen angeblicher Flaschenwürfe mit Wasserwerfer unter Beschuss genommen hatte.
Inzwischen hat das Verwaltungsgericht den Polizeieinsatz für rechtwidrig erklärt. Videoaufnahmen der Polizei belegten nämlich, dass Wurfgeschosse erst als Reaktion auf den Wasserwerfereinsatz flogen. Zudem stellte sich heraus, dass der Einsatzleiter Peter Born bereits am Vortag den Befehl zum „niedrigschwelligen Wassereinsatz ohne Ankündigung“ gegeben hatte. Das sei wohl die neue Linie unter dem rechtspopulistischen Innensenator Ronald Schill gewesen, mutmaßte die VVN-Anwältin Britta Eder. „Unter rot-Grün herrschte für Wasserwerfereinsätze immer eine hohe Einsatzschwelle.“ Obwohl Bejarano Strafantrag wegen Nötigung gestellt hat, ist das Verfahren gegen Born eingestellt worden. Der Einsatzleiter habe womöglich eine „gefühlte putative Notlage“ der Einsatzkräfte geahnt, so die Staatsanwaltschaft. Eder: „Wir werden nun ein Klageerzwingungsverfahren vorm Oberlandesgericht beantragen.“