Musharrafs letzte Zuckungen

Nur mehr die USA halten den ehemaligen Militärdiktator in Pakistan an der Macht. Die Medien und Oppositionsparteien bereiten schon die Neuordnung der Politik vor

DELHI taz ■ In Pakistan kündigt sich ein Schlagabtausch zwischen der siegreichen Opposition und dem Regime von Präsident Pervez Musharraf an. Die Regierung gräbt zehn Jahre alte Korruptionsvorwürfe gegen den Kovorsitzenden der Pakistanischen Volkspartei (PPP) Asif Ali Zardari aus. Anwälte der Regierung ersuchten ein Gericht in der Schweiz, erneut gegen Zardari Anklage zu erheben. Er soll sich während der beiden Amtszeiten seiner Frau Benazir Bhutto an Staatsaufträgen bereichert und einen zweistelligen Millionen-Dollar-Betrag in die Schweiz geschafft haben.

Auch gegenüber den Medien, die sich immer deutlicher auf die Seite der Opposition geschlagen haben, zeigte die Regierung Härte. Am Freitagabend unterbrach die staatliche Aufsichtsbehörde für elektronische Medien (PEMRA) die Ausstrahlung des Privatsenders Aaj TV. In der Talkshow „Pakistan Bolta“ (Pakistan spricht) waren prominente Musharraf-Gegner zu Wort gekommen. Samstagmorgen wurde das Programm wieder ausgestrahlt, ging jedoch sofort wieder für den Rest des Tages vom Netz, als die Sendung wiederholt wurde. Laut Medienbehörde habe Musharraf den Auftritt seiner Gegner nicht gebilligt, sagte Programmdirektor Talat Hussain. Der Sender war bereits am 6. Februar nach einem Auftritt von Musharraf-Gegner Nusrat Javed vom Netz genommen worden. Dagegen demonstrierten Journalisten vor dem Presseclub der Hauptstadt. Programmdirektor Hussain rief seine Kollegen auf, sich nicht zu beugen und weiter unabhängig zu berichten.

Musharraf, der vor den Wahlen einen Rücktritt im Fall einer Niederlage seiner PML-Q angedeutet hatte, kann sich weiterhin der Unterstützung aus Washington sicher sein. In den vergangenen Tagen versuchten Vertreter der USA, die Anführer der Opposition zu einer Zusammenarbeit mit Musharraf zu überreden – offenbar ohne Erfolg. „Die USA haben eine falsche Entscheidung getroffen“, sagte Aitzaz Ahsan, einer der Köpfe der regimekritischen Anwaltsbewegung am Freitag in Lahore. Auch ihn hatte ein Vertreter der US-Botschaft aufgesucht. Die USA sollten Musharraf den Menschen in Pakistan „nicht aufzwingen“. Am Freitag stellte sich US-Außenministerin Condoleezza Rice demonstrativ hinter das Regime: „Der Präsident von Pakistan ist Pervez Musharraf, und daher werden wir mit ihm zusammenarbeiten.“ Die USA würden weiterhin „amerikanische Interessen verfolgen“. Diese seien ein „stabiles und demokratisches Pakistan“.

Ungeachtet dessen drohen immer mehr ehemalige Musharraf-Unterstützer, sich auf die Seite der Opposition zu schlagen. Ein Sprecher der PPP sagte am Sonntag, in der Partei werde intern eine Zusammenarbeit mit dem Muttahida Qaumi Movement (MQM) diskutiert. Die MQM, bis vor kurzem in einer Allianz mit der Musharraf-Unterstützerpartei PML-Q, ist vor allem in Karatschi im Süden Pakistans verankert und errang bei den Wahlen 19 von 272 Mandaten. „Die PPP möchte alle politischen Kräfte in die Regierungsbildung einbinden“, sagte PPP-Sprecher Farhatullah Babar der Nachrichtenagentur AFP. Sollte es zu einer Einigung mit der MQM kommen, wäre die Allianz aus PPP und Nawaz Sharifs Nawaz-Muslimliga (PML-N) ihrem Ziel ein ganzes Stück näher: Dann würden der kommenden Regierungskoalition nur noch wenige Abgeordnete für eine Zweidrittelmehrheit fehlen. Mit der könnte sie im Parlament ein Amtsenthebungsverfahren gegen Präsident Musharraf einleiten. SASCHA ZASTIRAL