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Archiv-Artikel

Aufruf gegen gewaltbereite Polizei

Im Vorfeld des Nazi-Aufmarsches am Samstag wenden sich Lübecker Parteien, Antifa-Gruppen und Kirchen an die Polizeiführung: Die Beamten sollen nicht wieder so aggressiv mit Gegendemonstranten umspringen wie letztes Mal

Lächelnd hält der Neonazi die Fahne hoch: Auf seiner Internetseite zeigt das rechtsextreme „Aktionsbüro Norddeutschland“ eine weiße Flagge mit dem Symbol der „Antifaschistischen Aktion“ – als Trophäe. Abgenommen worden war die Fahne den Antifa-Demonstranten allerdings von der Lübecker Polizei, und das am 8. März. „Ohne Nennung von Gründen“, sagt Imke Akkermann-Dorn, Pastorin der dortigen evangelisch-reformierten Gemeinde. Die beschlagnahmte Fahne sei dann den Nazis überlassen worden. Nicht der einzige Vorwurf, den die Pastorin sowie sieben weitere Unterzeichner jetzt in einem offenen Brief an den Direktor der Polizeidirektion Schleswig-Holstein-Süd, Heiko Hüttmann, machen.

An jenem Samstagvormittag richteten rund 40 Neonazis eine so genannte Mahnwache in der Lübecker Innenstadt aus, um der deutschen Opfer des britischen Bombenangriffs im März 1942 zu gedenken. Gegenüber den rund 300 Gegendemonstranten seien viele Polizeibeamte von Anfang an aggressiv aufgetreten, sagt Holger Wulf vom linken Projekt „Avanti“. Demnach wurden Diensthunde ohne Maulkorb eingesetzt. Nachdem ein Demonstrant in den Arm gebissen wurde, soll der Hundeführer „Jawohl!“ gesagt haben.

„Es gab keine körperlichen Angriffe auf die Polizei“, erklärt Akkermann-Dorn. Dafür berichtet Elisabeth Hartmann-Runge, Pastorin der Evangelisch-lutherischen Kirche: „Ich habe am eigenen Leib erfahren, wie die Polizei mit Fußtritten und einem massiven Einsatz von Pfefferspray gegen am Boden sitzende friedliche Gegendemonstranten vorging.“ Insbesondere die Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit (BFE) habe sehr aggressiv agiert.

Alle Unterzeichner des Briefes befürchten nun, dass die Polizeiführung erneut unverhältnismäßig reagieren könnte, wenn am Samstag erneut Neonazis und Gegendemonstranten in Lübeck aufeinander treffen: Da wollen NPD und Freie Kameradschaften nochmals die alliierten Angriffe vor 66 Jahren geißeln. „Geben Sie den Beamten die dienstliche Anweisung, sich deeskalativ zu verhalten“, heißt es in dem offenen Brief: „Setzen Sie Sondereinheiten wie das BFE, die offenbar grundsätzlich gewaltbereit sind, nicht ein.“

An die 3.000 Gegendemonstranten werden erwartet, ein Bündnis aus Kirchen, linken Gruppen, Grünen und Linkspartei kündigt „Aktionen des zivilen Ungehorsam“ an. ANDREAS SPEIT

Infos: www.wirkoennensiestoppen.de