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Archiv-Artikel

Die Schulung der Filialisten

Kunst als Teil des Einkaufserlebnisses und der Sinnstiftung: Das Unternehmen REALACE entwickelt Konzepte, um Bauherren und Architekten auch die Investion in die Kunst schmackhaft zu machen und bestehende Kunstsammlungen besser zu nutzen

VON MICHAEL KASISKE

Eine GmbH, gegründet von einem Architekten, einem Kunsthändler und einem Unternehmensberater, ergibt eine Steilvorlage für den Stammtisch: „Die sollen ein Haus bauen, das aussieht wie ein Haus, mit Kunst, die von Können kommt, und das auch bezahlbar.“ Daniel Bormann, Edzard Brahms und Niklas Rösemann können über derlei Sprüche schmunzeln. REALACE, so der Name ihrer Unternehmung, will eben nicht die Disziplinen addieren, sondern wechselseitig potenzieren.

Ihre Selbstbeschreibung als „Produzenten für Kunst und Immobilien-Innovation“ verweist schon auf die zwei Säulen des Unternehmens. „Fine Arts“ ist eine klassische Galerie mit einem festen Künstlerstamm, während „Development“ den Geschäftsbereich Projektentwicklung mit Themen wie Produktkonzepte, Standortmarketing und Machbarkeitsstudien benennt. Als drittes Element kommt „Place-Making“ dazu, also die Aufgabe, geeignete Standorte für Hotels, Shops, Showrooms zu finden und bestehende Räume in markante, unverwechselbare Orte der Unternehmenskultur umzuwandeln.

„Das größte dezentrale Museum der Welt“ nennt Bormann beispielsweise ihr Konzept für einen international agierenden Hersteller von Accessoires. Dessen in einer Stiftung gesammelte Kunstwerke, so die Idee von Bormann, sollen in den Verkaufsläden präsentiert werden. Damit die Arbeiten freilich im Rahmen des Corporate Design gezeigt werden können und gleichzeitig den kulturellen Anspruch der Firma nach außen tragen, führte er eine aufwändige Analyse durch. Und erwägt eine Schulung der Filialisten, um sie überhaupt mit Kunst vertraut zu machen. Schließlich soll sie besonderer Teil des Einkaufserlebnisses werden. Nicht als verfeinerte Form der Werbung, sondern als Angebot von „Sinnstiftung“. So jedenfalls formulieren die drei Partner ihren Anspruch.

Also fordern sie, von Beginn an ein entsprechendes Budget in die Baukosten einzuplanen. Was im öffentlichen Bereich unter dem Schlagwort „Kunst am Bau“ geläufig ist, scheint für Immobilienkaufleuten und Projektentwicklern bislang noch Terra incognita zu sein. Nun begünstigt aber ein Immobilienmarkt, der wie zurzeit vor allem hochwertige Projekte nachfragt, fast zwangsläufig die „Art sells“-Strategie der REALACE-Partner, die sich im interdisziplinär angelegten Aufbaustudiengang „Realestate Management“ an der Technischen Universität Berlin kennengelernt haben. Sie argumentieren nun, dass es auch eine ökonomische Sicht erlaubt, Kunst am Bau weder allein als vorgeschriebenes Übel zu begreifen noch die Kunst im Bau als bloßes „nice to have“.

Konsequenterweise konzentriert sich die Galerie auf Künstler, die in ihrem Werk die Auseinandersetzung mit Raum und Architektur suchen. Der Ire Stephen Craig kann sich etwa aufgrund seines Status als erfolgreicher Künstler an das bei Architekten verpönte Unterfangen wagen, Bilder in Bauwerke zu übersetzen. Das zeigt sein Pavillonentwurf für die Hamburger Kunstmeile in Form eines überdimensionalen Rettungsringes.

Unter den weiteren Künstlern sind Christine Rusche, die mit Schwarzweißgrafik Räume visuell zersplittern lässt, Fritz Balthaus, ein arrivierter Bildhauer, und Adib Fricke, der mit seiner Wand füllenden Wortmalerei die Galerie- und Büroräume von REALACE ausgestattet hat. Diese Räume sind gleichsam ein Vorbild für das, was Bormann, Brahms und Rösemann für üblicherweise charakterlose Büro- und Geschäftsflächen entwickeln wollen.

Dafür beschreitet REALACE inzwischen experimentelle Wege, etwa mit einem Akustikdämmstoff, der sich bedrucken lässt. Hier offenbart sich die besondere Kompetenz: Der Architekt, der Baustoffe einschätzt, der Galerist, der um die Eignung der Künstler weiß, und der Ökonom, der diese Verknüpfung wirtschaftlich prüft. Auch im Gespräch mit den zahlreichen Beteiligten von Bau, Verwaltung und Investment ist die Vielsprachigkeit vorteilhaft.

Priorität hat die Übereinstimmung von Kunst und Projektzielen. Alles andere hieße, so Brahms „die Kunst über die Funktion zu verraten“. Das wäre genauso unzureichend wie das rein dekorative Gemälde an der Wand oder die schmückende Skulptur im Foyer. Entscheidend ist daher, dem Kunden ein anspruchsvolleres Verständnis zeitgenössischer Kunst zu vermitteln. Ihren Mehrwert allein im ästhetischen Oberflächenreiz zu suchen, verfehlte ihr Anliegen, sich darüber hinaus als intellektuelle, moralische oder politische Herausforderung zu sehen.

REALACE stößt in die bislang von Art Consultants mehr oder weniger erfolgreich gefüllte Lücke, Kunst so attraktiv wie möglich in Bauwerke oder Corporate-Identity-Konzepte einzubinden. Dank ihrer sich ergänzenden Kenntnisse trauen sich die drei Partner Größeres zu, nämlich Kunst glaubwürdig zum charakteristischen Bestandteil von Haus- oder Raumkonzepten aufzuwerten. Es wird allerdings ein langer Atem vonnöten sein, bis auch das Publikum wie jenes am Stammtisch den Gewinn anerkennen wird.

REALACE, Wilhelmstr. 138, Berlin-Kreuzberg, Mi.–Sa. 11–18 Uhr www.realace.de