: Zum Ärger der Rektoren
Niedersachsens Schulleiter reagieren vergrätzt auf die neue Kultusministerin Heister-Neumann. Auch an anderer Front hat sie Probleme: die Aufhebung des Gesamtschulverbots läuft nur schleppend
VON KAIJA KUTTER UND KAI SCHÖNEBERG
700 Rektoren gegen eine Ministerin: Elisabeth Heister-Neumann stolperte leicht, als sie am Donnerstag in Hannover das Podium bestieg. Es sollte ein schlechtes Omen für die frischgebackene niedersächsische CDU-Kultusministerin sein. Als „verlorene Zeit“, „keinen guten Einstand“, gar als „Unverschämtheit“ oder „voller Platitüden“ werteten einzelne Rektoren die Antrittsrede von Heister-Neumann vor dem Schulleitungsverband des Landes. Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) hatte seine Justizministerin nach der Wahl zur Chefin der Schulen gemacht, gleichzeitig ihren Vorgänger Bernd Busemann (CDU) auf ihren Posten im Justizministerium versetzt, um die durch die busemannschen Reformen vergrätzten Schulen zu befrieden. Dennoch wurde die Novizin mit Zischeln unterbrochen, „jetzt wird‘s Kabarett“, rief einer, der Beifall war spärlich. Kein Zweifel, die Rektoren sind auf der Zinne. Dabei kündigte die neue Ressortchefin mehr Lehrerstellen und „Ruhe und Zeit“ an, um die Reformen zu verdauen.
Vielleicht sei Heister-Neumann „als Neuling noch nicht so im Detail informiert“, sagte Verbandschefin Helga Akkermann später. Aber auch sie war „nicht zufrieden“ mit der Ministerinnen-Rede. „Bitte stoppen Sie die zunehmende Zermürbung der Schulleitungen“, hatte Akkermann gefordert. Die Reformen von der Abschaffung der Orientierungsstufe über die Einführung des Schul-TÜV bis hin zur eigenverantwortlichen Schule, „alles das mussten wir Schulleitungen organisieren“, klagte Akkermann – zum Nulltarif.
Freiwerdende Stellen seien zu lange unbesetzt und würden „wie Sauerbier“ angeboten, weil das Rektoren-Amt unattraktiv geworden sei. „Entscheiden Sie endlich, dass Schulleiter nicht mehr als zwei Unterrichtsstunden am Tag erteilen müssen“, forderte Akkermann. Immerhin: Lob fand die Verbandschefin für die geplante Schulleiterakademie, mit Applaus wurde die Ankündigung der Kultusministerin bedacht, den Verwaltungsaufwand einzudämmen.
Auch an einer weiteren Front zeichnet sich Unbill für Heister-Neumann ab: Die von Wulff im Wahlkampf angekündigte Aufhebung des Gründungsverbots von Gesamtschulen wird nur schleppend umgesetzt. Eigentlich sollte es schon zum Schuljahresbeginn neue Gesamtschulen geben, wenn vor Ort Bedarf da ist. Dies ist in den Schulkreisen Friesland, Hameln-Pyrmont und Schaumburg der Fall, wo Neugründungsinitiativen in den Startlöchern stehen. An der Integrierten Gesamtschule (IGS) Schaumburg gibt es bereits 300 Anmeldungen, obwohl nur 120 Plätze zur Verfügung stehen. „Bis zum Sommer werden das noch mehr. Wir haben jedes Jahr mehr als 500 Anmeldungen“, sagt der stellvertretende Schulleiter Eberhard Koch. Er weiß von drei weiteren Schulzentren, die genug Schüler für eine Umwandlung zur Gesamtschule hätten.
Auch in Bad Mündern im Landkreis Hameln-Bad Pyrmont sprachen sich Eltern im November für eine kooperative Gesamtschule aus, weil es dort kein erreichbares Gymnasium gibt. „Wir fordern, dass es in diesem Jahr an diesen beiden Orten Neugründungen gibt“, sagt GEW-Chef Eberhard Brandt, der am Donnerstag mehr als hundert Ganztagsschul-Unterstützer in Hannover versammelt hatte, darunter auch Bürgermeister von der CDU. Doch die CDU-Fraktion, sagt Brandt, habe wohl Angst vor ihren Kommunalpolitikern und verzögere das Verfahren.
SPD, Grüne und die Linke wollen in der kommenden Woche entsprechende Anträge im Landtag einbringen. Der Gesetzentwurf von FDP und CDU wird jedoch wohl erst im Juli verabschiedet werden können. „Bis zur diesjährigen Anmelderunde wird man es nicht mehr schaffen“, sagt CDU-Fraktionsvize Karl-Heinz Klare zur taz. „Der Regelfall der Neugründung wird erst 2009 sein“, sagt CDU-Fraktionschef David McAllister. Ob für Städte wie Schaumburg oder Bad Münder Ausnahmen möglich sind, müsse „geklärt“ werden. Man müsse vermeiden, so McAllister, „dass dabei bestimmte Standorte begünstigt werden“.
Die CDU spiele schlicht „auf Zeit“, sagt die SPD-Schulpolitikerin Frauke Heiligenstadt. „Wer sich jetzt in weiteren Debatten verliert, will in Wirklichkeit Gesamtschulen weiter verhindern und stößt damit Tausende von Eltern vor den Kopf.“